Landmaschinen

Neue Europa-Chefin von John Deere: "Sind in Mannheim gut aufgestellt"

Seit November führt Deanna M. Kovar das Europa-Geschäft von John Deere. Im Interview erklärt sie, warum der Mannheimer Standort selbst für schwächere Phasen gerüstet ist - und warum Landwirte auch künftig auf dem Traktor sitzen

Von 
Tatjana Junker
Lesedauer: 
Traktormodelle wie dieses werden am John-Deere-Standort Mannheim gebaut. © John Deere

Der Landmaschinenhersteller John Deere will seine Produktpalette in Mannheim ausbauen und weiter in den Standort investieren, sagt die neue Europa-Chefin Deanna M. Kovar.

Frau Kovar, Sie sind für Ihren neuen Job aus den USA nach Deutschland gezogen. Haben Sie Mannheim und die Region schon etwas kennengelernt?

Deanna Kovar: Ich bin sehr viel mit dem Flugzeug unterwegs, deshalb wohne ich mit meiner Familie nun in der Nähe von Frankfurt. Die John-Deere-Standorte in der Region kenne ich gut: Ich arbeite seit fast 25 Jahren im Unternehmen und hatte vor allem in den letzten Jahren öfter mit den deutschen Werken zu tun, auch mit Mannheim. Für die Fahrerkabinen-Produktion in Bruchsal war ich sogar einige Jahre zuständig. Ich hatte also schon sehr viele Gelegenheiten, die Standorte und die Belegschaft hier kennenzulernen.

Sie sind auf einem Milchviehbetrieb in Wisconsin aufgewachsen, künftig leiten Sie das Europageschäft von John Deere. Was sind die größten Unterschiede zwischen der amerikanischen und der europäischen Landwirtschaft?

Kovar: Zunächst einmal stehen Landwirte überall vor ähnlichen Herausforderungen: Fachkräftemangel, unbeständiges Wetter, schwankende Nachfrage und Preise. Allerdings sind die Agrarmärkte in den USA und in Europa unterschiedlich reguliert, und auch die Dimensionen sind anders: In den Staaten gibt es deutlich mehr Großbetriebe mit ein paar Hundert Hektar Fläche. In Europa spielen außerdem Lohnunternehmer in der Landwirtschaft eine größere Rolle: Die gibt es in den USA zwar auch, aber dort unterstützen sie vor allem beim Pflanzenschutz, also zum Beispiel bei Herbiziden. In Europa werden Lohnunternehmer praktisch bei allen Arbeiten auf dem Feld eingesetzt.

Überall auf der Welt sind Landwirte zunehmend mit Extremwetter konfrontiert - teils mit massiven Ernteausfällen. Wie beeinflusst der Klimawandel das Geschäft von John Deere?

Kovar: Tatsächlich müssen unsere Kunden immer öfter mit extremen Wetterereignissen umgehen: Mal sind es Dürren, mal ist es zu viel Regen. Wir richten unsere Strategie darauf aus, die Landwirte bei dieser Herausforderung zu unterstützen. Zum einen durch die starke Digitalisierung unserer Maschinen, Stichwort Präzisionslandwirtschaft. Die Technologie ermöglicht es zum Beispiel, dass die Maschine während der Feldarbeit den Unterschied zwischen einer Nutzpflanze und Unkraut erkennt und automatisch nur Letzteres besprüht. Dadurch lassen sich 60 Prozent Herbizid einsparen. Ein weiterer Faktor ist, dass durch Extremwetter das richtige Timing bei bestimmten Arbeitsschritten wichtiger wird: Wenn die Ernte vom Feld muss, darf man keine Zeit verlieren, egal, ob es personalmäßig gerade passt oder nicht. Deshalb arbeiten wir auch am autonomen Fahren.

Ein Traktor, der ganz alleine übers Feld fährt - wird der Beruf Landwirt irgendwann zum reinen Bürojob?

Kovar: Das glaube ich nicht, schon allein, weil die Landwirte darauf keine Lust hätten - da würden sie sich einen anderen Job suchen. Sie werden auch künftig in der Fahrerkabine eines Traktors sitzen oder in einem Mähdrescher - aber vielleicht nicht mehr auf jedem einzelnen Quadratmeter ihrer Fläche. Die Zeit können sie für andere Aufgaben im Betrieb nutzen. Dazu kommt: Wenn wir über autonomes Fahren in der Landwirtschaft sprechen, geht es immer um die Fahrten auf dem Feld. Für die Fahrt zum Acker und zurück, also auf der Straße, braucht es weiter Menschen, schon allein aus Sicherheitsgründen. Wenn auf dem Feld ein Hindernis auftaucht, ist das kein Problem - der Traktor stoppt einfach. Im Straßenverkehr ist die Situation viel komplexer.

