Mannheim. Der Streit um das Bürgergeld kocht in der Bundespolitik immer stärker hoch. Leider ist die Debatte von keiner Sachkenntnis getrübt. Kein Wunder also, dass CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt mit seinem Vorstoß Kopfschütteln beim Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) ausgelöst hat. Zur Erinnerung: Dobrindt will den Ukrainerinnen und Ukrainern ja nicht nur die Sozialleistungen kürzen, sondern Kriegsflüchtlinge in ihr Heimatland zurückschicken, falls diese in Deutschland keine Arbeit haben.
Ukrainer sind nicht schlecht in Deutschland integriert
„Grundsätzlich geht die Debatte an der Realität der Behörden vorbei: Die Umstellung von Bürgergeld auf Asylbewerberleistungen würde die lokalen Sozialämter unverhältnismäßig stark belasten. Diese operieren meist sowieso schon an der Belastungsgrenze“, so ZEW-Experte Martin Lange. Und er setzt noch einen drauf: „Was den Ukrainerinnen und Ukrainern in Deutschland hilft, sind nicht Rückführungsdebatten, sondern schnellere Anerkennungsverfahren ihrer Qualifikationen und eine höhere Verfügbarkeit von Kinderbetreuung.“
Lange bestreitet auch, dass gekürzte Leistungen die Integrationsbereitschaft der Kriegsflüchtlinge erhöhen würden. „Das greift zu kurz. Die russische Invasion der Ukraine ist gerade einmal zwei Jahre her. Aus der Ukraine kamen vor allem junge Frauen mit Kindern - also eine Gruppe, die es hierzulande grundsätzlich schwerer hat, im Arbeitsmarkt Fuß zu fassen“, sagt er.
Kürzungen der Leistungen würden deshalb eine besonders vulnerable Gruppe treffen. Er betont, dass die Integration der Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt insgesamt wie erwartet und nicht schlechter als die von anderen, vorherigen Zuwanderungsgruppen laufe. Das klingt dann doch ganz anders als beim CSU-Politiker Dobrindt.
Teilnahme an Sprachkursen ist hoch
Langes Fazit sieht deshalb ganz anders aus: „Es ist erfreulich, dass Ukrainerinnen und Ukrainer auf langfristige Integration setzen.“ Mehr als die Hälfte wollen demnach langfristig in Deutschland bleiben, die Teilnahme an Sprach- und Integrationskursen sei hoch, Vorqualifikationen sind nach Langes Darstellung vorhanden.
„Dies sind wichtige Voraussetzungen, dass die Geflüchteten gute und qualifizierte Beschäftigung finden“, sagt der Experte und stellt klar: „Es sollte in dieser Debatte bedacht werden, dass die Aufnahme von Schutzsuchenden vor Krieg und Zerstörung ein humanitäres Gebot ist, das sich nicht an eine Arbeitsmarktpartizipation knüpfen lässt.“ Seine Schlussfolgerung: „Die Ukrainerinnen und Ukrainer sind hier, weil sie Schutz vor dem russischen Angriffskrieg suchen, und nicht, um unseren Arbeitskräftemangel zu beheben.“
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