Nachruf

Jazz-Ikone Carla Bley im Alter von 87 Jahren gestorben

Carla Bley, bekannt für ihre beeindruckende Jazz-Karriere, ist im Alter von 87 Jahren in ihrem Zuhause im US-Bundesstaat New York verstorben. In den 70er und 80er Jahren spielte sie regelmäßig im Capitol in Mannheim

Von 
Georg Spindler
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Carla Bley beim Eröffnungskonzert des Enjoy-Jazz-Festivals im Jahr 2019, das sie gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten Steve Swallow gab. © Manfred Rinderspacher

Sie war eine Ikone des Jazz: Aber Carla Bley, mit bürgerlichem Namen Lovella May Borg, sorgte nicht nur durch ihre Trichterlampenfrisur für Aufsehen, sondern vielmehr noch als exzellente Band-Leiterin, Ausnahme-Komponistin und einfallsreiche Pianistin. Am Dienstagabend ist sie in ihrem Haus in Willow im US-Bundesstaat New York an einer Krebserkrankung gestorben. Sie wurde 87 Jahre alt.

Schon mit Anfang zwanzig wurde Bley zur Jazz-Berühmtheit. Ihre Kompositionen - kühl, spröde, einfallsreich - besaßen einen ganz eigenen Ton und begeisterten Musiker wie Paul Bley (den sie 1957 heiratete und mit dem sie zehn Jahre lang verheiratet war), Jimmy Giuffre und Art Farmer. Mitte der 1960er Jahre wurde sie zu einer Pionierin des Free Jazz, den sie mit dem Jazz Composers’ Orchestra als Erste großorchestral darbot.

Durch die Zusammenarbeit mit dem Bassisten Charlie Haden und seinem Liberation Music Orchestra und mit dem Vibraphonisten Gary Burton avancierte sie auch zu einer Vorreitern der Fusion-Musik. Denn in ihren Stücken verband sie auf grenzenlose Weise Free Jazz, Folk, Pop, Theatermusik und Klassik.

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Dies kulminierte in dem Mammut-Projekt „Escalator Over the Hill“, einer Jazz-Oper, die 1971 als Drei-LP-Box erschien. Eingespielt wurde sie von sechs Bands, Sprechern, Sängern und Chören. Zu den Mitwirkenden zählten der Rockbassist Jack Bruce, die Popsängerin Linda Ronstadt sowie Jazzstars wie Don Cherry, John McLaughlin und der Heidelberger Vibraphonist Karl Berger.

Ganz spezielle Ironie

In den 1970er und 1980er Jahren feierte sie mit ihrer Carla Bley Band weltweit Erfolge. Damals gastierte sie fast jährlich im Mannheimer Capitol. Ein Geheimnis ihrer Popularität war auch ihre spezielle Ironie. Am schönsten zu hören auf dem Album „I Hate to Sing“ (1984). Oder im Song „Boo To You Too“, mit dem sie auf „Fictitious Sports“ (1981) von Pink-Floyd-Schlagzeuger Nick Mason das berüchtigte Berliner Publikum ausbuhte.

Nach einer weiteren Big-Band-Phase begeisterte Bley in den vergangen 20 Jahren in einer reizvoll reduzierten Trio-Besetzung mit dem Saxofonisten Andy Sheppard und ihrem Lebensgefährten, dem E-Bassisten Steve Swallow.

Hier kultivierte sie die hohe Kunst der Reduktion, mehrfach auch bei Enjoy Jazz. Ihre Stücke und ihr spannungsvoll ausgespartes Pianospiel zeugten von einem immensen Wissen über harmonische Spannungen und melodische Verzweigungen.

Begegnete Lob sehr bescheiden

Im Interview mit dieser Redaktion wies sie aber jegliches Lob für ihre Klavierkünste von sich. „Ich würde gerne schnell und mit vielen Verzierungen spielen. Aber ich kann’s nicht“, sagte sie. Und ein wenig saß ihr da schon der Schalk im Nacken. Das war auch der Fall, als sie auf ihrer Homepage den damaligen US-Präsidenten Donald Trump auf einer Zeichnung als Sträfling zeigte. Keinen Spaß verstand sie dagegen, wenn man sie auf ihre Vorreiterrolle als emanzipierte Jazzfrau ansprach. Bei diesem Thema breche sie normalerweise jedes Interview ab, sagte sie. Zum Glück war es damals die letzte Frage unseres Gesprächs.

Redaktion

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