Mannheim.. "Es ist unfassbar", sagt Sabine Möller, bei Verdi im Bezirk-Rhein-Neckar für den Handel zuständig, zu der jetzt verkündeten Schließung der Mannheimer Galeria-Karstadt-Kaufhof-Filiale am Paradeplatz. "Jetzt hat es uns getroffen in Mannheim." 100 Beschäftigte seien davon betroffen, viele seit langen Jahren bei Galeria beschäfigt, viele in Teilzeit.
Gewerkschafterin befürchtet schlechte Abfindungsregelung für Betroffene in der Mannheimer Filiale
Zwar sei ein Interessen- und Sozialplan für die betroffenen Filialen ausgehandelt worden, den kenne sie aber noch nicht. Sie zweifelt daran, dass dieser auskömmlich für die Betroffenen gestaltet werden könne. Schließlich befinde sich Galeria in der Insolvenz. Auch die Beschäftigten der bereits im Januar geschlossenen Heidelberger Filiale hätten noch keine Abfindung gesehen. Fraglich sei auch, ob die Mitarbeitenden nach der Schließung Ende August überhaupt gleichwertige neue Arbeit finden würden.
Möller ist auch wütend auf den Signa-Eigentümer René Benko - die Warenhauskette durchlebt jetzt die dritte Insolvenz in wenigen Jahren. Das Mannheimer Haus, also die Immobilie, ist im Besitz einer Signa-Tochter. "Dieser Benko, was der mit dem Unternehmen gemacht hat! Diese Gier, die dahintersteckt, den eigenen Reichtum auf Kosten anderer Menschen aufzubauen!"
Mannheimer Oberbürgermeister Specht will für Erhalt des Galeria-Standorts kämpfen
Mannheims Oberbürgermeister Christian Specht sagte bei der zeitgleich stattfindenden Eröffnung des Maimarkts am Samstag: "Wir arbeiten mit Hochdruck daran, den Standort Mannheim von der Schließungsliste zu streichen. Ich hoffe, dass uns das gelingt und wir eine Perspektive für den Standort und die Mitarbeiter haben."
Betroffene Galeria-Mitarbeiterin: Viele haben geweint
Gudrun Brendel-Utzinger, Galeria-Mitarbeiterin in Teilzeit, wohnt in Frankenthal, und geht eigentlich nächsten Sommer in Rente: "Viele Kollegen und Kolleginnen haben gehofft, dass es gelingt, das Ruder noch rumzureißen. Sie haben alles gegeben und auf Gehaltserhöhungen und auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld verzichtet. Ich habe 1977 bei Horten gelernt und bis zur ersten Insolvenzwelle war Kaufhof immer ein guter Arbeitgeber. Aber jetzt ist das Haus runtergewirtschaftet, die Kunden beschweren sich zu Recht, weil die Rolltreppen ständig kaputt sind und Personal fehlt. Aber die Zahl der Mitarbeitenden wurde reduziert und der Krankenstand ist hoch. Die Menschen sind in den letzten Monaten an ihre Belastungsgrenze gegangen. Auch die Geschäftsführung hat alles gegeben. Die Stimmung? Bedrückt!"
Rosalia Lombardi, Kassiererin bei Kaufhof, 54, ist schlicht empört: "Das ist eine Unverschämtheit. Ich bin seit 1988 beim Kaufhof, ich habe hier gelernt. Wir haben gearbeitet und wir haben verzichtet, auf Lohnerhöhungen und Weihnachtsgeld, und das ist jetzt die Belohnung. Wir haben viele Stammkunden, vor allem ältere. Wo kaufen die jetzt ein? Ich erwarte von der Politik, dass sie sich dafür einsetzt, dass der Kaufhof bleibt. Was machen wir in Mannheim ohne Kaufhof? Wir, die Belegschaft, hat immer gehofft, dass das nicht wahr wird. Viele haben heute Morgen geweint, es war schlimm."
Das sagen Vertreter des Mannheimer Handels
Hendrik Hoffmann ist Vize-Präsident des Handelverbands Nordbaden. Der Centermanager des Mannheimer Einkaufszentrums Q6 Q7 hatte auch eine Karrierestation bei Kaufhof und kennt das Unternehmen gut: "Dass der Mannheimer Kaufhof geschlossen werden soll, ist sehr bedauerlich, hat er doch mit seiner jahrzehntelangen Geschichte auch zu der Identität des Paradeplatz beigetragen. Andererseits ist der Mannheimer Einzelhandel aber auch stark genug, diesen möglichen Verlust aufzufangen, so dass wir auch in Zukunft der Einzelhandelsstandort Nummer 1 in der Metropolregion Rhein-Neckar bleiben."
