Chemie

Warum die BASF auf ihrem umstrittenen China-Kurs bleibt

Auf der Hauptversammlung am Donnerstag muss sich BASF-Chef Martin Brudermüller wohl kritische Fragen zu China gefallen lassen. An den Milliarden-Investitionen vor Ort ändert das nichts

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Bettina Eschbacher
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Im März startete im neuen Verbundstandort Zhanjiang der Bau eines weiteren großen Anlagenkomplexes mit einem symbolischen Spatenstich. Zehn Milliarden Euro investiert BASF in den Standort insgesamt. © BASF

Ludwigshafen. „Alle gehen in die USA, nur BASF geht nach China“ – so lautete kürzlich der leicht süffisante Kommentar eines Aktionärsvertreters. Die China-Strategie von BASF-Chef Martin Brudermüller sticht heraus inmitten der Diskussion um zu große Abhängigkeit von dem autoritären Staat und der Sorge vor einem chinesischen Angriff auf Taiwan – und zieht viel öffentliche Kritik auf sich. Wenn sich an diesem Donnerstag die Aktionärsvertreter in Mannheim treffen, sind daher auch Fragen zum China-Engagement der BASF zu erwarten. Der aktuelle Stand der Debatte:

Warum wird China als Wirtschaftspartner zunehmend kritisch gesehen?

Das liegt zum einen an den Erfahrungen mit Russland, das man lange als zuverlässigen Lieferanten für billiges Gas betrachtete – bis zum Ukraine-Krieg und dem Lieferstopp, der wiederum zu explodierenden Energiepreisen in Deutschland führte. BASF und die Tochter Wintershall (jetzt Wintershall Dea) zählten in der Vergangenheit zu wichtigen Partnern der russischen Energiewirtschaft. Noch einmal will die Bundesregierung diese Erfahrung nicht machen – und schon gar nicht mit Deutschlands wichtigstem Handelspartner China. „Deutschlands wirtschaftliche Abhängigkeit von China ist zu groß“, warnt Wirtschaftsminister Robert Habeck. Deutschland müsse das Risiko streuen. Zum anderen wächst die Sorge vor einer kriegerischen Eskalation des Taiwan-Konflikts, die China mit Drohungen schürt. Die USA drängen sogar dazu, China verstärkt zu isolieren. Die USA locken wiederum ausländische Unternehmen mit hohen Steuervorteilen für klimafreundliche Investitionen.

Warum liegt der Fokus der China-Debatte so sehr auf der BASF?

Daran hat BASF-Chef Martin Brudermüller großen Anteil, der mit markigen Worten seinen China-Kurs verteidigt. So sprach der Vorstandsvorsitzende im Oktober 2022 vom China-Bashing und rief die Deutschen dazu auf, selbstkritischer auf eigene Defizite zu schauen. Im Februar erklärte Brudermüller, man habe das China-Engagement genau überprüft mit dem Schluss: „Die Chancen überwiegen die Risiken.“ Denn für die Chemiebranche ist China der wichtigste Wachstumsmarkt weltweit. Die Wettbewerbsfähigkeit Europas sieht Brudermüller dagegen stark gefährdet. Er räumte aber auch ein, dass ein Überfall Chinas auf Taiwan zu einem Totalverlust des China-Geschäfts mit weitreichenden Folgen führen würde.

Wie hoch sind die Investitionen der BASF in China?

BASF hat bereits einen großen Standort in Nanjing. Aktuell wird an dem neuen Verbundstandort Zhanjiang gebaut, dieser wird nach seiner Fertigstellung der weltweit drittgrößte Verbundstandort der BASF nach Ludwigshafen und Antwerpen sein. Bis 2030 will BASF zehn Milliarden Euro in das Riesenwerk investieren. Ein Teil dieser Investitionen ist schon verbaut. Der Standort entsteht schrittweise, im März startete der Bau eines neuen Produktionskomplexes, unter anderem mit Anlagen für Acrylsäure. Durch Zhanjiang wird der Anteil der BASF-Investitionen in der Region Asien-Pazifik fast die Hälfte ausmachen, der europäische Anteil wird dann auf ein gutes Drittel zurückfallen.

