Finanzen

Eine App macht noch keinen Börsenguru

Einfache und günstige Neobroker oder Trading-Anwendungen auf dem Smartphone werden immer beliebter. Risikofrei sind sie aber nicht

Von 
Rolf Obertreis
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Die Stiftung Warentest haben Neobroker und Trading-Apps überzeugt: Die Depoteröffnung gehe schnell und sei einfach, der Kauf und Verkauf von Wertpapieren meist mit ein paar Klicks erledigt. © Fabian Sommer/dpa

Frankfurt. Einfach die App auf dem Smartphone öffnen, eine Aktie aussuchen, ein paar Mal klicken – und schon landet sie im Depot. Oder ist verkauft. Am besten mit Gewinn. Das bieten Neobroker und die sogenannten Trading Apps – also Handels-Apps. Wobei sich Handeln hier allein auf Wertpapiere, auf ETFs, also börsengehandelte Index-Fonds, und für Spezialisten auch auf Krypto-Assets wie Bitcoin oder Ethereum bezieht. Die günstigen und mitunter kostenfreien Offerten bieten für Menschen, die mit dem Internet und mit Smartphone bestens vertraut sind und auf klassische Anlageberatung verzichten wollen, einen einfachen, schnellen Zugang zur Börse. Und dürften dazu beigetragen haben, dass die Zahl der Aktionärinnen und Aktionäre in Deutschland in den vergangenen Jahren gestiegen ist. Es gibt freilich auch Risiken.

Mittlerweile sind Neobroker eine wichtige Größe im Markt. Die Berliner Trade Republic gilt als größter Anbieter. Im vergangenen Jahr verwaltete das Start-up mit seinen 700 Beschäftigten Geld von deutlich mehr als einer Million Anlegerinnen und Anleger im Gesamtvolumen von mehr als sechs Milliarden Euro. Freilich: Gewinne an der Börse sind auch mit Neobrokern und Trading Apps nicht garantiert. Kritiker warnen auch davor, dass der kostengünstige und im Minutentakt mögliche Handel rund um die Uhr zum Zocken verleiten kann. „Wer träumt da nicht vom schnellen, anstrengungslosen Reichtum? Weil alles auch noch so einfach geht, kann daraus ein Suchtproblem erwachsen“, warnt die Stiftung Warentest. „Ähnlich wie bei Online- und Glücksspielen. Das sollte man nicht unterschätzen.“

Generell gelten die größeren, bekannteren Anbieter wie Trade Republic, etoro, Finanzen. Net Zero, Justtrade oder Scalable Capital als seriös. Zumal auch die Finanzaufsicht BaFin die Neobroker und Trading Apps genau im Blick hat. Bei ihr müssen sich die Betreiber die laut Kreditwesengesetz notwendige Erlaubnis zum Betreiben von Bankgeschäften oder zum Erbringen von Finanzdienstleistungen einholen. Ist das nicht der Fall, weisen die Finanzaufseher ausdrücklich darauf hin.

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Die Aufseher warnen auch, sich nicht von den Werbeversprechen der Neobroker und Trading-App-Anbieter blenden zu lassen. Zum Beispiel der Aussage, der Wertpapierhandel sei kostenlos. „In Wirklichkeit sind diese Angebote nicht kostenlos“, schreibt BaFin-Experte Lars Fröhlich in einer Analyse. Auch die Stiftung Warentest weist darauf hin. Die Trading Apps funktionierten nur fast ohne Kosten. Bei den einen ist erst eine Order ab 500 Euro kostenfrei, ein anderer verlangt einen Euro pro Kauf oder Verkauf von Aktien, wieder ein anderer stellt pro Monat pauschal 2,99 Euro in Rechnung. Klar ist aber: Der Handel über Neobroker ist günstiger als bei klassischen Banken wie Commerzbank und Deutscher Bank, bei Volksbanken und Sparkassen, die über ihre Apps ebenfalls den Wertpapierhandel anbieten, oder über Apps von Online-Banken wie der ING oder Consors. Hier werden pro Order mindestens 4,90, oft aber 9,90 Euro pro Order fällig, bei Sparkassen sogar bis zu 15 Euro. Oft kommen dazu noch Gebühren der Börse.

