Tanz

So wird im Eintanzhaus Mannheim weltweiter Wahnwitz vertanzt

Im Mannheimer Eintanzhaus zeigt Choreograph Moritz Ostruschnjaks in seinem wilden „Mashup“-Stück „Autoplay“ die Absurdität der Copy-and-paste-Generation auf

Von 
Martin Vögele
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Szene aus dem Gastspiel „Autoplay“ im Eintanzhaus. © Franziska Strauss

Der Anfang von „Autoplay“ ist von größter Klarheit: Die ausladende Bühne des Mannheimer Eintanzhauses ist weiß und leer, bis auf zwei Bildschirme an den Flanken und eine zentral positionierte Leinwand. Eine Tänzerin und drei Tänzer (Magdalena Agata Wójcik, Daniel Conant, David Cahier, Antoine Roux-Briffaud) treten erst nacheinander, dann miteinander vertaktet auf: Wójcik rahmt mit den Händen einen Kamera-Bildausschnitt, Conant wirft sich in Michelangelos David-Positur, und während die eingespielte Musik allmählich an Intensität gewinnt, sehen wir Ballettstellungen und -Sprünge, (Film-)rituelle Tanz-Elemente und Instagram-Koketterie, Sportives, Breakdance-Skizzen, Videoclip-Schritte und kollektive „Gangnam Style“-Moves.

Das wird in diesem „Tanz Mashup“-Gastspiel von Choreograph Moritz Ostruschnjak mit selten gesehener Schwerelosigkeit in Szene gesetzt: Mit leisem Humor collagiert und mit wunderbar leichtläufiger Finesse getanzt (bravourös: Daniel Conant), entsteht hier ein assoziativer Bewegungs- und Bewusstseinsstrom, ein fließender Zitaten-Groove. Der sich indes bald nicht mehr im Zaum halten lässt.

Abseitige Fundstücke verquirlt

Bilder eines Fidget Spinners flackern auf, gefolgt von durch die Luft wirbelnden Computerspiel-Autos, und es beginnt, was sich im weiteren Verlauf von „Autoplay“ zu einem choreographisch-medialen „Overflow“ auswächst, einer (kalkulierten) Überladung und Überreizung der Sinnesorgane. Ikonische Bilder, Szenen, Slogans und Filmsequenzen aus der Zeitgeschichte und Popkultur werden alsbald in wirbelndem Tempo mit kuriosen, teils abseitigen Fundstücken verquirlt, die aus den digitalen Tiefen von Internet und sozialen Netzwerken geschürft wurden.

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