Mannheim. Das Meinungsbild der Menschen, die die Mannheimer Innenstadt zum Einkaufen, Essen oder Erleben besuchen, ist bekannt. Es wird alle zwei Jahre bei der Passantenbefragung „vitale Innenstädte“ des Instituts für Handelsforschung (IFH) in Köln ermittelt. Zuletzt bewerteten Passanten die Attraktivität der Innenstadt mit der Note 2,2.
Dagegen stocherte man bisher weitgehend im Dunkeln darüber, warum Menschen aus dem Umland, die mit ihrer Kaufkraft so wichtig für die Mannheimer City und das dortige Einzelhandelsangebot sind, nicht oder nicht mehr in die Quadrate kommen. Bis jetzt. Denn das gleiche Institut, das IFH Köln, hat nun im Auftrag der Werbegemeinschaft Mannheim City erstmals die Menschen in einem 30-Kilometer-Radius rund um Mannheim befragt. Demnach kommen 62 Prozent der Umlandbewohner mindestens gelegentlich (sie werden als „Besucher“ definiert), 38 Prozent seltener oder nie („Nicht-Besucher“).
Mannheim-Innenstadt: Die meisten kommen zum Shoppen
Auf einer Skala der Schulnoten von 1 bis 6 gaben die Besucher der City im Durchschnitt die Note 2,4, die Nichtbesucher 3,6. Als wichtigster Besuchsgrund wurde das Shopping genannt (59 Prozent), gefolgt von gezielten Besorgungen (53) und Gastronomie (51 Prozent). Als Anlässe, in andere Innenstädte (vor allem Heidelberg) zu fahren, zählten die Befragten Gastronomie (58), Freizeit- und Kulturangebot (37) und Verweilen (33 Prozent) auf. Für IFH-Projektmanager Jens-Peter Gödde ist das ein Beleg dafür, dass diese Städte diversifizierter aufgestellt sind.
„Als Anlass, in die Stadt zu gehen, wird Shopping trotz Digitalisierung seine Relevanz behalten“, sagt Gödde. „Aber er ist mehr als Gastro, Freizeit und Kultur gefährdet.“ Mannheim sollte sich bei den Anlässen deshalb diverser aufstellen. Da aber immer noch viele kaufkräftige Besucher kämen, bestehe das Potenzial, sie bei jedem Besuch zu begeistern. Schwieriger sei die Reaktivierung der Nichtbesucher, da sie generell Innenstadtmuffel seien.
Mehr als ein Drittel der Besucher (37 Prozent) ist der Meinung, dass sich die Attraktivität der Mannheimer City in den vergangenen fünf Jahren verschlechtert hat. Ein Drittel der Besucher sagt aber, dass sich die Attraktivität verbessert habe. Konkret nach sichtbaren Veränderungen gefragt, antworteten Besucher etwa: „Mehr Armut“, „Klientel ist anders“, „es ist ein rein funktionelles Einkaufen geworden“ oder „Der Paradeplatz, der früher mal ein zentraler Treffpunkt war, jetzt nicht mehr“.
Wenig autofreundlich: Darum kommen Menschen nicht nach Mannheim-Innenstadt
Als die fünf größte Barrieren nannten sowohl Besucher als auch Nicht-Besucher: hohe Parkgebühren, schlechtes Vorankommen mit dem Pkw, hohes Verkehrsaufkommen, schlechte Erreichbarkeit mit dem Pkw und Lärm-, Luft- und Verkehrsbelastung. Häufig wurden zudem mangelnde Sauberkeit und ein unzureichendes Sicherheitsgefühl genannt. Die Nichtbesucher stören sich auch an wenig Abstellmöglichkeiten für Fahrräder und schlechte Erreichbarkeit mit dem Rad, erkennen keinen hohen Erlebniswert und eine niedrige Aufenthaltsqualität.
Trotz der insgesamt guten Benotung sieht Gödde Handlungsbedarf. Denn der Aussage „Ich fühle mich in der Mannheimer Innenstadt wohl“, stimmen nur 35 Prozent der Besucher und 14 Prozent der Nicht-Besucher zu. Und „In der Mannheimer Innenstadt verbringe ich gerne auch mal viele Stunden für unterschiedliche Aktivitäten“ bejahen lediglich 32 Prozent der Besucher und sieben Prozent der Nichtbesucher.
„Das ist ein Alarmsignal, das sehr großen Handlungsbedarf signalisiert. Denn ein Innenstadtbesuch sollte etwas Schönes, Positives sein. Das sind zwei Aspekte, die man verbessern müsste, um weiter attraktiv zu sein.“ Das gelte gerade für die Anfahrt aus dem Umland, die mit einer Entfernung von bis zu 30 Kilometern einen Aufwand bedeute. „Da muss man etwas bieten und die Wohlfühlatmosphäre schaffen“, so Gödde.
Mannheimer Innenstadt: Die Stimmung bessert sich
Mit Verweis auf die Kaufkraft hat der Einzelhandel für IHK-Präsident Manfred Schnabel „hervorragende Perspektiven“. Er verschwinde nicht im Internet. Man habe immer darauf hingewiesen, dass Mobilitätseinschränkungen für Besucher aus dem Umland einer der zentralen Faktoren sei. „Die Aufenthaltsqualität muss verbessert werden – durch mehr Begrünung, aber nicht, indem man etwas behindert, sondern gestaltet.“ Eine Anspielung auf den Verkehrsversuch, der im Handel für viel Kritik gesorgt hatte.
Für den Werbegemeinschafts-Vorsitzenden Lutz Pauels ist die zentrale Botschaft, „dass die meisten regelmäßig nach Mannheim kommen“. Nun müsse man zwei Ziele verfolgen: Die Besucher halten und die Aufenthaltsqualität verbessern. Die drei erfolgreichen Erlebniswochenenden dieses Jahr hätten gezeigt, wie es gelingen könne.
„Unternehmen, Kammern und Verbände bringen sich vielfältig ein. Auch bei der Aufwertung der Innenstadt sind die Unternehmer aktiv, sie sorgen aus Eigeninteresse dafür“, erklärt Hendrik Hoffmann, Vizepräsident des Handelsverbands Nordbaden. Er hoffe, dass die neue Gestaltungsrichtlinie weniger kleinteilig werde und die Unternehmen in ihrer Freiheit weniger einschränke.
Die Handelsvertreter sind sich einig, dass sich die Stimmung bei den Händlern seit dem Ende des Verkehrsversuchs verbessert habe. „Wir müssen den Finger in die Wunde legen, dürfen die Stadt aber nicht schlechtreden“, warnt Schnabel. Deshalb sollten Veränderungen mit Bedacht angegangen werden und nicht als „Schnellschüsse“.
Das IFH hat 1050 Menschen aus Gemeinden im 30-Kilometer-Umkreis von Mannheim befragt, außer aus Mannheim, Ludwigshafen und Heidelberg. Das Ergebnis ist „weitgehend repräsentativ“. Die Umfrage wurde durch das Projekt Futuraum ermöglicht, ein Förderprogramm des Bundes für Innenstädte.
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Bergsträßer Anzeiger Plus-Artikel Kommentar Umfrage der Mannheimer Besucher aus dem Umland war überfällig