Unternehmensgründung

Rhein-Neckar-Region als Biotop für Start-ups

In unsicheren wirtschaftlichen Zeiten halten sich auch die Kapitalgeber zurück. Das spürt die deutsche Start-up-Szene. Nicht so in der Rhein-Neckar-Region, wo die Gründungszahlen weitgehend stabil sind

Von 
Stefanie Ball
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Eines der Produkte der faCellitate GmbH, das Technologie-Start-up ist zunächst im Chemovator der BASF entstanden. © faCellitate GmbH

Mannheim. Das Interesse an Unternehmensgründungen in Deutschland sinkt seit Jahren. Die Zahl der gewerblichen Existenzgründungen ist nach Angaben des Instituts für Mittelstandsforschung Bonn von rund 418 000 im Jahr 2010 kontinuierlich auf 235 000 gesunken. Sie hat sich damit binnen eines Jahrzehnts nahezu halbiert.

Vorstellung des Konzepts in sechs Minuten

So weit die schlechte Nachricht. Die gute Nachricht: Es gibt auch mutige Gründerinnen und Gründer. Sieben von ihnen, allesamt Finalisten des Mannheimer Existenzgründungspreises „MEXI24“, kamen am Mittwochabend zusammen, um ihre Geschäftsideen zu präsentieren. Eingeladen zum Speed Pitch - in sechs Minuten musste das Konzept erklärt sein - hatte der Verein Palatina Business Angels Rhein-Neckar, die Stadt Mannheim sowie die Sparkasse Rhein Neckar Nord. Business Angels, Unternehmensengel, sind Privatpersonen, die in Start-ups investieren - Geld und Know-how.

Denn außer den Gründern braucht es auch noch: Kapitalgeber. Die sind laut dem Start-up-Barometer der Unternehmensberatung EY gerade zurückhaltend: Sechs Milliarden Euro sammelten die Jungunternehmen 2023 ein - 39 Prozent weniger im Vergleich zum Jahr 2022, als 9,9 Milliarden Euro in die Start-ups flossen und 65 Prozent weniger als im Rekordjahr 2021, als die Investitionssumme bei 17,4 Milliarden Euro lag. Die Sparkasse Rhein Neckar Nord sieht grundsätzlich genug investitionsfreudige Geldgeber, aber unsichere Zeiten. „Der Rückgang der Gründungen ist aus unserer Sicht auf die Unsicherheit im aktuellen Marktumfeld zurückzuführen“, erklärt Clemens Rudolph, stellvertretendes Vorstandsmitglied.

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Immerhin, an Ideen mangelt es nicht, wie die Pitches am Mittwochabend zeigten. Da ist zum Beispiel ISTARI.AI, das mittels Künstlicher Intelligenz Unternehmenswebseiten und Beiträge etwa auf Social Media scannt und die daraus gewonnenen Daten und Informationen anderen Unternehmen zur Verfügung stellt. Die Idee entstand im Rahmen eines Forschungsprojekts des ZEW Mannheim mit der Justus-Liebig-Universität Gießen, 2019 wurde das Start-up von Jan Kinne und David Lenz ausgegründet. Im vergangenen Jahr zeichnete das baden-württembergische Wirtschaftsministerium die beiden Gründer mit dem Preis KI-Champion BW aus.

Fortschritte bei Arzneimittelentwicklung

Oder da ist die faCellitate GmbH, entstanden im Chemovator, dem Geschäftsinkubator der BASF, der Ideen aus dem Unternehmen und neuerdings auch von außerhalb fördert. FaCellitate hat eine Oberflächenbeschichtung entwickelt, die es Forschern ermöglicht, Zellen im Labor so zu kultivieren, dass diese eine 3D-Struktur bilden. An den Zellen können dann neue Arzneimittel erprobt werden oder Krankheiten simuliert und untersucht werden. Langfristig ist das Ziel, auf Tierversuche in der Forschung komplett zu verzichten und nur noch mit solchen Zellkulturen zu arbeiten. Profitabel ist faCellitate noch nicht, verfügt aber schon über 500 Kunden - weltweit.

Um lebenswerte Innenstädte geht es den Architekten Robin Woll und Wulf Kramer, die mit City Decks modulare Sitzmöglichkeiten entworfen haben, um damit freie oder frei werdende Plätze in den Städten zu bestücken. „Der Einzelhandel ist auf attraktive Städte angewiesen, und das bedeutet auch, die Aufenthaltsqualität zu steigern“, erläutert Kramer. 85 Prozent des Umsatzes macht das Unternehmen mit der öffentlichen Hand; die Sitzmodule, teils kombiniert mit Grasflächen oder Pflanzkästen, können gekauft oder - was den Städten laut Kramer besonders gut gefällt - auch nur gemietet werden.

Positives Umfeld in der Rhein-Neckar-Region

Mut zu mehr Unternehmertum - in Mannheim ist er offensichtlich vorhanden. Das bestätigt auch der Präsident der IHK Rhein-Neckar, Manfred Schnabel: „Unsere Region bietet ein gutes Biotop für Gründerinnen und Gründer. Gegen den Bundestrend sind die Gründungszahlen bei uns auch ziemlich stabil.“ In den ersten drei Quartalen 2023 lag die Zahl der Gewerbeanmeldungen demnach bei rund 6500, das sind so viele wie zwei Jahre zuvor und mehr als im Vorjahr. Die Gründe für die positive Entwicklung sieht Schnabel im hohen Bildungs- und Qualifikationsniveau, der hohen Kaufkraft, den wettbewerbsfähigen Unternehmen und vielen Hochschulen, aus denen es ebenfalls zu Ausgründungen komme, sowie den Gründungszentren.

In Mannheim beispielsweise sind nach Aussage der Stadt alle acht Gründungszentren voll besetzt. In diesem Jahr würden erstmals wieder Flächen frei, weil Auszüge anstünden - nicht weil die Start-ups aufgegeben haben, sondern weil sie so groß geworden sind, dass der Platz nicht mehr reicht.

Freie Autorin

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