Institut für Deutsche Sprache

Sprachkongress in Mannheim: Über Regeln und Abweichung

Mit Fragen der Orthografie beschäftigt sich das Mannheimer Leibniz-Institut für Deutsche Sprache auf seiner Jahrestagung. Wie auf Abweichungen von der Rechtschreibnorm zu reagieren sei, ist dabei ein zentraler Aspekt

Von 
Thomas Groß
Lesedauer: 
Um „Rechtschreibfehler“ und ihre Bewertung geht es beim Jahreskongress des Mannheimer Leibniz-Instituts für Deutsche Sprache auch. © Marijan Murat/dpa

Sprache verwendet man unter Beachtung bestimmter Regeln. Doch wie überall gibt es auch hier Abweichungen von diesen. Das betrifft auch die Schriftsprache, deren Regeln die Rechtschreibung beziehungsweise Orthografie beschreibt. Vom allgemeinen Sprachwandel ist auch sie betroffen, und Rechtschreibreformen wollen dem Rechnung tragen, indem sie die Regeln präziser oder neu formulieren, um somit nicht zuletzt den Sprachunterricht verständlich gestalten zu helfen. Das ist der größere Zusammenhang, den die 59. Jahrestagung des Leibniz-Instituts für Deutsche Sprache behandelt.

Seit Dienstag diskutieren im Mannheimer Rosengarten Sprachwissenschaftler aus dem In- und Ausland über das Thema „Orthographie in Wissenschaft und Gesellschaft“. Die jüngste, 1996 eingeführte Reform der deutschen Rechtschreibung wird in diesem Zusammenhang oft erwähnt; damalige Streitigkeiten auch unter Fachkollegen werden indes nicht wiederholt. Im Zweifelsfalle Toleranz zu üben und Unterschiede zunächst nur zu registrieren ist die Regel hier. Entsprechend gibt es in Bezug auf bestimmte Fremdwörter eine Schreibweise, die deren Charakter als solchen betont, weshalb das IDS im Tagungstitel ein ,ph’, also „Orthographie“ schreibt, während die „integrierte Schreibung“ ein ,f’ verwendet - dies sah die Reform von 1996 vor, die von einer zwischenstaatlichen Kommission und dem nachfolgenden Rat für deutsche Rechtschreibung nachjustiert wurde.

Stellenwert in der Bildung

Um die Frage, ob sich der Begriff der Norm durch die Veränderungen im Schreibgebrauch in eine „dynamischen Größe“ verwandelt, soll es auf dem Kongress gemäß den einführenden Worten von Angelika Wöllstein und Sabine Krome vom IDS gehen - und um den Stellenwert der Orthografie im Bildungsbereich. Ersichtlich wurde auch bald, dass die noch eher junge Forschung mit großen Text- und Datenmenge den entsprechenden Fragestellungen eine tragfähige Grundlage bietet.

Mehr zum Thema

Das Interview

Sprachwissenschaftler Lobin: „Rechtschreibung ist Ausweis sprachlicher Genauigkeit“

Veröffentlicht
Von
Thomas Groß
Mehr erfahren
Wissenschaft

Mannheimer Sprachwissenschaftlerin forscht zu ausgrenzender Sprache

Veröffentlicht
Von
Thomas Groß
Mehr erfahren

Dieter Nerius zeichnete die Bemühungen um eine Reform der Rechtschreibung im Zeitraum von 150 Jahren nach. Stets galt es zu entscheiden, ob sie eine „Regelungsdominanz“ oder „Gebrauchsdominanz“ befolgen sollte, welchen Stellenwert dabei also der tatsächliche (Schrift-)Sprachgebrauch hat. Und ob 1876, 1901 oder 1996 - es habe immer Polemik gegen die Reform gegeben. Eine solche liegt Kristian Berg fern, der sich in einem Vortrag einer „systematischen Abweichung von der Norm“ in Form des „Vorfeldkommas“ widmete, das sich ebenso in Abituraufsätzen wie Zeitungstexten zuweilen findet, nach dem Muster: „Trotz eingeleiteter Maßnahmen, passierte dies oder das.“

Berg stellte fest, je länger eine Vorfeldkonstruktion ist, desto häufiger steht ein solches regelwidriges Komma. Er vermutet, es werde mit ihm ein prosodischer, die Sprachmelodie betreffender, Akzent verbunden. Die Linguistin Nanna Fuhrhop demonstrierte ihre These, dass orthografische Festlegungen entgegen dem Schreibgebrauch stets mit „Kollateralschäden“ einhergehen.

Die von der Rechtschreibreform neu zugelassene Großschreibung „im Allgemeinen“ oder „im Übrigen“ hat ihrer Meinung nach dazu geführt, dass in jüngerer Zeit auch Superlative wie „am besten“ fälschlicherweise zuweilen großgeschrieben werden. Dass der Rat für Rechtschreibung deshalb nun die erwähnte Großschreibung zurücknehmen sollte, empfiehlt sie nicht. Als Universitätsprofessorin genießt sie das Privileg reiner Forschung.

Infos zum IDS und zur Tagung: www.ids-mannheim.de

Redaktion Kulturredakteur, zuständig für Literatur, Kunst und Film.

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen