Mannheim. Die Einbrüche in der Baubranche sind brutal – das bekommt auch auch die Mannheimer Diringer & Scheidel-Gruppe (D&S) zu spüren. „Aber die Krise schlägt bei uns nicht so durchgreifend zu wie bei vielen anderen Bauunternehmen“, sagt Seniorchef Heinz Scheidel. So profitiere D&S noch von mehreren Großaufträgen und eigenen Projekten. Die Krise treffe vor allem Projektentwickler – und für die baue man gar nicht, erklärt Scheidel.
Das Geschäftsmodell von Projektentwicklern umfasst alle Schritte eines Baus oder einer Sanierung – vom Kauf eines Grundstücks oder eines Gebäudes über die Planung bis zu Umsetzung. In der Regel wird das fertige Projekt dann weiterverkauft. In den vergangenen Monaten mussten viele Projektentwickler, auch in der Region, Insolvenz anmelden. D&S wiederum erzielt einen großen Anteil seiner Umsätze als Projektentwickler – aber in Eigenregie. Entwickelt werden, so betont Scheidel, nur eigene Projekte in der Region.
Geschäft der „Glücksritter“ in der Baubranche vorbei
„Höhere Zinsen und explosionsartige gestiegene Baukosten – es knirscht gewaltig in dem Markt“, sagt Scheidel mit Verweis auf die Insolvenzfälle. Auf Teufel komm raus überall bauen – das Geschäft dieser „Glücksritter“ funktioniere nicht mehr. Was D&S in dieser Krise helfe, seien regionale, langjährige Kontakte und ein stabiles Familienunternehmen, das dank mehrerer Standbeine Rückgänge in einer Sparte ausgleichen könne. „Die Käufer schauen jetzt genauer hin: Kriegen die das Projekt überhaupt fertig?“
Auch Q6 Q7-Betreiber
- Diringer & Scheidel ist ein 102 Jahre altes Mannheimer Familienunternehmen mit bundesweit 4150 Beschäftigten.
- Mit den zwei Standbeinen Bau und Dienstleistungen wurde 2022 und 2023 jeweils ein Umsatz von rund 600 Millionen Euro erzielt.
- Zur Gruppe gehört auch das Gebäudemanagement. Jüngster Auftrag: die Verwaltung des technischen Rathauses Leipzig.
- Die Gesellschaft CRM betreibt Einkaufszentren wie das Mannheimer Q6 Q7. Dieses sei nach sieben Jahren in den City-Handel integriert, kämpfe aber mit den Problemen, die dem Handel überall zu schaffen machen, heißt es bei D&S.
Davon profitiere D&S. Beispiel New7: Der geplante Komplex am früheren Kaufhof Standort N7 in der Mannheimer City wurde vor kurzem von einem institutionellen Anleger gekauft – weit vor der Fertigstellung. Der Deal sei nur möglich gewesen, weil der Investor die D&S-Gruppe von einem früheren Projekt her kannte, erklärt Scheidel. Der ehemalige Kaufhof soll in eine Immobilie zur Mischnutzung mit Handel, Wohnungen, Praxen und Büros umgewandelt werden.
Investorensuche ist auch in Mannheim schwieriger
Dass die Boom-Zeiten vorbei sind, merkt man dennoch bei D&S. Beispiel: Loksite. Für das schicke Bürogebäude im Mannheimer Glücksteinquartier gibt es noch keinen Käufer – trotz 100-prozentiger Vermietungsquote mit namhaften Mietern wie KPMG und guter Lage in Bahnhofsnähe. „Wenn die Krise nicht gekommen wäre, hätten sie uns das aus den Händen gerissen“, ist der Seniorchef überzeugt. Druck zu verkaufen, habe man dennoch dank der gesicherten Miet-Einnahmen nicht.
Bei neuen Projekten ist D&S deutlich vorsichtiger. „Wir passen uns dem Markt an“, sagt Tobias Volckmann. Er ist im Management-Board für die Finanzen zuständig. Die Nachfrage sei wegen der hohen Baukreditzinsen bei Großinvestoren ebenso zurückgegangen wie bei privaten Käufern von Wohnungen. Spätestens in einem Jahr werde die private Nachfrage aber wieder steigen, ist Volckmann überzeugt. Der Bedarf sei schließlich da. Dann sei D&S bestens positioniert, auch weil bis dahin viele Konkurrenten vom Markt verschwunden sein dürften.
