Da beginnt etwas, erwacht etwas im Studio Werkhaus des Mannheimer Nationaltheaters: Ein Keyboard-Glimmern durchdringt das Dunkel des Saals, der Bass fängt an, in schneller Frequenz zu pulsieren, das Sopransaxofon kleidet den Raum mit einem feinen tonalen Gefäßnetz aus, und dann setzen kraftvolle Schlagzeug-Schläge den Jazzfunk-Metabolismus vollends in Gang. Es klingt ein wenig, als würde hier neues (Klang-)Leben kreiert.
Orange Earth startet die Neuauflage der Reihe Tonstudio des NTM
Tatsächlich trifft das bildlich gesehen auch zu - schließlich reanimiert das Nationaltheater an diesem Abend ein Livemusik- und Party-Format, das 2018, nach vier Jahren Laufzeit, in tiefen Schlaf gesunken war: „Willkommen zum ersten Konzert der wiederauferstandenen Reihe Tonstudio“, heißt Saxofonistin Silvina Gaß dementsprechend das einige Dutzend Köpfe zählende Publikum willkommen, nachdem der letzte Ton von „River People“ verklungen ist - das eingangs beschriebene Stück, das von Jazzlegende Wayne Shorter und seinem wegweisenden Fusion-Ensemble Weather Report stammt und hier von Gauß’ Mannheimer Band Orange Earth eine vibrierend eigene Interpretation erfährt.
Das Quintett hat sich einer Melange aus Groove und Jazzrock verschrieben und reist dazu durch mehrere Jahrzehnte Musikgeschichte. Dabei gehen die Fünf, wie sich anschaulich zeigt, so spielerisch genussvoll wie technisch versiert mit den Vorlagen um, verbinden Funkiness und Groove-Kompetenz mit hoher Agilität.
Großteil von Orange Earth ist in der Rhein-Neckar-Region bekannt
Die meisten Bandmitglieder sind einem keine Unbekannten: Jonas Stiegler, der Jazz-Schlagzeug an der Mannheimer Musikhochschule studierte, und Popakademie-Absolvent David Kevels hatten (zusammen mit Frontmann Engin Devekiran) mit ihrem Indie-Pop-Trio Engin zuletzt für erhöhte Aufmerksamkeit gesorgt. Den Pianisten und Komponisten Philip Weyand kennt man im Kontext mehrfacher kreativer Konstellationen in der Jazzregion Rhein-Neckar - und durch sein famoses Album „Myosotis“. Gaß und Gitarrist Etienne Grünnes komplettieren die Formation mit Finesse.
Wir hören bald eine flirrende Version von Eddie Harris’ „Freedom Jazz Dance“, und das so Groove-starke wie zugleich zart gesponnene, in halbtransparentem Rhodes-Sound schimmernde „Black Narcissus“ aus der Feder von Joe Henderson. Gleichermaßen sensibel gezeichnet wie flammend gezackt gerät Herbie Hancocks „Sly“, und John Scofield „Chank“ markiert hiernach einen Höhepunkt: Aus dem Funk-Parabelflug geht die Orange-Earth-Interpretation in die Schwerelosigkeit über, Keyboard und Saxofon schweben wie verglühende Funken durch den Klangraum, um nach letztem Wiederentflammen zu verlöschen. Mit Billy Cobhams „Stratus“ verabschiedet sich die Band schließlich mit gebührender Jazz-rockiger Grandezza.
Nächster Termin der Tonstudio-Reihe am 28. März
Im Anschluss ist indes noch lange nicht Schluss, sondern es steht ein House-, Groove- und Latin-Techno-Party-Set mit DJ V1N1 auf dem Programm. Der nächste Tonstudio-Termin ist für den 28. März geplant (ab Februar wisse man wohl, wer dann spielt, merkt Gaß an). Das Datum sollte man sich jedenfalls - nimmt man diese sehr gelungene Premiere als Reverenz - vorsorglich schon einmal im Kalender einkringeln.
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