Mannheim. Teure Kohlensäure, Malz, Glas - und natürlich Energie: Seit Monaten kämpfen die deutschen Brauer auf breiter Front gegen gestiegene Kosten in ihren Betrieben. Viele haben deshalb ihre Preise erhöht, teilweise sogar mehrmals. Um die Schmerzgrenze der Kundschaft nicht überzustrapazieren und sie damit zu vergraulen, sucht die Branche aber auch nach anderen Wegen. Eine der Ideen, die der baden-württembergische Brauerbund derzeit verfolgt: gemeinsame Abfüll- und Logistikzentren, die sich mehrere Brauereien teilen könnten. Auch in der Region bringt der Kostendruck Konkurrenten näher zusammen.
Wie könnten solche Zentren für die Branche funktionieren?
„Bis jetzt gibt es solche Zentren im Südwesten noch nicht“, sagt Matthias Schürer, Präsident des baden-württembergischen Brauerbunds. Zwar gebe es teilweise Getränkefachhändler, die die Leergutsortierung für Brauereien übernähmen. „Aber die Abfüllung macht bisher jede Brauerei selbst. Und der Aufwand dafür wird immer größer.“
Die Abfüllung macht bisher jede Brauerei selbst. Und der Aufwand dafür wird immer größer.
Würde die Abfüllung ausgelagert, könnte das Bier mit Tankwagen bei den Brauereien abgeholt und zu den gemeinsamen Zentren gebracht werden. Dort brauche es dann passend große Tanks und Abfülllinien. „Auch das Leergut könnte in den Zentren zentral gesammelt, sortiert, gereinigt und wieder befüllt werden“, sagt Schürer.
Welche Vorteile könnte das Vorhaben im Südwesten bringen?
Ziel des Vorstoßes sei es, die einzelnen Betriebe in Zeiten hohen Preisdrucks und wirtschaftlicher Unsicherheit zu entlasten, sagt Schürer - zum Beispiel dadurch, dass sie sich die Kosten für die Modernisierung eigener Anlagen sparen könnten. So seien in vielen Brauereien die sogenannten Flaschenkeller, in denen die Bierflaschen gereinigt und abgefüllt werden, ordentlich in die Jahre gekommen. „Da stehen hohe Investitionen für viele Betriebe an, die es durch die gemeinsamen Abfüllzentren nicht mehr bräuchte.“
Einen weiteren Vorteil böten solche Zentren mit Blick auf die teils attraktiven Flächen der Brauereien. „Die könnte man besser nutzen als für die Lagerung und Sortierung von Leergut“, glaubt Schürer. Der Brauerbund-Präsident ist überzeugt, dass die Idee nicht nur für kleine Betriebe, sondern auch für größere interessant sein kann. „Für einige bietet es sich zum Beispiel vielleicht an, zumindest einige Sorten nicht mehr im eigenen Haus abzufüllen.“ Grundsätzlich gehe es bei den Überlegungen darum, „die vielen mittelständischen Brauereien im Südwesten zu erhalten“.
Gibt es auch entsprechende Pläne für die Region?
Zumindest hat sich Brauerbund-Präsident Schürer auch im Rhein-Neckar-Raum schon nach geeigneten Flächen umgesehen - bisher allerdings ohne Erfolg. Generell kann sich Schürer vorstellen, dass vier oder fünf Zentren - verteilt in ganz Baden-Württemberg - sinnvoll wären. Die Suche nach passenden Grundstücken sei allerdings insgesamt eine große Herausforderung, sagt Schürer.
In den letzten Monaten sei er durch das Land gereist und habe mit Immobilienmaklern gesprochen, fündig geworden ist er noch nirgends. Zwischen 60 000 und 100 000 Quadratmeter groß müsse eine entsprechende Fläche sein, außerdem müsse die Lage passen: nicht zu weit weg von den Brauereien, nicht zu weit weg von den Getränkefachhändlern - und am besten noch in Autobahnnähe.
Haben hiesige Brauereien überhaupt Interesse daran?
„Ich stehe solchen Ideen grundsätzlich sehr offen gegenüber“, sagt zum Beispiel Max Spielmann, Chef der Brauerei Welde in Plankstadt. Abfüllanlagen gehörten neben den Sudhäusern zu den kapitalintensivsten Anlagen in einer Brauerei. Entsprechend teuer sei es, wenn eine in die Jahre gekommene Anlage ersetzt werden müsse. „Zuletzt haben sich solche Investitionen durch die steigenden Zinsen noch mal deutlich verteuert“, so Spielmann
Auch die hohe Brauereidichte in Nordbaden und die Tatsache, dass die Betriebe räumlich oft nah beieinander lägen, spräche für solche Zentren. „Die Transportwege wären überschaubar“, so der Welde-Chef. Dazu komme der Nachhaltigkeitsaspekt: Heute habe jede Brauerei ihre eigene Abfüllung, und jede brauche Wärme, Strom und Wasser. „Da könnte man mit gemeinsamen Anlagen schon sparen, selbst wenn die dann deutlich größer wären.“
Was sagt die Mannheimer Privatbrauerei Eichbaum dazu?
Auch bei der Privatbrauerei Eichbaum zeigt man sich generell aufgeschlossen für Kooperationen: „Angesichts der explodierenden Kosten wäre es töricht, sich gegenüber Kooperationen hinsichtlich Abfüllung oder Logistik von vorneherein zu verschließen“, heißt es bei dem Mannheimer Unternehmen auf Anfrage.
