Auf der Bühne des Mannheimer Jazzclubs „Ella & Louis“ agieren Größen des Jazz. Sie spielen Musik, die zum Standardrepertoire ab den 1920er Jahren zählt. Und sie tun das, als hätten Swing und Blues nichts an Energie und Impulsivität verloren - nicht in der Lesart von Gábor Bolla (Saxofon) und Stéphane Belmondo (Trompete), die mit Martin Sasse (Klavier), Mini Schulz (Bass) und Bernd Reiter (Schlagzeug) zum Auftakt ihrer Tournee die European All-Stars of Jazz bilden.
Ausgeklügelte Arrangements rauschen nicht einfach am Ohr vorbei
Sie legen ohne Umschweife los. Mit dem Standard „Without A Song“ Vincent Youmans’ entfachen die Jazzer aus Ungarn, Frankreich, Österreich und Deutschland vom ersten Takt an einen gehörigen Drive. Die ausgeklügelten Arrangements rauschen jedoch nicht einfach am Ohr vorbei, sondern sind durch melodiöse Phrasierungen und rhythmische Akzentsetzungen fein strukturiert.
Populäre Standards werden auf originelle Weise umgesetzt
Dank improvisatorischer Finessen erreicht die Musik höhere Abstraktionsgrade, wirkt aber nicht sauerstoffarm. Zugleich ist das Spiel des Quintetts zwar unaufgeregt und lässig, verfällt aber nicht in leere Routine. Das Ensemble findet vielmehr die Balance, sich die populären Standards auf eine Weise anzuverwandeln, die deren Originalität bewahrt und deren moderne Adaptionsfähigkeit zugleich unter Beweis stellt.
Natürlich prägen Bolla und Belmondo das Spiel der Truppe. Das Tenorsaxofon des Ungarn und die Trompete sowie das Flügelhorn des Franzosen entfachen gehörige Sogkräfte, denen sich die Rhythmusgruppe um Drummer Reiter gern überlässt. Der Österreicher spielt stringent perkussiv, reagiert mit flexiblen Rhythmuswechseln auf das harmonische Geschehen. Der Stuttgarter Mini Schulz, auch im klassischen Fach bewandert, steuert am Kontrabass unaufdringliche und in ihrer Leichtigkeit und Wendigkeit zugleich geniale Walking-Bass-Linien bei. Martin Sasse begleitet am Klavier empathisch, bricht bei Improvisationen zu inspirierten Höhenflügen auf und fügt sich am Flügel auch dank klanglicher Noblesse harmonisch ein.
Gábor Bolla und Stéphane Belmondo zollen sich mit freundschaftlichen Gesten Respekt
Die All-Stars spielen keine kurzweiligen Titel, sondern ausgedehnte Arrangements. Unter den zehn Stücken ist auch „Birdlike“ von Freddie Hubbard, an dessen Beginn sich das Tenorsaxofon und die Trompete in einen lebhaften Dialog verstricken und sich Bernd Reiter mit einem ekstatischen Schlagzeugsolo einmischt. Beide Bläser sind auch in den Balladen „Darn That Dream“ und „Here’s That Rainy Day“ von Jimmy van Heusen einfühlsame Interpreten, die sich zudem mit freundschaftlichen Gesten gegenseitig Respekt zollen.
Doch mit dem hitzigen, geradezu spektakulären Stück „Black Nile“ von Wayne Shorter sind die All-Stars in ihrem Element. Und der Titel „Holy Land“ stammt von einem legendären Pianisten, Cedar Walton, der laut Bernd Reiter bei seiner Stationierung als US-Soldat auch in Mannheim gespielt haben soll. Einen gehörigen Vorwärtsdrang entwickelt das Quintett gegen Ende mit Thelonious Monks „I Mean You“, während „415 Central Park“ von Steve Grossman fraglos das aufgewühlteste Stück dieses Konzerts ist. Zu den „Heartaches“ von Dexter Gordon lassen die All-Stars alles locker ausswingen. In dieser Version werden die guten alten Jazzstandards wohl ewig leben.
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