Lindenfels. 4058 Bürger waren am 27. Oktober aufgerufen, den neuen Lindenfelser Rathauschef zu wählen. Neben CDU-Kandidat Rico Schrot (45) aus Bad Soden am Taunus buhlte unter anderem auch der unabhängige Kandidat Norbert Taufertshöfer (72) aus Heppenheim um die Gunst der Wähler. Doch am Ende gewann der Kandidat, der schon seit Jahrzehnten fest mit Lindenfels verwurzelt und durch seine Funktion als Erster Stadtrat intensiv mit den Themen vertraut ist, die die Burgstadt bewegen: Der 33-jährige Eulsbacher Maximilian Klöss (unabhängig) erzielte mit 78,3 Prozent ganz klar die absolute Mehrheit und setzte sich somit deutlich gegen seine Kontrahenten Rico Schrot (13,1 Prozent) und Norbert Taufertshöfer (8,6 Prozent) durch.
Das eindeutige Wahlergebnis war eine große Überraschung, denn die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einer Stichwahl hätte kommen können, war bei insgesamt drei Kandidaten durchaus gegeben. „Ich hatte zwar das Vertrauen und das Selbstbewusstsein, dass ich gewinnen könnte. Aber dass das Ergebnis so deutlich ausfällt, damit hätte ich absolut nicht gerechnet“, schilderte Maximilian Klöss damals beim Telefongespräch mit dem BA, nachdem das Wahlergebnis feststand.
Amtierender Rathauschef Michael Helbig kandidierte nicht nochmal
Auch der noch amtierende Bürgermeister Michael Helbig war erstaunt: „Durch das, was ich auf der Straße und beim Einkauf so gehört habe, war davon auszugehen, dass Maximilian Klöss gewinnt. Aber dass es in dieser Deutlichkeit passiert, ist bei drei Kandidaten einzigartig.“
Ein Wermutstropfen war hingegen die geringe Wahlbeteiligung. Diese lag bei rund 61 Prozent und somit niedriger als noch bei der Bürgermeisterwahl im Jahr 2018, bei der die Wahlbeteiligung 64,2 Prozent betragen hatte. Damals befand sich der derzeitige Bürgermeister Michael Helbig in seiner ersten Amtszeit und er wollte eine zweite dranhängen. Er hatte keinen Gegenkandidaten und so bestätigten die Lindenfelser ihren Verwaltungschef mit 85,5 Prozent der Stimmen. Michael Helbig hatte allerdings im April dieses Jahres verkündet, dass er nicht für eine dritte Amtszeit zur Verfügung steht. Sein letzter Arbeitstag als Bürgermeister wird somit im April 2025 sein.
Städtischen Mitarbeiter in Lindenfels seien "in einer dauerhaften Belastungssituation"
Dann kann Michael Helbig auf zwölf turbulente Dienstjahre zurückblicken, in denen es viele Herausforderungen zu bewältigen gab – angefangen vom nicht ausreichenden hessischen Finanzausgleich für Lindenfels als Flächenkommune und der Lindenfelser Finanzkrise ab 2012, die in der Teilnahme am hessischen Schutzschirmprogramm 2013 bis 2018 mündete, bis zum Krieg in der Ukraine seit 2022 sowie der eskalierte Nahostkonflikt seit Oktober 2023. „Letztendlich sind wir permanent im Krisenmodus“, hatte Helbig in einem Pressegespräch im April betont. Auch die städtischen Mitarbeiter seien in einer dauerhaften Belastungssituation. „Hinzu kommt, dass wir für immer mehr Vorschriften eigentlich immer mehr Personal brauchen, weil ja kaum Vorschriften wegfallen“, erläuterte der Bürgermeister. Qualifiziertes Personal sei jedoch nur schwer zu finden und die dafür notwendigen, zusätzlichen finanziellen Mittel bekäme man nicht im Haushalt abgebildet.
Die immer mehr zunehmende prekäre Lage der deutschen Kommunen – insbesondere im Hinblick auf die finanzielle Ausstattung und die Bürokratie – lähme Kommunalpolitiker und Verwaltungen massiv in ihrer Arbeit. Zwar halte er bürokratische Strukturen in einem demokratischen Gemeinwesen für notwendig, um Verlässlichkeit zu generieren. Die Geschehnisse der vergangenen Jahre würden allerdings viele Entwicklungen ausbremsen, sodass Frustration und Stagnation eintreten.
Bürgergespräche, Firmenbesuche und Politprominenz
„Wir verwalten nur noch den Mangel und haben für die Infrastruktur nicht mal mehr das Geld zum Erhalt“, zeigte sich Helbig verärgert. „Nach der Konsolidierung der Finanzen ist Wasser und Abwasser das wesentliche Thema. Dann Feuerwehr, da der Bereich ,Sicherheit und Ordnung’ direkt dem Bürgermeister untersteht. Dann Kindergarten“, zählte Helbig die Prioritäten auf. Für Straßen, Friedhöfe und Bürgerhäuser fehle aber dann oft das Geld. Letztlich sei das mitunter der Grund, warum er künftig nicht mehr für das Bürgermeisteramt zur Verfügung steht: „Der fehlende Gestaltungsspielraum gepaart mit der dauerhaften Überbelastung ist für mich als Kommunalpolitiker demotivierend“, erklärte er.