Angesichts der explodierenden Kosten wäre es töricht, sich gegenüber Kooperationen hinsichtlich Abfüllung oder Logistik von vorneherein zu verschließen
Gemeinsame Abfüll- und Logistikzentren seien nicht undenkbar, bei Eichbaum gebe es solche Überlegungen auf absehbare Zeit aber nicht. „Die Abfüllvolumina und die vorhandenen Kapazitäten, Kenntnisse und Gebindekompetenzen machen die Eigenabfüllung mit angeschlossener Logistik viel attraktiver.“ Man sei „zu stetigen Investitionen bereit, um mit der Eigenabfüllung auch zu marktgerechten Kosten produzieren zu können.“
Allerdings hatten massiv steigende Kosten und eine unsichere Marktlage im vergangenen Jahr auch die Investitionspläne des Mannheimer Unternehmens durchkreuzt: Im April 2022 legte Eichbaum eine eigentlich fest geplante Investition in einen neuen Flaschenkeller vorerst auf Eis.
Wie sieht man in Heidelberg die Chancen?
Michael Mack, Chef der Heidelberger Brauerei, sieht in der Idee für ein gemeinsames Abfüll- und Logistikzentrum in der Region unterdessen „durchaus Potenzial“. „Die Kosten für den Einzelnen werden immer erheblicher, deshalb ist das eine Überlegung wert“, sagt er. Entsprechende Kooperationen könnten Mack zufolge auch ein Anreiz für die Brauereien sein, auf einheitliche Flaschen umzustellen. „Die Herausforderung ist sicher, alle, die das betrifft, an einen Tisch zu bekommen.“
Wo liegen mögliche Hürden bei den Planungen?
Neben der schwierigen Flächen-Suche müsste die Frage der Finanzierung geklärt werden. Brauerbund-Präsident Schürer sieht dafür grundsätzlich verschiedene Optionen: „Entweder man sucht einen Investor, der das Zentrum baut und betreibt, oder die abfüllenden Brauereien beteiligen sich als Gesellschafter. Eine andere Möglichkeit kann eine Genossenschaftsform bieten.“ Generell müsse man je nach Größenordnung des Zentrums von einem „ordentlichen zweistelligen Millionenbetrag“ als Investitionskosten ausgehen.
Wie lässt sich das technisch umzusetzen?
Welde-Chef Spielmann verweist auf die hohe Komplexität, die eine gemeinsame Abfüllung mit sich bringen würde: „Die Gebindevielfalt wäre extrem groß, da müsste auf den Anlagen ständig umgestellt werden.“ Das sei zwar grundsätzlich sicher machbar. Generell müsste man als einzelne Brauerei in so einem Fall aber schauen, dass „die eigenen Interessen gewahrt würden“ - die Abfüllung der eigenen Produkte also nicht zu kurz komme, weil ein Wettbewerber die Kapazitäten belege. Auch bei der Mannheimer Eichbaum heißt es in Bezug auf die Zentren-Idee, es bräuchte dafür „viel Vertrauen, da man so den unmittelbaren Zugriff auf Kapazitäten aufgäbe.“
Arbeiten Brauereien in anderen Bereichen schon zusammen?
„Es gab schon häufig eine projektbezogene Zusammenarbeit von Brauereien, zum Beispiel Lohnfüllungen“, so die Eichbaum-Brauerei. Bei einer Lohnabfüllung füllt ein Betrieb Bier einer anderen Brauerei gegen Bezahlung auf einer eigenen Anlage ab. Dies könne ein Vorteil sein, wenn ein Unternehmen die Technologie zum Beispiel für bestimmte Gebinde nicht selbst im Betrieb habe. „Auch aktuell gibt es wieder Anfragen regionaler Brauereien hinsichtlich Lohnabfüllungen“, teilt Eichbaum mit.
Was hat die Buga in Mannheim mit einer ersten Annäherung zwischen Eichbaum und Welde zu tun?
Auf der aktuellen Bundesgartenschau kooperiert die Mannheimer Eichbaum-Brauerei mit dem Plankstadter Wettbewerber Welde: Die beiden Unternehmen arbeiten dort als Bier-Lieferanten zusammen, nutzen Ausstattung gemeinsam und bündeln Lieferwege mit einem gemeinsamen Getränkehändler. Die Lieferung sei so „wesentlich emissionsärmer und nachhaltiger“, bekräftigten beide Unternehmen im Frühjahr bei der Vorstellung der Kooperation. Welde-Chef Spielmann spricht von einer „sehr guten Zusammenarbeit: Das ist ein erstes Pflänzchen. Und wer weiß, was sich darauf möglicherweise noch aufbauen lässt?“, sagt er.
Wie entwickeln sich die Kosten derzeit?
Zumindest was den Kostendruck betrifft, dürfte die Suche nach Lösungen in der Branche aktuell bleiben: So habe es bei Roh- und Hilfsstoffen wie Malz, Hopfen, Neuglas oder Etiketten Preissteigerungen von 20 bis 60 Prozent gegeben, teilweise sogar deutlich mehr, sagt Spielmann. „Und anders als bei der Energie sehen wir hier überhaupt keine Entspannungssignale.“
URL dieses Artikels:
https://www.bergstraesser-anzeiger.de/wirtschaft_artikel,-regionale-wirtschaft-steigende-bier-preise-wie-welde-eichbaum-und-co-kosten-sparen-koennten-_arid,2096267.html