Swen Rubel, Geschäftsführer des nordbadischen Handelsverbands, hofft auf eine schnelle Nachfolgeregelung für den Mannheimer Standort am Paradeplatz: "Sollte es unausweichlich sein, dass die Filiale schließt, wird der Handelsverband Norbaden alles dafür tun, dass die Mitarbeiter, die ja allesamt qualifiziert und nachgefragt sind, schnell eine neue Position bei einem anderen Handelsunternehmen finden. Insgesamt hoffen wir auf eine schnelle Nachfolgeregelung, möglicherweise auch im Zuge des Stadtumbaus der nächsten Jahre, der mit Sparkasse und N1 am Paradeplatz ja durchaus auch einen Fokus hat."
Lutz Pauels, Vorsitzender der Werbegemeinschaft Mannheim-City, will die Hoffnung nicht aufgeben. „Es wäre natürlich bedauerlich, wenn so ein Traditionshaus an einem Traditions-Standort schließen sollte. Das würde eine starke Lücke in der Innenstadt reißen.“ Er setzt jetzt aber auf die Bemühungen der Stadt, doch noch eine Lösung für den Galeria-Standort zu finden. Die würde wahrscheinlich auch eine Reduzierung der Fläche mit sich bringen, etwa die Aufgabe der oberen Etagen. Das hätten andere Einzelhändler in der City schon vorgemacht. „Ich gebe die Hoffnung nicht auf, bis 31. August ist noch Zeit. Eine Stadt wie Mannheim mit diesem Einzugsgebiet wird auf jeden Fall auch in Zukunft ein Warenhaus tragen.“ Allerdings, sagt der Handelskenner mit Verweis auf strategische Fehler der Galerie-Kette und fehlender Investitionen in das Mannheimer Haus, „es muss gscheit gemacht und gscheit geführt werden“.
Passanten auf den Mannheimer Planken sind entsetzt und enttäuscht
Anne (67) aus MA-Gartenstadt sagt: "Grausam, die Belegschaft tut mir leid."
Herbert (76) und Renate (75) Schwab von der Schönau waren treue Kunden, die aber auch den Investitionsstau kritisieren: "Wir haben hier alles gekauft. Früher war es das Kaufhaus. Aber man hat versäumt, in den vergangenen Jahren zu investieren."
Klaus Jürgen (60), Neuostheim, ist ein Warenhaus-Fan: "Großer Verlust für Mannheim. Ich habe hier immer alles gefunden, von Kleidung über Bücher bis hin zu Schreibwaren, ein großes Warenangebot. Ich müsste mir jetzt erst Alternativen suchen."
Heidemarie, 73 aus Feudenheim, setzt auf Bemühungen der Stadt: "Früher war Mannheim ein Einkaufsparadies. Aber jetzt? Überall Leerstand. In den Kaufhof ist man reingegangen und hat alles bekommen. Die Stadt darf das nicht zulassen und muss dafür sorgen, dass die Geschäfte durch zu hohe Mieten vergrault werden."
Hilda, 89, ist enttäuscht: "Ich treffe mich jeden Samstag zum Mittagessen mit Freundinnen im Restaurant beim Kaufhof. Und danach haben wir eingekauft. Wo soll ich jetzt mein Hosengummi kaufen? Beim Kaufhof gab es alles, was man braucht."
Erleichterung dagegen in Heidelberg und Viernheim, weil die Galeria-Filialen dort verschont bleiben
"Das ist eine sehr gute Nachricht für uns", kommentierte Timm Herre, Sprecher der Stadt Heidelberg, den Erhalt der Galeria-Filiale in der Hauptstraße. Man habe indessen stark damit gerechnet, dass die Filiale erhalten bleibt. Schließlich habe die Stadt Heidelberg mit der Schließung der zweiten Galeria-Filiale in der Stadt am Bismarckplatz ihren Sanierungsbeitrag bereits geleistet.
In der Viernheimer Galeria-Filiale im Rhein-Neckar-Zentrum hatte sich die Rettung bereits vor einiger Zeit abgezeichnet, vor allem weil es eine Einigung zu den künftigen Mietzahlungen gab: Dazu der Viernheimer Bürgermeisters Matthias Baaß: "Jetzt freut es mich sehr, dass diese Hoffnung nicht getrogen hat. Mich freut es für alle Beschäftigten, aber auch für die Kunden, denn die Filiale ruft zwar nach Investitionen, aber sie nimmt immer noch eine wichtige Aufgabe bei der Versorgung der Bevölkerung in Nah und Fern ein, das Angebot ist nachgefragt."
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