Auf die Frage, warum er seine Lieder im Dialekt singt, muss Mundartsänger Charly Weibel nicht lange nachdenken: „Weil es aus dem Bauch kommt“. Und damit auch, dass er eben nicht lange nachdenken muss, die Sprache seiner Heimat ist für ihn wie eine Hose, in der er sich blind zurechtfindet.
Man sei, führt der Reilinger, der für seine Lieder in Mundart mehrfach ausgezeichnet wurde, mit dem Dialekt aufgewachsen, könne sich in ihm am besten ausdrücken. Und wenn er bei seiner Muddersprooch bleibt, dann spart er sich den Schritt, seine Gedanken und Gefühle ins Hochdeutsche zu übersetzten. Dadurch bleiben die Texte authentisch – unmittelbar und eingängig.
Dialekt macht schlau
Klar, so der ehemalige Polizist, in der Schule sei früher Wert auf Hochdeutsch gelegt worden, der Dialekt im Unterricht verpönt gewesen. Zu Unrecht, merkt der Liedermacher an und verweist auf eine Studie der Universität Oldenburg. Dabei wurden Schüler der dritten bis sechsten Klassenstufe, die zweisprachig aufgewachsen sind – Dialekt und Hochdeutsch – unter die Lupe genommen. Und siehe da: Die Zweisprachler schnitten bei der Rechtschreibung um 30 Prozent besser ab als die nur hochdeutsch parlierenden Mitschüler.
Auch das Vorurteil, dass derjenige, der Dialekt spreche, eher von schlichtem Gemüt sei, das sprichwörtliche Landei, sei längst vom Tisch, berichtet Weibel, der in der Besinnung auf die Mundart auch ein Stück Heimat verwirklicht sieht. Das Kurpfälzer Idiom kann nun einmal nicht mit dem sächsischen oder bayerischen Dialekt verwechselt werden. Es entsteht schon durch die Sprache Identität. Auch wenn die Nordlichter beim Klang des hiesigen Dialekts diesen irgendwo in Bayern verorten, wie Weibel schmunzelnd hinzufügt. Doch, entschuldigt er den Norden, für den sei ohnehin alles, was nicht heimisch sei, bayrisch.
Zurück zum Kurpfälzer Dialekt, bei dem Weibel besonders das Gefühl aus dem Bauch heraus gefällt. Oder wie es sein Mundartkollege Christian „Chako“ Habekost einmal auf den Punkt bracht: Es groovt. Erdige Laute, die ihren eigenen Rhythmus haben und nicht nur Inhalte, sondern auch Gefühle und Töne transportieren.
Doch es ist nicht nur der Groove, der dem Musiker Weibel gefällt, es ist gleichermaßen die Direktheit, die dem Liedermacher ans Herz gewachsen ist. Im Dialekt, weiß er, könne man Dinge sagen, die auf Hochdeutsch unmöglich seien. Und viele Sachverhalte ließen sich besser ausdrücken, genauer auf den Punkt bringen. Nicht zuletzt geht ihm im Dialekt das Texten leichter von der Hand.
Nun ist Charly Weibel mit seinen Auftritten nicht auf die hiesige Region begrenzt, seine Lieder im Kurpfälzer Dialekt trägt er im ganzen Land – und wird dabei verstanden. Erst unlängst hätte ihm eine Zuhörerin aus Hamburg versichert, alles mitbekommen zu haben – „so schlecht werden wir also nicht verstanden“, bringt er es auf den Punkt. Und auch wenn nicht immer jedes Wort auf Anhieb verstanden wird – „die Message kommt rüber“. Dennoch, bekennt er, erstaune es ihn immer wieder, wenn die Leute sagen, alles verstanden zu haben.
Insgesamt sieht Weibel den Dialekt hierzulande akzeptiert, als festen Bestandteil einer gewachsenen Kultur. Letzte Aufwertung habe er durch Ministerpräsident Winfried Kretschmann erhalten, der sich für die Mundart starkmache. Erinnert sei nur an die Dialektinitiative der Landesregierung aus dem Jahr 2018, der der Dachverband für Dialekte in Baden-Württemberg entspross.
„Dialekte sind weit mehr als nur Sprache: Sie sind Ausdruck von Identität, Zusammenhalt und Heimatverbundenheit. Sie schaffen ein Gefühl der Zugehörigkeit und sind ein gesprochenes Zeichen unseres kulturellen Reichtums. Baden-Württemberg ist vielfältig, gleichzeitig bleibt die tiefe Verwurzelung in unserer Heimat spürbar. Diesen Schatz gilt es zu bewahren – und ich bin dankbar, dass sich so viele Menschen dafür einsetzen“, wird Ministerpräsident Kretschmann beispielsweise im Oktober 2024 zitiert, als er im Neuen Schloss in Stuttgart zum ersten Mal den Landespreis für Dialekt verlieh. Der Dachverband der Dialekte Baden-Württemberg hatte den Preis initiiert.
Im Juni 2023 fand übrigens in Reilingen die Gründungsversammlung des Mundartvereins „Unsere Sprachheimat – schwätze, redde, babble“ statt, zu dessen Gründungsvätern Charly Weibel zählt. Über 50 Gründungsmitglieder aus der künstlerischen Mundartszene, aus Wissenschaft und Heimatvereinen nahmen daran teil.
Der Verein „Unsere Sprachheimat“ gehört dem Dachverband für Dialekte gleichfalls an und hat das Ziel, Flagge zu zeigen, sich gegen die Verbände in Südbaden und Württemberg, die es schon länger gibt, gegen das schwäbische und alemannische zu behaupten, der Kurpfalz Stimme zu verleihen.
Rechtsrheinischer Pfälzer Dialekt
Was ihm, fügt Weibel hinzu, über dem Rhein übrigens gut gelingt. Wobei ihm zupasskommt, dass der Kurpfälzer Dialekt der einzige rechtsrheinische Dialekt ist. Weshalb ihn, schmunzelt er, die Menschen in Bad Bergzabern beispielsweise besser verstehen als die Kirrlacher. Doch wie er so richtig feststellt, die Message seiner Lieder kommt überall an. Zumal Weibel ein exakter Beobachter ist, der die kleinen Anekdoten und Abenteuer des Alltags humorvoll auf den Punkt bringt. Sein Lied über die Begräbnisstätten als Orte der Begegnung beispielsweise, „Uffm Friedhouf“, ist mittlerweile ein Klassiker, beschreibt den fürs Dorfleben so wichtigen Ort der Kommunikation.
Wer sich ein Bild vom Können des Liedermachers machen will, dem seien zwei Termine empfohlen. Bei dem einen steht nicht der Dialekt im Vordergrund, auch wenn Weibel von sich behauptet, nur in den zwei Sprachen zu singen, die er beherrscht: „Reilingerisch und Englisch“.
Doch bei seinem Auftritt im Café „middedrin“, Schulstraße in Reilingen, am Dienstag, 26. November, um 19 Uhr, verspricht er Gesang in fünf Sprachen, eigene und fremde Lieder. Mit Liedern in Mundart ist Charly Weibel am Samstag, 28. Dezember, auf dem Wersauer Hof in Reilingen zu erleben, wenn der Liedermacher zum Dialekt-Special zwischen den Jahren einlädt.
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