Die Geschäfte bei der MVV Energie AG laufen prächtig. Im aktuellen Geschäftsjahr rechnet der Energieversorger aus Mannheim mit einem Rekordgewinn. Die genauen Zahlen veröffentlicht das Unternehmen bei der Bilanzpressekonferenz am 14. Dezember. Aber bereits im dritten Quartal des laufenden Geschäftsjahrs war der Gewinn raketenartig um mehr als das Zweifache auf 845 Millionen Euro gestiegen.
Bei den Kundinnen und Kunden der MVV löst dies nicht gerade große Freude aus. Sie mussten zum Jahresbeginn happige Preiserhöhungen hinnehmen, die allerdings im Juli zum Teil wieder zurückgenommen wurden. Unterm Strich bleibt es aber für Strom und Gas bei einer Erhöhung von 43 beziehungsweise 56 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Und: Fernwärme ist seit der zweiten Jahreshälfte ebenfalls teurer geworden – nämlich um 40 Prozent.
Das Unternehmen verweist in einer aktuellen Stellungnahme darauf, dass sie nach diesen Preissenkungen im Vergleich zu anderen Anbietern aus der Region und in Baden-Württemberg zu den günstigsten Grundversorgern gehöre. Aber auch im Bundesvergleich schneidet der Energieversorger aus Mannheim nach eigenen Berechnungen sehr gut ab. Demnach würden nur etwa 25 beziehungsweise 15 Prozent der Grundversorger bei Strom und Gas unter der Preisbremse liegen. „Die MVV gehört dazu“, heißt es.
MVV-Chef lehnt Quersubventionierung ab
Offensichtlich decken sich aber mit Blick auf die Preispolitik der MVV Selbst- und Fremdeinschätzung nicht. In zahlreichen Leserbriefen beschweren sich MVV-Kunden bei dieser Redaktion über die hohen Preise. Auch die Mannheimer SPD ist inzwischen auf den Zug aufgesprungen und meint, die MVV müsse die Preise weiter senken, der Energieversorger könnte dies ja locker mit den hohen Gewinnen finanzieren, die aus anderen Geschäftsbereichen entstanden sind.
Die SPD fordert also eine Quersubventionierung. MVV-Chef Georg Müller lehnte dies im Gespräch mit dieser Redaktion aber ab. Warum? „Wir müssen unternehmerischen Erfolg und Klimaschutzziele miteinander verheiraten. Das wird nicht anders gehen, weil wir die Dividende nicht in CO2-Reduktion, sondern in Euro zahlen“, sagt er. Das heißt nach Müllers Worten, dass jeder einzelne Bereich bei der MVV für sich wirtschaftet. Nach dieser betriebswirtschaftlichen Logik müssen am Ende Ergebnis und Kapitalverzinsung passen. „Das schließt Quersubventionen – wenn man diesen unpassenden Begriff denn verwenden will – aus“, so der MVV-Chef.
Georg Müller
- Georg Müller wurde 1963 in Höxter (NRW) geboren.
- Der Jurist hat praktisch sein ganzes Berufsleben bei Energieversorgern verbracht, davon lange Zeit bei der RWE AG in Essen, bei der er 2008 zum Vorstandsvorsitzenden aufrückte.
- Ein Jahr später wechselte er als Vorstandschef zur MVV Energie in Mannheim.
Müller kann natürlich nicht bestreiten, dass die Gewinne der MVV in diesem Jahr extrem hoch ausfallen werden. Er relativiert sie aber ein Stück weit. „Wie wir im Neun-Monats-Bericht für das Geschäftsjahr 2023 deutlich gemacht haben, wird sich das Jahresergebnis vor allem aus Veräußerungsgewinnen und dem Großhandel zusammensetzen“, sagt Müller und fährt fort: „Solche Einmaleffekte hat es in diesem Ausmaß noch nie gegeben, und das werden wir auch in Zukunft so nicht sehen. Es handelt sich um eine absolute Ausnahmesituation. Zu weiteren Details des Ergebnisses des Geschäftsjahres 2023 kann ich nichts sagen, weil wir gerade dabei sind, den Jahresabschluss aufzustellen.“
Mehrwertsteuer auf Gas und Fernwärme wird wieder angehoben
Womöglich hofft er, dass sich der Vorwurf der Abzocke im nächsten Jahr automatisch in Luft auflöst, wenn es bei der MVV keine neuen Rekordgewinne mehr gibt. Der erfahrene Manager, der die MVV schon seit 2009 an der Spitze lenkt, dürfte dennoch die Strömungen in der Stadt wahrnehmen. Und da verläuft die Debatte nicht nur nach seiner betriebswirtschaftlichen Logik. Die Kritik an der Preispolitik des Unternehmens könnte aber sogar noch wachsen. Denn nach derzeitigen Plänen will die Bundesregierung zum Jahreswechsel die Mehrwertsteuer auf Gas und Fernwärme wieder auf den regulären Satz von 19 Prozent anheben. Ursprünglich sollte der niedrigere Satz von sieben Prozent bis April 2024 gelten. Ob der Kabinettsbeschluss Gesetz wird, ist noch nicht entschieden. Aber klar ist: Unternehmen geben Mehrwertsteuererhöhungen in der Regel an die Verbraucher weiter. Ob die MVV diesen Schritt aber wirklich gehen wird, bleibt abzuwarten. Preissteigerungen würden den Druck auf den Kessel noch erhöhen.
