Al Ain. Mard Anders ist an diesem Septembernachmittag wieder mit seiner Beechcraft King Air auf dem Flughafen von Al Ain gelandet. Rund zwei Stunden hat der Flug gedauert. „Es war heute etwas ungewöhnlich“, sagt der 58-jährige Schwede. „Wir haben uns nicht nur um Cloud Seeding gekümmert, sondern auch einige wissenschaftliche Experimente durchgeführt.“ Cloud Seeding – auf Deutsch so viel wie Wolken säen – ist seit vielen Jahren ein bewährtes Verfahren in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE). Mit dem „Säen“ per Flugzeug soll die Feuchtigkeit der Wolken, die sich über den Bergen bilden, zum Abregnen gebracht werden.
48 Hülsen pro Maschine
In Al Ain, rund 170 Kilometer östlich von Abu Dhabi hat das nationale Meteorologie-Zentrum der sieben Emirate (NCM) vier Flugzeuge stationiert. Neben Anders werden sie abwechselnd von weiteren zehn Piloten gesteuert. „Wir sind heute auf bis zu 8000 Fuß hoch Richtung Nordosten geflogen, in die Wolken hinein und haben die Salze ausgebracht“, erzählt Anders vor der Beechcraft King Air. Die Maschine ist eigentlich ein Geschäftsreiseflugzeug für bis zu elf Passagiere.
Beim NCM sitzen nur zwei Piloten im Cockpit. 24 etwa 30 Zentimeter lange Hülsen mit einem Durchmesser von rund fünf Zentimeter sind an jedem Flügel der montiert, also 48 je Maschine. Die Piloten steuern die Öffnung jeder einzelnen Hülsen genau nach Vorgabe der Meteorologen, die sie vor dem Flug bekommen haben. In der Regel gibt es in den Emiraten trotz zum Teil großer Wolken keinen natürlichen Regen. Die Tropfen in den mitunter kilometerhohen Gebilden sind zu klein und damit zu leicht, um als Regen niederzugehen. Die feinen Salzkristalle, die mit den Maschinen in die Wolke eingebracht werden, sollen dafür sorgen, dass sich große, schwere Tropfen bilden, die sich lösen. Es beginnt zu regnen. 15 bis 20 Minuten nach dem „Säen“ ist es meist so weit. „Wir waren erfolgreich, es hat geregnet und wird noch regnen“, sagt Anders.
Tatsächlich gibt es an diesem Nachmittag in den Bergen durchaus starken Niederschlag. Am frühen Abend prasseln fast eine Stunde lang dicke Tropfen auch auf die Straßen von Al Ain. Es bilden sich Pfützen. Schirme werden aufgespannt, die Scheibenwischer der Autos laufen zum Teil auf höchster Stufe – mitten in der Wüste.
„Wir haben Erfolg“
Omar Al Yazeedi, stellvertretender NCM-Direktor und verantwortlich für das „Regenmachen“ zeigt Videos der in den Bergen platzierten Kameras, die den durchaus heftigen Niederschlag an diesem Tag auf die Schotterstraßen zeigen. „Wir haben keine natürlichen Frischwasserquellen, wir haben keine Flüsse und nur sehr wenig natürlichen Regen“, sagt Yazeedi. Es regnet allenfalls an vier bis fünf Tagen im Jahr und das jeweils nur kurz „Wir sind angewiesen auf Meerwasserentsalzungsanlagen. Aber das ist extrem energieaufwendig. Und es ist sehr teuer.“
Erste Versuche gab es in den VAE in den 1980er Jahren. Systematisch und wissenschaftlich wurde das Cloud Seeding in den ersten 2000er Jahren betrieben und genau untersucht, ob es Sinn machen würde. Das Verfahren wurde schon 1946 in den USA entwickelt und wird heute von vielen Ländern genutzt. 2007 erklärt die Regierung der VAE Cloud Seeding zu einem der wichtigsten strategischen Projekte des Landes. Schließlich steigt der Wasserbedarf der boomenden Region und seinen heute knapp zehn Millionen Menschen in und um die Zentren Dubai und Abu Dhabi mit ihren futuristischen Hochhäusern immer weiter.
„Wir haben Erfolg“, sagt Yazeedi vor einer der just gelandeten Maschinen. Gerade bereiten zwei Piloten den Start einer weiteren Maschine vor. Die Meteorologen haben Wolken über den Bergen ausgemacht, die Regen versprechen. „Pro Tag und Einwohner der VAE gewinnen wir durch Cloud Seeding 400 Liter Wasser. Damit können wir den Grundwasserspiegel erhöhen.“ In den Bergen wurden Dutzende von Dämmen gebaut, die das Regenwasser auffangen und in Stauseen leiten.
„Pro Flug können wir bis zu 20 Wolken zum Regnen bringen“, sagt NCM-Direktor Yazeedi. Es muss schnell gehen: „Wolken bilden sich und fallen innerhalb von etwa 45 Minuten wieder in sich zusammen.“ Es ist eine Aufgabe, die rund um die Uhr an sieben Tagen in der Woche vom Flughafen Al Ain aus angegangen wird. Auch nachts steigen die Beechcrafts auf. Die Frauen und Männer in der NCM-Meteorologie-Zentrale beobachten ständig anhand von 130 Wetterstationen das Wettergeschehen. Und schauen auf dem Radar, ob und wo sich Wolken bilden.
7,2 Millionen Liter Trinkwasser
Dass die VAE das „Regenmachen“ als strategische Aufgabe betrachtet hat auch ökonomische Gründe. Zwar schlägt jeder Flug mit Kosten von rund 3000 Dollar zu Buche. „Trotzdem ist das Cloud Seeding gegenüber dem Entsalzen von Meerwasser 60 mal günstiger“, sagt Yazeedi. Nach Angaben der Regierung betreibt die VAE derzeit rund 70 Meerwasserentsalzungsanlagen mit einer Kapazität von etwa 7,2 Millionen Liter Trinkwasser täglich. In Dubai steht die größte. Den notwendigen Strom dort liefern sechs mit Gas betriebene Turbinen. Angesichts dessen sind die Emissionen durch das Regenmachen per Flugzeug vermutlich geringer und weniger klimabelastend. Auch deshalb hat das NCM zwei weitere Beechcrafts gekauft, die demnächst die Flotte ergänzen.
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