Enjoy Jazz

Cécile McLorin Salvant brilliert mit Standards in Ludwigshafen

Beim Enjoy-Jazz-Konzert im BASF Feierabendhaus vollzogen sich laut unseres Kritikers Hans-Günter Fischer wahre Wunder. Wundertäterin ist die US-amerikanische Sängerin Cécile McLorin Salvant...

Von 
Hans-Günter Fischer
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Cécile McLorin Salvant singt im BASF Feierabendhaus. © Manfred Rinderspacher

Ludwigshafen. Vielleicht sind die besten Songs ja wirklich schon geschrieben worden – wie Amy Winehouse glaubte. Aber für deren Interpretationen gibt es noch immer Luft nach oben. Sogar dort, wo es am wenigsten wahrscheinlich ist. Noch weniger wahrscheinlich ist nur, dass man einen solchen raren Glücksfall während eines einzigen Konzerts gleich mehrfach miterleben darf. Man wohnt dann einem mittelgroßen Wunder bei. Aber genau dies geschieht bei einem Enjoy-Jazz-Konzert im Feierabendhaus der BASF. Wundertäterin ist Sängerin Cécile McLorin Salvant. Das mag reichlich übertrieben klingen. Doch das wird nur der behaupten, der McLorin Salvants Fassung des steinalten und von Tausenden von Sängerinnen (und auch Sängern) malträtierten Judy Garland-Hits „Over The Rainbow“ nicht live miterlebt hat. Eine bessere Version war nie zu hören. Sie vibriert vor Spannung, Inbrunst, Hoffnung.

Die „Standards“ sind noch längst nicht alle gesungen

Hier tritt eine Hoffnungsträgerin für den in seiner Heimat USA arg marginalisierten Jazz auf. Sie soll seine Zukunft sichern helfen, und sie ist mit ihren 35 Jahren noch recht jung. Aber sie blickt auch gern zurück, ist eine Kuratorin der Vergangenheit und nimmt eine musikhistorisch allumfassend informierte Perspektive ein. In Ludwigshafen hat McLorin Salvant eine Playlist voller „Standards“ – Songs aus alten Musicals und Filmen.

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Sie und ihr Quartett scheinen spontan zu wählen, manchmal wirkt es so, als müssten sie erst mal beratschlagen, was ihre nächste Nummer werden soll. Das mag aber ein Teil der Show sein. Diese setzt mehr auf Frische als auf absolute Perfektion. Zumindest, was die drei Begleiter von McLorin Salvant angeht: ein Klaviertrio, das seine kleinen Eigenwilligkeiten demonstriert, nicht nur gesetzt, wohltemperiert und flauschig spielt. Im „Haunted House Blues“ gibt sich Sullivan Fortner am Klavier als wahre Schreckgestalt, mit harten Schlägen setzt er seinem Instrument schwer zu. Es solle ja „ein Halloween Song“ sein, erklärt die Sängerin.

McLorin Salvant selbst gebietet über eine Stimmgewalt, die notfalls auf ein Mikrofon verzichten könnte. Kühne Intervallsprünge sind gleichfalls kein Problem für sie. Und die Diktion bleibt dabei stets glasklar, die Aussprache der Worte jedes Liedes könnte deutlicher und plastischer kaum sein. McLorin Salvant reflektiert die Texte auch, dass viele dieser alten Schnurren „nicht gerade inklusive“ Inhalte vermitteln, wird nicht nur in Songs aus „Guys and Dolls“ erkennbar. Das ist lange her.

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Nur ein paar Jahre später sang, in „Manche mögen’s heiß“, Marilyn Monroe „Runnin‘ Wild“. Das schon bei Monroe hohe Ausgangstempo überdreht McLorin Salvant ins Extrem. Was auch ein Kommentar sein mag. Aber vor allem ist es ein brillanter Vortrag.

Die Reise in die Tiefen der Musikgeschichte geht im Feierabendhaus noch weiter, sogar bei Brecht/Weills „Dreigroschenoper“ ist die Endstation längst nicht erreicht. Die bildet erst „Flow Not so Fast, Ye Fountains“ von John Dowland, Jahrgang 1563. Aus dem Renaissancelied macht McLorin Salvant eine zeitlose, tieftraurige Ballade. Und das nächste mittelgroße Wunder.

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