Der Vorsitzende des Energieversorgers stellt auch klar, dass die Rekordgewinne nicht in den Taschen der Aktionäre landen. „Die zu erwartenden besonderen Gewinne versetzen uns in die Lage, die notwendigen Investitionen für die Erzeugung der grünen Wärme und den Ausbau der Fernwärme sowie des Stromnetzes tätigen zu können.“
Grüne Fernwärme in Mannheim bis 2030
Und darauf ist Müller schon ein bisschen stolz. Das Mannheimer Modell der MVV ist nach seinen Worten „kein Marketing-Slogan“, sondern beschreibt die fundamentale Strategie der gesamten MVV-Gruppe. „Wir haben als MVV früher als andere Unternehmen begonnen, Klimaschutz ernst zu nehmen und in die Transformation von Energie zu investieren. Diesen Vorsprung vor den anderen wollen wir halten“, betont Müller.
Bis 2030 soll die Fernwärme grün sein. Die Stadt Mannheim ist gerade dabei, ihren Kommunalen Wärmeplan aufzustellen. „Fernwärme auf Kohlebasis galt noch vor wenigen Jahren als Auslaufmodell. Mit den Optionen der grünen Wärme haben wir gezeigt, dass wir den heute 60 Prozent betragenden Fernwärmeanteil in Mannheim noch ausbauen können“, so Müller.
Bekommen dann alle Haushalte Fernwärme? Diese Frage verneint Müller. „Das gesetzliche Ziel bis 2040 und der schon heute durch MVV avisierte Ausbau der Fernwärme sind überaus ambitioniert. Der Weg muss für die Kunden und für MVV wirtschaftlich sein. Es kommt darauf an, die ökologischen und ökonomischen Ziele in Mannheim auf effizientem Weg zu erreichen. Gerade Wohngebiete mit dichter Bebauung und Mietwohnungen sind für Fernwärme besonders geeignet“, sagt der MVV-Chef.
Vertrag von Georg Müller bei der MVV läuft bis 2028
Anders ausgedrückt: Fernwärme ist nach seiner Einschätzung nur da sinnvoll, wo es sich für beide Seiten rechnet: „Da, wo es keine Fernwärme gibt und auch keine hinkommt, werden wir Kunden Lösungsangebote machen. Ob der jeweilige Kunde das annimmt, bleibt seine individuelle Entscheidung.“
Im Klartext heißt das: Wer Fernwärme hat, muss nichts machen. Wer keine bekommt, muss eine Investitionsentscheidung treffen, die sich zum Beispiel beim Einbau einer in den Anschaffungskosten teuren Wärmepumpe erst nach Jahren amortisiert. Die Sorge, dass der Mannheimer Norden abgehängt wird und sich Bewohner dort diese Lösung nicht leisten können, artikuliert sich in der Stadt bereits.
Müller verfolgt natürlich auch diese Debatte und will die Mannheimerinnen und Mannheimer beruhigen. „Ich warne vor einer Gewinner-Verlierer-Diskussion bei der Wärme. Fernwärme und Wärmepumpen sind in ihren jeweiligen Anwendungsbereichen tendenziell gleichwertig, auch wenn es natürlich Besonderheiten gibt. Diese können durch staatliche Förderungen aber nahezu ausgeglichen werden.“
Die Menschen werden ihn beim Wort nehmen. Da Müller seinen Vertrag im März erst um weitere fünf Jahre verlängert hat, wird sich in seiner Amtszeit abzeichnen, ob die MVV dieses Versprechen einlösen kann. Dass er sich früher vom Acker machen wird, ist unwahrscheinlich: „Diese Frage stellt sich nicht!“
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