Wie hängt der Weggang von Vorständin Saori Dubourg mit der China-Debatte zusammen?

Saori Dubourg schied überraschend Ende Februar aus. Ihr Vertrag lief eigentlich noch bis 2025. Die Nachricht sorgte für einiges Aufsehen und nährte Spekulationen, dass ihr Weggang mit vorstandsinternen Meinungsverschiedenheiten um die Chinastrategie zusammenhängt. Dubourg galt als Kritikerin von Brudermüllers China-Kurs. Ob die Managerin tatsächlich Chancen auf die Nachfolge Brudermüllers gehabt hätte – wie einige Medien vermuteten – sei dahingestellt. Klar ist aber, dass Dubourg das Aushängeschild der BASF bei Themen wie Nachhaltigkeit und Dekarbonisierung war. Brudermüllers Vertrag wurde im Herbst 2022 nur um ein Jahr verlängert. 2024 ist für ihn Schluss.

Was bedeutet der Fokus auf China für das Werk Ludwigshafen?

Er könnte mit anderen Faktoren zu einem Bedeutungsverlust und einem Schrumpfkurs für Ludwigshafen führen. Der Vorstandschef hat ja angekündigt, dass in den kommenden Jahren deutlich mehr in Asien als in Europa investiert wird. Hauptproblem für das Werk in Ludwigshafen sind derzeit aber die hohen Energiepreise, die den Betrieb einiger Anlagenkomplexe laut BASF nicht mehr rentabel genug machen. So hat der Vorstand angekündigt, eine der Ammoniak-Produktionen und die TDI-Anlage zu schließen. Dazu kommt ein Sparprogramm in der Verwaltung. Insgesamt fallen 2500 der knapp 35 000 Arbeitsplätze der BASF SE weg.

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Wie stehen Arbeitnehmer zu dem Engagement in China?

BASF-Betriebsratschef Sinischa Horvat erklärte auf Anfrage: „Die Balance muss stimmen.“ Es sei nachvollziehbar, wenn das Unternehmen am Wachstum in China teilhaben will. Das Werk in Ludwigshafen stehe vor der Transformation hin zur CO2-neutralen Produktion. Solange diese Transformation hier beherzt und mit den notwendigen Investitionen vorangetrieben werde, könne der Betriebsrat das milliardenschwere China-Engagement „zumindest akzeptieren“. Sparmaßnahmen nach der Methode Rasenmäher sehe der Betriebsrat deutlich kritischer. Der Vorsitzende der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE), Michael Vassiliadis, hat die China-Politik von BASF kritisiert. Er warnte davor, alles auf eine Karte zu setzen.

Was sagen Fonds- und Finanzexperten?

Cornelia Zimmermann, Spezialistin für Nachhaltigkeit und Corporate Governance bei Deka Investment,

hält es für nachvollziehbar, dass BASF dort investiert, wo das größte Wachstum zu erwarten ist. BASF sei schon lange Jahre in China aktiv und habe sich früh für massive Investitionen dort entschieden. Sie sieht den Konzern an einem Punkt, an dem ein Rückzug nur sehr schwer möglich sei. Die Frage sei nun aber, wie agil BASF reagieren könne, wenn es in der Region zu einer Eskalation kommt. Möglicherweise sei das Unternehmen in Bezug auf China zu behäbig, um die Risiken rechtzeitig zu streuen. LBBW-Analyst Ulle Wörner traut dem BASF-Vorstand aber mehr zu: Das BASF-Management sei sich möglicher Risiken durchaus bewusst und investiere auch in anderen Regionen.

Und wie findet das die Aktionärsseite?

Aktionärsvertreter Ulrich Hocker, Präsident der Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz, sieht das ähnlich. Mit Blick auf den Taiwan-Konflikt spricht er zwar von einem hohen Risiko. Aber selbst ein Verlust der riesigen Investitionen sei für BASF nicht existenzbedrohend. Hocker betont aber: „Eine andere regionale Gewichtung für zukünftige Investitionen wäre sinnvoll.“

Redaktion Bettina Eschbacher ist Teamleiterin Wirtschaft.

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