Zur Entscheidung, kein drittes Mal als Bürgermeister zu kandidieren, beigetragen hätten letztlich aber auch seine Gesundheit und „meine eigene Wahrnehmung, dass ich teilweise nicht mehr mit dem nötigen Elan Dinge anpacken kann. Das Bürgermeisteramt kostet sehr viel Kraft. Ich glaube, Amt und Stadt brauchen von Zeit zu Zeit neue Energien, frische Ideen und Impulse“, so Helbig.
Klöss und Schrot suchten im Wahlkampf das Gespräch mit den Bürgerinnen und Bürgern
Maximilian Klöss, Rico Schrot und Norbert Taufertshöfer sahen sich gewappnet, die Stadt Lindenfels mit viel Energie, neuen Ideen und Impulsen in die Zukunft führen zu können. Dem großen Wahltag am 27. Oktober war ein monatelanges, intensives Werben der drei Kandidaten um die Stimmen der Lindenfelser vorausgegangen. Bereits im März hatte Rico Schrot bei einer außerordentlichen Mitgliederversammlung der Christdemokraten seine Bewerbung um den Rathausstuhl öffentlich gemacht. Im April gab Maximilian Klöss bekannt, dass er ebenfalls ins Rennen um den Chefsessel geht. Im Juli warf dann auch Norbert Taufertshöfer seinen Hut in den Ring.
Sowohl Klöss als auch Schrot hatten in den einzelnen Ortsteilen das Gespräch mit den Bürgern gesucht, um herauszufinden, welche Themen den Lindenfelsern am Herzen liegen. Zur Sprache kamen da vor allem die Schließung des Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ), die Flüchtlingssituation, die öffentliche Sicherheit, Vandalismus, Ruhestörung und Müll in den Straßen, der Motorradlärm, das Lindenfelser Schwimmbad, fehlende Kita-Plätze und zu wenig Parkplätze sowie die Unzufriedenheit der Ortsbeiräte in Bezug auf die Rückmeldungen der Stadtverwaltung.
Norbert Taufertshöfer organisierte zwei Veranstaltungen
Gesprächsrunden mit CDU-Politikern wie dem hessischen Innenminister Roman Poseck, dem Staatssekretär im hessischen Finanzministerium Uwe Becker und dem ehemaligen Kanzleramtsminister Helge Braun sowie Firmenbesuche – beispielsweise bei der Kopp Schleiftechnik GmbH, der Eleonorenklinik, Promax Deutschland, dem Service-Center Ihrig, der Moritz Bürotechnik GmbH, Schmidt Omnibusreisen und bei den Steuerberatern Maurer, Knapp und Partner – komplettierten die Veranstaltungsreihen von Klöss und Schrot.
Norbert Taufertshöfer hatte hingegen nur zwei Veranstaltungen angeboten: Zum einen organisierte er im September eine Versammlung im Dorfgemeinschaftshaus in Schlierbach, bei der er zunächst sich selbst näher vorstellte und dann erörterte, wie er der einstigen „Perle des Odenwalds“ wieder zu neuem Glanz verhelfen und ihr jetziges Schattendasein beenden wolle. Zum anderen referierten bei einem Vortrag im Oktober AfD-Kreissprecher Thomas Fetsch und Detlef Pecha vom AfD-Kreisverband Hochtaunus zum Thema „Innere Sicherheit – Wie schaffen wir das?“. Im Mittelpunkt standen hier die Asyl- und Einwanderungspolitik, organisierte Kriminalität, Clan-Strukturen, die Cannabis-Legalisierung, Jugend- und Zwangsprostitution sowie der Einfluss der Politik auf die Bereiche des Staates.
Der Siegeszug begann schon im Ortsteil Winkel
Bei einer Podiumsdiskussion im Bürgerhaus im September hatten Bürger und Interessierte erstmals seit Beginn des Bürgermeisterwahlkampfs dann die Gelegenheit, sich die Standpunkte der drei Kandidaten im direkten Vergleich anzuhören. Auch in den BA-Interviews rund eine Woche vor der Wahl legten Klöss, Schrot und Taufertshöfer noch einmal ausführlich ihre Positionen dar.
Den Ausgang der Wahl selbst verfolgten Klöss, Schrot und Taufertshöfer am 27. Oktober im Ratssaal des Lindenfelser Rathauses. Bis 18 Uhr hatten die Bürger die Gelegenheit, ihre Stimme abzugeben, dann schlossen die Wahllokale in der Kernstadt und den Stadtteilen – um 18.10 Uhr wurde bereits das erste Ergebnis aus dem Wahlbezirk Winkel veröffentlicht. Schon dort lag Maximilian Klöss mit 70,4 Prozent deutlich vor Rico Schrot (17,3 Prozent) und Norbert Taufertshöfer (12,2 Prozent).
Der Siegeszug von Klöss setzte sich in den darauffolgenden 45 Minuten auch in den restlichen Wahlbezirken fort, sodass um 19 Uhr definitiv feststand: Maximilian Klöss wird der neue Bürgermeister von Lindenfels.
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