Lkw-Hersteller wie Daimler Truck haben zuletzt Fahrzeuge mit Batterie- oder Brennstoffzellenantrieb vorgestellt. Welche emissionsfreien Antriebe werden sich bei Traktoren durchsetzen?

Kovar: Bei Traktoren mit mehr als 100 PS macht ein rein elektrischer Betrieb keinen Sinn: Die Batterie müsste zehn Mal so groß sein, um die nötige Leistung zu erreichen. Deshalb arbeiten wir bei den größeren Maschinen, wie sie zum Beispiel in Mannheim gebaut werden, an hybriden Antrieben. Außerdem setzen wir stark auf alternative Treibstoffe, zum Beispiel HVO - also Diesel aus erneuerbaren Rohstoffen. Die Emissionen sind hier drastisch niedriger. Auf der Agritechnica-Messe haben wir außerdem gerade einen Ethanol-Motor vorgestellt. Der Vorteil an alternativen Flüssig-Kraftstoffen ist auch, dass die Landwirte den Kraftstoff selbst produzieren können und die Infrastruktur dafür in der Regel schon auf dem Hof haben.

Kommen wir zum Standort Mannheim, dem größten von John Deere außerhalb Nordamerikas. Wo sehen Sie hier die wichtigsten Herausforderungen in den nächsten Jahren?

Kovar: Wir haben in Mannheim eine lange Tradition, die bis zurück zur Lanz-Fabrik reicht: Wir sind hier wirklich zu Hause. Aktuell werden am Standort Traktoren der Serie 6M und 6R gefertigt, und wir wollen die Produktpalette in den nächsten Jahren ausbauen. Gleichzeitig sind wir hier klar räumlich begrenzt, die Fabrik liegt mitten in der Stadt. Entsprechend geht es darum, Flächen und Anlagen optimal auszulasten. Wir wollen in Mannheim weiter investieren, aktuell entsteht eine große neue Lackieranlage. Wichtig ist auch künftig, dass wir in unseren Fabriken flexibel sind. Die Agrarwirtschaft ist ein zyklisches Geschäft. In Spitzenzeiten müssen wir die große Nachfrage stemmen, gleichzeitig gilt es, auch schwächere Phasen zu bewältigen. In Mannheim sind wir aber sehr gut aufgestellt. Zum einen können wir Auftragsspitzen durch Zeitarbeitskräfte auffangen, zum anderen haben wir am Standort seit vielen Jahren ein erfolgreiches Arbeitskontenmodell. Es erlaubt, in guten Zeiten einen Überstundenpuffer aufzubauen, der bei sinkender Nachfrage abgebaut werden kann.

2023 war für John Deere wieder ein gutes Jahr, das Mannheimer Werk war ordentlich ausgelastet. Wird das 2024 so bleiben?

Kovar: Insgesamt erwarten wir, dass das Geschäft 2024 etwas schwächer laufen wird - je nach Sparte rechnen wir mit einem Rückgang um zehn bis 20 Prozent. Da Mannheim den globalen Markt bedient, wird sich das etwa in diesem Umfang auch am Standort widerspiegeln. Grundsätzlich darf man aber nicht vergessen: Wir haben sehr starke Jahre hinter uns, wir kehren jetzt also eher zurück zur Normalität.

Was bedeutet das konkret für den Standort Mannheim?

Kovar: Die Auslastung im Werk wird trotzdem hoch bleiben, zumal wir gerade zusätzliches Volumen an den Standort bekommen haben: So werden einige Komponenten, die bisher in unserer Fabrik in Waterloo produziert wurden, seit Anfang November in Mannheim gefertigt. Dafür haben wir hier auch nochmals investiert. Das zeigt, wie wichtig und wettbewerbsfähig das Werk im weltweiten Vergleich ist.

Traktoren

John Deere erwartet 2024 auch in Mannheim ein schwächeres Geschäft

Veröffentlicht
Von
Tatjana Junker
Mehr erfahren

Redaktion Wirtschaftsreporterin

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen

VG WORT Zählmarke