„Dialekt ist wie ein Autokennzeichen“

Der Plänkschter Jung Sebastian Deininger liebt die „Kurpälzer Sprooch“ und seine Heimat. Nicht nur deshalb engagiert sich der 33-Jährige bei dem Laientheater „Kurpfälzer Bühne“, das seine Stücke in Mundart aufführt.

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Die „Kurpfälzer Bühne“ führte im Herbst ihr Stück „Schlitz im Kleid“ auf. Sebastian Deininger (hier mit Barbara Schloter) übernahm dabei eine Hauptrolle und wurde dafür vom Publikum gefeiert. © Dorothea Lenhardt

Was war er nicht schon alles: Finanzfachmann, Frauenflüsterer und Flachpfeife. Sebastian Deininger spielt seit zehn Jahren bei der „Kurpfälzer Bühne“ mit. Als er anfing, war er zarte 23 und bekam zunächst hauptsächlich die Rollen es jungen unerfahrenen Sohnes, Neffen oder Tollpatschs. „Meine Mama hat mich da reingebracht, sie ist dort schon viele Jahre als Souffleuse und wusste, dass das genau mein Ding ist“, sagt der hochgewachsene 33-Jährige und grinst. Und so überlegte er nicht lange, als Barbara Kießling ihn mit den Worten „Ich hätte da eine ganz tolle Rolle, wie für dich gemacht!“ ansprach. „Dass ich den hiesigen Dialekt kann, war natürlich auch wichtig“, fügt er grinsend hinzu. Der ist quasi die Grundlage, das Arbeitswerkzeug für die Darsteller des Mundartlaientheaters, das gerade wieder mit seinem Stück „Schlitz im Kleid“ bei acht ausverkauften Vorstellungen große Erfolge feierte. Von den Anfängen 2014 bis jetzt hat er bisher in jedem Stück mitgewirkt: „Seit zehn Jahren habe ich schon das Privileg, jedes Jahr eine Rolle zu bekommen.“ Bis auf die Corona-Zeit, da fielen die Proben und Vorstellungen aus.

Der Opa Bayer, die Oma ein waschechtes Schwetzinger Mädl

Sebastian Deininger ist in Plankstadt aufgewachsen, hat aber als kleiner Junge sehr viel Zeit bei seinen Großeltern in Schwetzingen verbracht, besonders eng war das Verhältnis zu seinem Großvater. „Der hat mich mittags oft geschnappt, dann sind wir durch den Schwetzinger Schlossgarten spaziert und danach zum Einkaufen.“ Opa Alexander war waschechter Bayer, er kam aus Ebersberg bei München und sprach reinstes Bayerisch. Die Oma hingegen war ein Schwetzinger Mädl mit breitem Kurpfälzer Dialekt. Das Umfeld hat die Sprache des kleinen Sebastian mehr geprägt als der bayerische Zungenschlag des Opas. „Aber durch ihn verstehe alles, wenn ich in Bayern bin.“

Mit dem Opa saß er abends oft und gerne auf der Couch in Schwetzingen vor dem Fernseher. Am liebsten sahen die beiden Peter Steiners Theaterstadl oder den Komödienstadel an. Der Enkel war völlig begeistert und machte seinem Großvater klar: „Wenn ich mal groß bin, will ich genau sowas machen!“ So stand sein späteres Hobby schon früh fest. Etwa 15 Jahre später machte er es dann wahr und sagte Barbara Kießling am Telefon direkt zu. „In diesem Jahr hatte ich meine Paraderolle. Ich spielte einen ziemlichen Deppen und hatte sehr viel Spielanteil, es war meine erste Hauptrolle.“ Im Stück hat er einen Mann dargestellt, der eine Frau bezirzen muss, um an einen Schlüssel zu kommen. Dummerweise beißt er sich auf die Zunge und so kommt es, dass Deininger das halbe Stück hindurch lispeln musste. „Das Publikum hat sich jedes Mal weggeschmissen, wenn ich Bernadette de Chan Son mit Namen angesprochen habe“.

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Den Text in Hochdeutsch vorliegen zu haben, ihn beim Sprechen in Dialekt umzuwandeln und das halbe Stück hindurch auch noch jedes „S“ zu lispeln, scheint recht kompliziert. „Allerdings, des isch gar net so äfach“, so Sebastian Deininger lachend. In den Proben hätten die Kollegen daher mehrfach reingerufen: „Du musch im Dialekt schwätze!“

Deininger ist fest davon überzeugt, dass die Zuschauer genau deswegen kämen, weil sie gerne den Dialekt hören. „Das hat viel mit Brauchtum und Heimat zu tun“, sagt der Jungschauspieler. Einen Sprachtest gebe es nicht. „Mir kenne uns jo all und könne die Sprooch“, und berichtet von einer Kollegin aus dem Ensemble, die in den Proben bei einem Satz spaßeshalber gesächselt hat. Alle waren begeistert und schwupps war die Rolle umgeschrieben und die Kollegin musste das ganze Stück hindurch sächsisch sprechen: „Dadurch wurde es noch viel lustiger.“ Und davon lebe das Mundarttheater, von den Dialekten und von der Nahbarkeit, die dadurch entstehe. „Man fühlt sich gleich wohl, wenn man den eigenen Dialekt hört“, sagt Deininger und fügt gleich ein Beispiel an: „Wenn ich im Fernsehen Jürgen Machmeier, den Präsidenten des SV Sandhausen höre, freue ich mich jedes Mal, dass unser Dialekt auch außerhalb der Kurpfalz gehört wird.“ Aus dem Grund schaue er sogar die Sendung aus den Benz-Baracken auf RTL2. „Ich ertappe mich dann vor dem Fernseher, dass meine Mundwinkel automatisch nach oben gehen“, erzählt er schmunzelnd.