Baustart von Diringer und Scheidel in Viernheim
Neue Projekte schiebt D&S auch weiter an. Beispiel: „Green V“ in Viernheim. Ende November wurde der Beginn für das Wohnbauprojekt im Viernheimer Bahnholzgraben II gefeiert. Gebaut werden fünf Wohnhäuser mit 87 Eigentumswohnungen. Im Anfangsstadium sind dagegen die Planungen für das Gelände des ehemaligen Wichernhauses in Mannheim-Neckarau. Dazu gab es erste Gespräche mit Stadt, Anwohnern und künftigen Mietern. In dem Stadtteil steht die D&S-Zentrale.
Mannheimer Stadthaus bleibt Sorgenkind
Und dann gibt es noch ein Sorgenkind, dessen Probleme gar nichts mit der aktuellen Branchenkrise zu tun haben: das Stadthaus N1. Die Nutzung des Gebäudes am Mannheimer Paradeplatz war schon seit Jahren problematisch.
D&S hatte sich schließlich daran beteiligt, mit dem Ziel abzureißen und mit großen Plänen für einen Neubau. Aus wirtschaftlichen Gründen war eine Sanierung als nicht sinnvoll eingestuft worden. „Das wäre ein tolles Projekt geworden“, sagt Scheidel. Doch das Landesamt für Denkmalpflege stufte das Stadthaus überraschend als „aussagekräftiges Kulturdenkmal der 1980er Jahre“ und damit als schützenswert ein. Jetzt sucht man gemeinsam mit dem Miteigentümer, der Stadt Mannheim, eine neue Lösung als Rathausnutzung. Ob das möglich ist, wird derzeit geprüft. Eine mühsame, langwierige Entwicklung, die zum Beispiel durch die OB-Wahl ins Stocken geraten war. „Das Beste daraus machen“, lautet jetzt die Devise.
Und wie sieht es im klassischen Auftragsgeschäft aus, nach wie vor ein wichtiger Umsatzbringer? „Wir waren 2023 vollbeschäftigt und werden auch 2024 gut ausgelastet sein“, sagt Karlheinz Heffner, der für die Bausparten verantwortlich ist.
Neues Geschäft mit Erneuerbaren Energien
Der Preisdruck sei enorm, so Heffner, aber man profitiere von langjährigen Kundenbeziehungen und wachsenden Aufträgen im Bereich Erneuerbare Energien, etwa für die erste Flusswärmepumpe des Versorgers MVV oder beim Strom- und Fernwärmeausbau. „Wir sind sehr breit aufgestellt.“
Im Rohrleitungsbau zählt sich D&S zu den größten Anbietern in Deutschland, dort sind rund 600 Menschen beschäftigt. Ein Bereich, der verstärkt von der Umrüstung von Gasleitungen auf Fernwärme- oder Stromleitungen profitiert. Ein wachsendes Segment sei auch das Bauen im Bestand, also die Sanierung oder der Umbau bestehender Bauten.
Chancen als Retter in der Not am Mannheimer Hauptbahnhof
Dabei ergeben sich aktuell Chancen, wenn andere Akteure ins Schwimmen kommen. Beispiel Postquadrat. Auf dem Gelände der ehemaligen Bahnpost am Mannheimer Hauptbahnhof sollten Eigentumswohnungen entstehen. Doch die privaten Wohnungsbesitzer warten seit Jahren auf die Fertigstellung, weil der Projektentwickler 2021 Insolvenz anmelden musste.
Ein Sparkassen-Konsortium hat nun entschieden, den Fertigbau zu finanzieren. Dafür hat D&S gemeinsam mit dem Schifferstadter Bauunternehmen Heberger vor Kurzem ein Angebot vorgelegt, als Retter in der Not sozusagen.
Sparen im Hochbau durch Modulbau
Im Hochbau will das Familienunternehmen den hohen Kosten mit einem neuem Geschäftsmodell begegnen. Großen Wohnungsbaukunden biete man verstärkt eine modulare Bauweise an. „Indem die Gebäude nach einem Baukastensystem mit wiederkehrenden Modulen konstruiert werden, lassen sich schon bei der Planung Kosten sparen“, sagt Heinz Scheidel.
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