Das Eintanzhaus Mannheim feiert seinen fünften Geburtstag. Andernorts oft ein Anlass für exklusives Festival-Brimborium, bleibt sich die Spielstätte in der ehemaligen Trinitatiskirche treu und zeigt sich einmal mehr als sehr offener Ort, der Tanz, Theater und Kultur mitten aus dem Alltag heraus erlebbar macht.
So bespielt auch die Jubiläumsperformance an einem belebten Samstag mitten in den Quadraten den Vorplatz und die umliegenden Straßen des Tanzhauses. Es gibt keinen Zaun, der Eintritt ist frei, Performer und Zuschauer sind anfangs kaum zu unterscheiden, Passanten und Strassengeschehen gehören gleichsam dazu. 20 Künstler, teils aus der Region, teils internationale Gäste, haben einen etwa zweistündigen Parcours mit verschiedenen, mal poetischen, mal humorvollen Szenen rund um den ungewöhnlichen Theaterort entwickelt. Unaufgeregt und mit einfachen Mitteln lenken diese den Blick auf das Haus selbst, einerseits als architektonisches Objekt, andererseits als Ort, der Künstlern wie Zuschauern zur Heimat für das Medium Tanz geworden ist.
Geburtstagsprogramm
- 21. September, 16.30-18 Uhr: Greenroom. Workshop Labor mit Overhead Project. Die Künstlerinnen und Künstler von Overhead Project geben einen Einblick in ihr neues Projekt und laden Interessierte zur Mitarbeit daran ein.
- 22. September, 18 Uhr: Greenroom. Residenzpräsentation des Workshops.
- 30. September, ab 21 Uhr: 5 Jahre! Geburtstagsfeier. Eintritt frei.
- Anmeldung für den 21. September (Workshop) und 22. September (Präsentation erforderlich (www.eintanzhaus.de).
In einem Klebestreifenkostüm, dessen Muster sich nach einigen Momenten als Abbild der Betonarchitektur mit den eingelassenen Glassteinen offenbart, eröffnet Musikerin, Sängerin und Tänzerin Güldeste Mamaç mit ihrer wunderbaren Singstimme den Reigen der Szenen. Es folgen unter anderem eine rasante Reise nach Jerusalem mitten auf der nächsten Straßenkreuzung, die so manchen SUV-Fahrer zum Staunen und das Publikum zum Schmunzeln bringt, eine Gruppenchoreografie auf den Treppen des eingerüsteten Kirchturms, die wie ein lebendiges Riesenwandgemälde daherkommt, ein akrobatischer Spaziergang rund ums Haus und der Auftritt zwei kunstrasengewandeter Wiesentrolle, die sich aus den Grünanlagen der Synagoge erheben.
Mein Körper ist dein Körper
Ein kontemplativer Ruhepol ist dann die Gruppenchoreografie an der Gebäuderückwand, bei der Performer das Haus selbst zum Akteur machen: Sie schmiegen sich an die Wand, versuchen den glatten Beton zu erklimmen, suchen und geben Halt an den Säulenelementen und zollen damit ihren Respekt jenem Haus, das vor fünf Jahren der Ausgangspunkt für die Erfolgsgeschichte des „Eintanzhaus e. V.“ war.
Am Abend stand dann das Gastspiel der Gruppe Overhead Project auf dem Programm: „My Body is your Body“ legt den Fokus auf das Körperliche. Ein Akrobaten-Duo (Leonardo García, Leo Börgens) und eine Tänzerin (Mijin Kim) bespielen eine Zentralbühne, bei der sich das Publikum auf zwei Tribünen gegenübersitzt. Perspektiven und Sichtachsen werden hier mit hochakrobatischen Figuren erforscht. Pirouetten, Salti, Handstände auf dem Kopf des andern, Hebe und Wurffiguren, die mit einer Leichtigkeit ausgeführt werden, als gäbe es die Schwerkraft nicht, faszinieren und nötigen durch die schiere körperliche Leistung auf jeden Fall gehörigen Respekt ab.
Teils belanglos
Am Ende bleibt das Ganze aber etwas blass, und es ist schwierig, den intellektuellen Überbau nachzuvollziehen, der in dem ungewöhnlich umfangreichen Programmheft aufgespannt wird. Mijin Kim tritt immer wieder ganz nah ans Publikum heran, und doch ergibt sich durch die Überschreitung der Grenzen, die üblicherweise zwischen Performern und Publikum liegt, niemals echte Nähe oder auch Provokation. Das Publikum bleibt stoisch ruhig, auch bei den waghalsigsten Figuren. Dazu trägt bei, dass die Darsteller Bewegungselemente aneinanderreihen, als seien sie emotionslose Akrobatikautomaten. Einzig ein Klangteppich versucht, Struktur zu schaffen. Doch der indifferente Sound versammelt nur die üblichen Versatzstücke: Vogelzwitschern, Wassertropfen, elektronische Sounds und Beats, teils enervierend laut, teils belanglos.
Und so gilt der großzügige Applaus und Jubel am Ende vor allem der herausragenden mehr athletischen als tänzerischen Leistung der der Ausnahmeartisten.
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