Mangelnde Pflege der Kurpfälzer Mundart bereitet Sorge

Er findet es „faszinierend“, wenn er im Urlaub auf einer österreichischen Almhütte sitzt oder in Italien am Strand liegt und dann urplötzlich den heimischen Dialekt hört. „Was für ein toller Moment jedes Mal!“ Natürlich spricht er dann die Person sofort an und fragt: „Woher kummschn du?“ Die Freude über ein Treffen mit Menschen aus der Heimat sei stets auf beiden Seiten groß und verbinde, gerade im Ausland. Er denkt, dass er sogar die genaue Region heraushören kann. „In Monnem schwätzt ma onnaschd, die rede olwerer, unn sage zu onnaschd annaschta.“ Auf Nachfrage, was eigentlich „olwer“ genau bedeutet, kommt Deininger kurz ins Schwitzen. Brutal? Er verneint. Derb? Nein. Ordinär? Nein, eher krass, meint er. Klar wird in diesem Moment, dass dialektale Begriffe nicht eins zu eins übersetzt werden können. Ein Blick in Wikipedia zeigt, dass es tatsächlich gar nicht so einfach ist, denn es werden neun Begriffe als Synonyme für olwer aufgeführt: von tollpatschig über unförmig bis zu außergewöhnlich groß.

„Bei uns schwätzt jeder, wie ihm der Schnawwel gewachsen ist. Wir haben das von den Älteren übernommen, die haben immer sehr darauf bestanden, dass man Dialekt spricht.“ Wollte der kleine Sebastian eine Karotte, wurde er von der Oma gleich verbessert: „Des heest Geeleriew!“ Entscheidend ist manchmal auch die Betonung oder die Geschwindigkeit, in der ein Wort gesprochen wird. Zur Kirche sagt Deininger „Kääsch“, die Kirsche ist die „Käsch“. Kleine Feinheiten. Und ein Kind wird zum Grutze, wenn es nicht pariert.

Der Dialekt spielt in seinem Leben eine große Rolle. „Das ist Heimat für mich, da fühl ich mich zu Hause, das ist ein Teil von mir und ich spüre Zugehörigkeit, deswegen liebe ich das ja auch so, wenn jemand Dialekt schwätzt.“ Er mache sich etwas Sorgen, dass die Nutzung gerade bei jüngeren Menschen immer weniger wird. Denn er halte viel von der Pflege der Kurpälzer Mundart. Das sei auch ein Grund, weshalb er bei der Kleine Bühne mitmache. Das Hochdeutsche sei sowieso eher seine Zweitsprache, die spreche er vor allem im Beruf. Er leitet seit August den evangelischen Kindergarten in seiner Heimatgemeinde Plankstadt. Hat er Elterngespräche mit Menschen, die nicht von hier kommen, dann „versuche ich mich zusammenzureißen, weil, wenn die in ihrem Dialekt anfangen zu babbeln, da würde ich auch nichts verstehen“. Auch mit ausländischen Elternteilen versuche er, hochdeutsch oder zumindest deutlicher zu sprechen. Zudem sei es ja so, dass man professioneller und autoritärer auf Hochdeutsch wirke. Dies sei bei Elterngesprächen und besonders bei Konfliktgesprächen enorm wichtig. In allen privaten Kontakten aber sei der Kurpfälzer Dialekt die erste, weil natürlichste, Wahl.

Mit den Kindern in der Kita sprechen die vier männlichen Erzieher und die etwa 15 Erzieherinnen einen „Mischmasch“. Alle sprechen von Haus aus Dialekt, „reißen sich aber zusammen“. Deininger kam vor elf Jahren, um dort in der Einrichtung sein Anerkennungsjahr zu machen und blieb. Es werden dort fünf Gruppen mit Kindern zwischen zwei und sechs Jahren betreut, viele davon kämen nicht aus Plankstadt. „Wenn isch selwa Kinna hätt, deet isch a Dialekt mit denne schwätze.“ Das spiegelt für ihn Heimat wider. Trotzdem müssten sie Hochdeutsch können, besonders um es richtig schreiben zu können. „Seit ich die Leitung habe, muss ich viel über E-Mails kommunizieren und ich erwische mich dabei, dass ich immer „hab“ schreib, anstelle von „habe“. Also sei Zweisprachigkeit bei Kindern schon wichtig.

„Man schwätzt onnerschd, wenn man normal schwätze kann“

„Sprache ist wie das Kennzeichen auf dem Auto, dein regionales Aushängeschild“, sagt Deininger, der nun im Mannheim wohnt und daher ein Auto mit Kennzeichen „MA“ fährt. Als Wohnort hat er aber den südlichsten Zipfel der Stadt gewählt, also die nächste Nähe zu seinem angestammten Sprengel. „Ich fühle mich aber nicht als Mannheimer“, darauf besteht er, dem Heimat so wichtig ist.

Durch den Dialekt sei es auch schon zu lustigen Begegnungen gekommen. Zu Besuch in Köln hat er einen „Muckebatscher“ (Fliegenklatsche) verlangt. „Die Kölner haben sich scheppisch gelacht über das Wort.“ Wenn er mal nicht im Dialekt spreche, fühle es sich anders für ihn an, fremder: „Man schwätzt onnerschd, wenn man normal schwätze kann.“ Denn dann muss man nicht nachdenken, wie man was sagt, es fühle sich echter und ehrlicher an. Daher sei es für ihn auch viel einfacher, auf der Kleinen Bühne zu stehen und zu spielen, als einen Elternabend zu leiten und vor fremden Menschen hochdeutsch zu sprechen. „Wenn ich mich beim Spielen mal verspreche, dann ist das nicht schlimm, dann ist das ein Extra-Lacher!“

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