Mannheim. Als die IG Metall kürzlich vor der Mannheimer Südwestmetall-Geschäftsstelle protestiert hatte, bekam Arnd Suck eine aufgeblasene 7 überreicht. Als Symbol für die sieben Prozent Lohnerhöhung, die die IG Metall in der aktuellen Tarifrunde fordert. Die 7 war mit Helium gefüllt - und ist in die Luft gegangen. Ein Omen?
Zumindest ist die zweite Verhandlung in der Tarifrunde der baden-württembergischen Metall- und Elektroindustrie vor ein paar Tagen ohne erkennbare Annäherung zu Ende gegangen. Die IG Metall wies ein Angebot der Arbeitgeber als unzureichend zurück. Diese hatten eine Erhöhung der Bezüge um insgesamt 3,6 Prozent vorgeschlagen. Allerdings soll die erste Stufe um 1,7 Prozent erst im Juli 2025 einsetzen, weitere 1,9 Prozent soll es dann ein Jahr später geben. Die Laufzeit würde 27 Monate betragen.
Suck, Geschäftsführer der Südwestmetall-Bezirksgruppe Rhein-Neckar-Odenwald, verteidigt das. „Für unsere Mitgliedsunternehmen ist eine längere Laufzeit wichtig, sie brauchen Planungssicherheit.“ Die Sieben-Prozent-Forderung der IG Metall sei aus Sicht der Arbeitgeber nicht zu rechtfertigen. Suck verweist auf den Abschluss von 8,5 Prozent in Summe plus 3000 Euro Inflationsausgleichsprämie, womit man bereits in der letzten Tarifrunde auf die gestiegenen Lebenshaltungskosten reagiert habe. Mit 81 000 Euro sei der Durchschnittsverdienst in den tarifgebundenen Unternehmen der baden-württembergischen Metall- und Elektroindustrie zudem schon auf einem hohen Niveau.
Streit um Abweichungen vom Flächentarifvertrag
Das gelte auch für die Azubigehälter. Trotzdem hätten die Arbeitgeber nun einen Schritt auf die Gewerkschaft zugemacht und seien bereit, hier über eine überproportionale Erhöhung zu verhandeln, sagt Peter Körner, Vorstandsvorsitzender der Südwestmetall-Bezirksgruppe und im Management des Gasmotorenherstellers Caterpillar in Mannheim.
Der Forderung der IG Metall, dass Azubis monatlich 170 Euro mehr bekommen sollen, erteilt er allerdings eine klare Absage. „Da wird man sicher nicht landen, das wäre ja ein Plus von 12 bis 15 Prozent.“
Südwestmetall
- Als branchenübergreifender Zusammenschluss der tarifgebundenen Metall- und Elektroindustrie in Baden-Württemberg organisiert Südwestmetall nach eigenen Angaben 681 Unternehmen mit rund 542 000 Beschäftigten.
- Diese gehören in erster Linie zu den Branchen Fahrzeugbau inklusive Automobilzulieferer, Maschinenbau, Elektrotechnik sowie zunehmend zu Medizin- und Umwelttechnik.
- Die Interessen der Mitgliedsunternehmen vertritt Südwestmetall vor allem gegenüber der Gewerkschaft IG Metall sowie der Landespolitik.
Neben einem insgesamt moderaten Abschluss sei für Südwestmetall ein weiterer Punkt zentral: „Wir brauchen eine Differenzierungsoption für Unternehmen, für die auch das Angebot von 3,6 Prozent, das jetzt auf dem Tisch liegt, aktuell nicht darstellbar ist.“ Konkret fordern die Arbeitgeber die Option, dass wirtschaftlich angeschlagene Betriebe die Möglichkeit haben, die vereinbarte Tariferhöhung zum Beispiel erst zu einem späteren Zeitpunkt umzusetzen.
Zwar gibt es mit dem sogenannten Pforzheimer Abkommen in der Branche bereits die Möglichkeit, dass Krisen-Unternehmen vorübergehend vom Flächentarif abweichen. Allerdings muss dafür bisher in jedem Einzelfall mit der IG Metall verhandelt werden. Die Arbeitgeber wollen erreichen, dass Betriebe tarifvertragliche Regelungen automatisch aussetzen können, wenn bestimmte, vorab definierte Kennzahlen wie eine bestimmte Netto-Umsatzrendite nicht erreicht werden. „Die Unternehmen brauchen hier einfach mehr Spielräume, um in Krisen-Situationen auf betrieblicher Ebene eine Lösung zu finden - ohne dass sie erst langwierige Verhandlungen mit der IG Metall führen müssen“, fordert Suck.
Aus Sicht von Südwestmetall hat sich die wirtschaftliche Lage in den vergangenen Monaten noch einmal deutlich zugespitzt. So erwartet der Verband in den nächsten Wochen zum Beispiel mehr Kurzarbeit in den Betrieben. „Vor allem in Baden-Württemberg haben wir eine Multi-Krise. Das ist nicht nur einfach eine konjunkturelle Delle, sondern das ist viel, viel mehr“, erklärt Körner.
Energiepreise, Unternehmenssteuern und Sozialabgaben sowie bürokratische Lasten seien zu hoch. Suck berichtet von einem Betrieb in der Region, der extra jemanden eingestellt habe, der sich ausschließlich um die Kommunikation mit Behörden kümmere. „Das ist in einem Unternehmen mit 100 Beschäftigten schon Wahnsinn.“ Dass sich die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen in absehbarer Zeit bessern, glaubt Körner unterdessen nicht.
„Ich sehe keine Tendenz seitens der Bundesregierung, dass vor der Bundestagswahl im Herbst 2025 noch irgendeine Initiative stattfindet. Dabei wäre jetzt die Gelegenheit für die Ampel, nochmal zu zeigen, dass sie anpackt - und etwa ein Paket für die Wirtschaft schnürt.“ Körner bringt es auf den Punkt: „Schnelligkeit ist mein Thema allgemein, das betrifft eigentlich alles. Schneller zu werden beim Bürokratieabbau, beim Aufbau von Ladesäulen für E-Autos, bei der Sanierung von Brücken und so weiter. Einfach machen!“
Am 28. Oktober endet die Friedenspflicht
Apropos Schnelligkeit: Wie schnell die Tarifparteien in der Metall- und Elektroindustrie zu einem Ergebnis kommen, muss sich in den nächsten Wochen zeigen. Am 28. Oktober endet die Friedenspflicht. Danach sind auch Warnstreiks in den Unternehmen denkbar.
Am 31. Oktober soll in Böblingen weiterverhandelt werden. „Ich hoffe, dass wir uns im Laufe des Novembers einigen können. Es muss natürlich ein gutes Ergebnis herauskommen. Letztlich geht es ja auch darum, dass die Betriebe die Beschäftigten halten“, so Körner.
URL dieses Artikels:
https://www.bergstraesser-anzeiger.de/wirtschaft_artikel,-regionale-wirtschaft-suedwestmetall-erwartet-mehr-kurzarbeit-in-und-um-mannheim-_arid,2254121.html