Ludwigshafen. Wie wäre es mit Chateaubriand zum Abendessen? Und davor vielleicht ein Schaumsüppchen aus gelben Tomaten mit Jakobsmuscheln? Für das Architektenpaar Faber mag das nichts Besonderes sein. Aber passt es auch, wenn die recht prolligen Popows in die schmucke Designervilla zu Besuch kommen? Gegensätze ziehen sich an, sagt ein Sprichwort; in Carolin Otterbachs Filmkomödie „Gäste zum Essen“ werden aber zunächst vor allem damit zusammenhängende Widersprüche betont.
Immerhin kommen hier die Repräsentanten der in diesem Land leider wieder stärker werdenden sozialen Gegensätze schon wegen eines Konfliktthemas an einem sonnig-heiteren Abend in Hamburg zusammen. In der ZDF-Produktion, die das Ludwigshafener Filmfestival als Uraufführung zur Eröffnung zeigt, sind die reichen Fabers nämlich davon überzeugt, dass ihre Teenagertochter Mila (Hannah Schiller) erst dann einen schulischen Leistungsabbau verbuchte, als sie mit Popow-Sohn Leon (Paul Sundheim) ein zartes Verhältnis begonnen hatte. Das zu klären ist für sie der eigentliche Anlass für die Einladung.
Schattenseiten haben alle
Viktor Popow (Maximilian Grill), gelernter Gärtner, der gerne mit seiner Virilität hausieren geht, und seine angetraute, sympathisch ehrliche Monika (Josefine Preuss) sehen die Sache naturgemäß anders. Immerhin ist ihr Sprössling Leon Klassenbester, was sie sich selbst eigentlich kaum erklären können. André Faber (Matthias Koeberlin) versucht sich zumeist als Schlichter und bleibt lange um Sachlichkeit bemüht; seiner nach außen strahlenden, innerlich aber ziemlich frustrierten Frau Soraya (Neda Rahmanian) geht solch eine Haltung eher gegen den Strich.
Es ist nicht unbedingt die ganz feine Charakterzeichnung, die Carolin Otterbach hier bevorzugt. So manches Klischee wird von ihr mit Wonne zelebriert, um sodann aber mit mehr Nuancen aufzuwarten. Was als Situations- und Beziehungskomödie beginnt, wandelt sich allmählich ins Melodramatische, als erstens der verspätet dazugestoßene Nachwuchs mit eigenen Beziehungsschwierigkeiten aufwartet und zweitens die weniger erfolgreichen Seiten der Elterncharaktere mehr und mehr zum Vorschein kommen, wobei diese besonders von Koeberlin und Preuss mit angemessener Tiefe versehen werden. Ihre Charaktere sind ohnehin von Otterbachs Drehbuch differenzierter angelegt als die anderen.
Die Versatzstücke sind klar erkennbar, als Stoffpaten sind besonders Shakespeare mit seiner immerjungen Tragödie „Romeo und Julia“ sowie Yasmina Rezas von Roman Polanski verfilmtes, fast ebenfalls schon klassisches Stück „Der Gott des Gemetzels“ deutlich. Aber im Eröffnungsfilm sind die bitteren Noten stark abgemildert. Das passt zu lauen Sommerabenden am Rheinufer – und wirft auch ein mildes Licht auf die vom Festival zu leistende Gratwanderung zwischen Anspruch und (guter) Unterhaltung. Für Sozialromantik ist in Otterbachs Film immerhin kein Platz. So viel Realismus muss auch im Abendprogramm des ZDF schon sein.
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