Warum aber können Neobroker und Trading-Apps deutlich billiger sein? Sie wickeln die Aufträge ihrer Kunden nicht direkt über klassische Börsen ab, sondern über feste Handelsplattformen, also Finanzfirmen, die das übernehmen. Die wiederum verdienen durch den Spread – also die Spanne oder auch Marge zwischen Kauf- und Verkaufskursen von Aktien. Einen Teil dieser Marge wiederum zahlt der Wertpapierhändler als „Belohnung“ oder Rückvergütung für den Auftrag an den Neobroker oder die Trading App. Im Finanzjargon nennt sich das „Payment for Orderflow“ – also Zahlen für den Auftragsfluss. Diese Praxis ist nicht unumstritten, die EU plant angeblich sogar ein Verbot, das Bundesfinanzministerium stellt sich allerdings dagegen, heißt beim gut informierten Branchendienst „Finanzszene“.

Laut BaFin können die Neobroker und Trading Apps auch nur deshalb so günstig sein, weil ihr Dienstleistungsangebot beschränkt sei, sie nur mit wenigen Handelsplätzen kooperieren – was möglicherweise den Kursvergleich erschwert – und nicht alle Ordertypen anbieten. So seien etwa keine Aufträge mit einem oberen Preis-Limit möglich oder Stopp-Los-Orders, bei denen Kunden angeben, bei welchem Kurs bei einer schlechten Entwicklung die Aktie automatisch verkauft werden soll.

Aufsichtsrechtliche Erleichterungen oder Ausnahmen vom Verbraucherschutz gebe es für Neobroker und Trading Apps nicht, heißt es bei der Finanzaufsicht. Laut BaFin sind die Anbieter auch verpflichtet, Rückvergütungen der Handelsplätze offenzulegen und die Aufträge der Kunden so auszuführen, „dass für Kundinnen und Kunden das bestmögliche Ergebnis erzielt wird“, betont BaFin-Experte Fröhlich.

Die Finanztester der Stiftung Warentest loben die Neobroker und Trading Apps aber durchaus. Man habe sie über Monate ausprobiert, schrieben sie Anfang des Jahres. Der Handel habe weitgehend reibungslos funktioniert, die Gebührenfreiheit gehe nicht einher mit größeren Handelsspannen beim Kauf und Verkauf von Wertpapieren. Und bei bekannten Aktien oder ETFs habe es keine nennenswerten Aufschläge gegenüber den Preisen im Computerhandel der Deutschen Börse gegeben. Die Eröffnung eines Depots gehe schnell und sei einfach, der Kauf und Verkauf von Wertpapieren sei meist mit ein paar Klicks erledigt.

Das Geld der Anlegerinnen und Anleger wird allerdings meistens nicht direkt von den Neobroker und Trading App-Anbieter verwaltet, sondern von einer Bank, mit der sie kooperieren. Bei Trade Republic ist es unter anderem die Deutsche Bank. Das ist wichtig, weil über die Geldhäuser die Einlagen der Kunden gesetzlich bis zu 100 000 Euro abgesichert sind. Auch bei Neobrokern und Trading Apps raten etwa die Experten von Finanztip aber dringend, nur Geld einzusetzen, das mittelfristig nicht benötigt wird. Nur dann lassen sich Tiefstände an der Börse auch aushalten. Der Großteil der Trader verliere Geld, so Finanztip, Trading gelte als Spekulation.

Die jüngste Insolvenz der Berliner Nuri-Bank, die über ihre App Anlagen in ETFs und vor allem in Krypto-Assets anbietet, zeigt, dass die Geschäfte nicht ohne Risiken sind. Zwar betont Nuri, dass alle Einlagen der rund eine halbe Million Kundinnen und Kunden bis zu 100 000 Euro durch die Kooperation mit der Solaris-Bank abgesichert seien. Die unterliegt der gesetzlichen Einlagensicherung. Aber auf ein Bitcoin-Konto gibt es derzeit keinen Zugriff. Dafür besteht eine Kooperation mit einem US-Anbieter, der derzeit ebenfalls in der Insolvenz steckt und die Konten deshalb gesperrt hat.

Korrespondent Seit mehr als 20 Jahren arbeite ich für den Mannheimer Morgen und für andere wichtige Regionalzeitungen wie den Tagesspiegel/Berlin, die Badische Zeitung/Freiburg, die Südwest Presse/Ulm und den Münchener Merkur als Wirtschaftskorrespondent in Frankfurt. Banken, Europäische Zentralbank, Bundesbank, Börse und in Frankfurt ansässige Unternehmen wie Lufthansa und auch Verbände wie der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau VDMA zählen zu meinen Schwerpunkten. Daneben auch die Luftfahrt. Zudem befasse ich mich über die KfW Bankengruppe und die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) mit Fragen der Entwicklungszusammenarbeit.

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