Viernheim. Um 9 Uhr kam die erlösende Nachricht: „Da haben wir der Belegschaft in einer kleinen Betriebsversammlung verkündet, dass unsere Filiale gerettet ist“, sagt Kerstin Kujau. Sie ist Betriebsratsvorsitzende in der Galeria Karstadt Kaufhof-Filiale in Viernheim. „Es ist natürlich erst einmal ein Riesen-Jubel ausgebrochen, die Leute lagen sich in den Armen“, erzählt die Betriebsratsvorsitzende am Freitagnachmittag am Telefon.
Dass die Erleichterung an diesem Tag in der Viernheimer Filiale enorm ist, kann man sich gut vorstellen: Schließlich stand das Kaufhaus im Rhein-Neckar-Zentrum seit dem Frühjahr auf der Streichliste der Handelskette Galeria Karstadt Kaufhof. Damals hatte das Unternehmen bekanntgegeben, dass es rund ein Drittel seiner Filialen schließen will. Das Haus in Viernheim mit seinen rund 11 000 Quadratmetern Verkaufsfläche sollte den Plänen zufolge zum 31. Januar 2024 dicht machen. Die Beschäftigten hatten deshalb bereits vor Monaten die Kündigung bekommen.
Kündigungen bei Galeria in Viernheim zurückgenommen
Jetzt sei den Mitarbeitenden mitgeteilt worden, dass die Kündigungen zurückgenommen werden, so Kujau. „Und dann kann jeder Einzelne entscheiden, ob er bleibt oder nicht.“
Derzeit arbeiten in dem Kaufhaus rund 80 Beschäftigte, davon gehören rund 65 zur Stammbelegschaft, die übrigen seien als Aushilfen beschäftigt. „Manche haben wir in den letzten Monaten aber auch verloren, weil sie sich etwas Neues gesucht haben“, sagt die Betriebsratsvorsitzende. Die Beschäftigten hatten in den vergangenen Monaten immer wieder um den Erhalt der Filiale und ihre Arbeitsplätze gekämpft, unter anderem mit Protestaktionen. „Aber das war natürlich eine lange Durststrecke voller Ungewissheit. Deshalb haben sich einige bereits neu orientiert“, sagt Kujau.
Galeria Kaufhof-Karstadt in Viernheim gerettet: Viele Gespräche mit der Leitung
Gleichzeitig hatte es bereits vor einigen Monaten schon einen Hoffnungsschimmer gegeben, dass Galeria Karstadt Kaufhof die Filiale in Viernheim vielleicht doch noch erhält: So wurde von Gesprächen zwischen der Unternehmensleitung und den Eigentümern der Immobilie berichtet. Sie gehört, wie berichtet, der Immobilien-Investmentgesellschaft Redevco von Familie Brenninkmeyer, die vor allem durch die von ihren Vorfahren gegründete Modekette C&A bekannt ist.
Was genau den Ausschlag dafür gegeben hat, dass es dort offenbar zu einer Einigung gekommen ist, kann Horst Gobrecht, Verdi-Gewerkschaftssekretär im Bezirk Südhessen, am Freitag auch nicht sagen. „Im Prinzip waren aber bei fast allen Filialen zum einen die Höhe der Miete ein Knackpunkt und zum anderen die Beteiligung der Immobilieneigentümer an nötigen Investitionen“, sagt der Gewerkschafter.
So sei auch das Kaufhaus in Viernheim „an vielen Stellen investitionsbedürftig“, sagt Gobrecht. „Das Haus ist herabgewirtschaftet. Ich hoffe, dass jetzt bei dem Unternehmen auch der Mut da ist, hier entsprechend zu investieren.“
„Heute morgen hat man uns auf jeden Fall gesagt, dass man viel Hoffnung in das Haus legt und dass es für uns hier auch eine längerfristige Perspektive gibt“, berichtet Betriebsratsvorsitzende Kujau.
Galeria Kaufhof-Karstadt äußert sich nicht zur Rettung
Vom Unternehmen selbst gab es am Freitag zunächst keine Auskunft über die Hintergründe der Entscheidung, eine Anfrage dieser Redaktion blieb bis zum Abend unbeantwortet.
Glücklich über die Entscheidung zeigt sich am Freitag schließlich auch Viernheims Bürgermeister Matthias Baaß: „Ich bin heute morgen von der Konzernleitung über die Entscheidung unterrichtet worden“, sagt er am Nachmittag auf Nachfrage und ergänzt: „Ich freue mich sehr, zumal ich nicht unbedingt damit gerechnet habe.“
Zwar habe er seit Bekanntgabe der Schließungspläne viele Gespräche geführt mit dem Vorstand von Galeria Karstadt Kaufhof und auch mit den Eigentümern der Immobilie. „Aber letztlich wusste ich nicht, wie das ausgehen wird.“ Dass die Filiale nun erhalten bleibe, sei nicht nur für die Beschäftigten, sondern auch für die Stadt Viernheim und die Region eine tolle Nachricht. Schließlich gehöre das Kaufhaus - egal ob unter dem früheren Namen Hertie oder später Karstadt - schon immer zum Rhein-Neckar-Zentrum. „Das ist dort schon fast ein geografischer Mittelpunkt“, sagt Baaß.
Sekt für die Kundschaft
Nach Angaben der Betriebsratsvorsitzenden Kujau haben am Freitag auch Kundinnen und Kunden den Erhalt der Viernheimer Filiale gefeiert. „Wir haben die Kundschaft am Morgen mit einem Gläschen Sekt begrüßt“, sagt sie. „Viele haben sich riesig gefreut.“ Nach Bekanntgabe der Schließungspläne habe man von Besucherinnen und Besuchern häufig Zuspruch bekommen. „Viele haben uns gesagt: Wenn ihr weg seid, wissen wir gar nicht mehr, wo wir manche Sachen noch kaufen sollen“, so Kujau.
Für Zuversicht in Viernheim hatten auch Nachrichten über gerettete Standorte wie zuletzt etwa in Leonberg oder Limburg gesorgt. Der angeschlagene Warenhauskonzern hatte Ende des Jahres zum zweiten Mal binnen kurzer Zeit ein Schutzschirmverfahren durchlaufen. 41 der zuletzt 129 Häuser sollte aufgegeben werden. In der Region ist neben Viernheim das Haus am Heidelberger Bismarckplatz betroffen.
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