Mannheim. „Ich hatte gehofft, dass mir diese Frage erspart bleibt.“ Aber Georg Müller ist Profi genug, um zu wissen, dass die Journalisten ihm diesen Wunsch auch kurz vor Weihnachten nicht erfüllen können. Der Vorstandsvorsitzende hat sie ja während der Bilanz-Pressekonferenz der Mannheimer MVV Energie am Donnerstag in Frankfurt selbst dazu ermuntert, weiter wie in den vergangenen Jahren für „Transparenz und Resonanz“ zu sorgen.
Und da gegenwärtig ganz Deutschland darüber spricht, dass die MVV 2035 ihr Gasnetz in Mannheim abschalten will, drängt sich eine Frage geradezu auf. Hat der Energiekonzern einen Fehler gemacht, denn in Mannheim fühlen sich diejenigen, die sich eine neue Gasheizung gekauft haben, wie im falschen Film?
Termin für Gas-Aus in Mannheim nicht in Stein gemeißelt
„Wir haben keinen Fehler gemacht, wir hätten das aber aktiver kommunizieren müssen“, sagt Müller und verweist auch auf ein Interview mit dieser Redaktion, in dem er angekündigt hatte, dass das Jahr 2035 als Stilllegungsdatum nicht in Stein gemeißelt sei.
Das wiederholt er auch während der Pressekonferenz. „Deshalb sprechen wir bewusst von ,anstreben’“, sagt Müller, der an anderer Stelle selbst betont, dass bei der grünen Wärmewende „bei privaten Eigentümern das Gefühl der Gängelung und Fremdbestimmung zunimmt“. Genau dieses Gefühl haben jetzt die Besitzer einer Gasheizung - vor allem, wenn sie sich erst vor kurzem eine angeschafft haben.
Das Rekordjahr 2023 lässt sich für die MVV nicht wiederholen
Müllers Strategie, den Leuten jetzt schon zu sagen, dass es in Mannheim im nächsten Jahrzehnt kein Gasnetz mehr geben soll, hat in gewisser Weise einen pädagogischen Hintergrund. Nicht nur er glaubt, dass Gas immer teurer und und damit auch die Gasheizung immer unrentabler wird. „Der letzte Besitzer müsste ja dann zum Beispiel alle Netzentgelte bezahlen, wenn alle anderen nicht mehr mit Gas heizen“, sagt Müller. Der MVV-Chef will den Menschen also erklären, dass sich eine Gasheizung weder für den Versorger noch den Kunden in den nächsten Jahren rechnen wird. Diese ökonomische Argumentation war „vielleicht eine Spur zu rational“, sagt Müller jetzt. Und Vertriebschef Ralf Klöpfer verspricht: „Wir wollen den Menschen helfen und bieten deshalb gesamte Lösungen an. Dazu gehören auch Finanzierungsvorschläge für 60-Jährige.“
Die MVV betont zwar, dass sie selbst das Gasnetz nicht abschalten kann, da müsste auch die Bundesnetzagentur mitspielen. Aber: „Die Stilllegung des Gasnetzes ist nicht beliebig verschiebbar“, sagt Müller und vertraut dabei auf die Macht des Faktischen. Auf Basis der kommunalen Wärmeplanung in Mannheim wird das Fernwärmenetz ausgebaut. Rund 10 000 zusätzliche Haushalte sollen ans Netz angeschlossen werden. Für die anderen bietet sich nach Müllers Einschätzung zum Beispiel eine Wärmepumpe an. „Und wenn die Zahl der Nutzer von Gasheizungen in Mannheim sinkt, wird sich womöglich sogar eine besondere Eigendynamik einstellen“, hofft Müller, dass sich am Ende eben doch die Vernunft durchsetzt.
Mit dieser Thematik muss sich aber in Zukunft sein Nachfolger Gabriël Clemens herumschlagen, der im April 2025 das Ruder bei der MVV übernimmt. „Das ist zwar meine letzte Bilanz-Pressekonferenz, aber für mich ist noch nicht die Zeit da, um Abschied zu nehmen, weil ich noch drei Monate mit voller Tatkraft arbeiten werde“, sagt Müller.
Salopp ausgedrückt, hinterlässt der scheidende Vorstandschef seinem Nachfolger eine gemähte Wiese. Der Gewinn im aufgelaufenen Geschäftsjahr beläuft sich auf 426 Millionen Euro. „2024 war ein sehr gutes Jahr“, sagt Müller und verweist darauf, dass das Mannheimer Unternehmen damit das zweitbeste Ergebnis seit dem Börsengang 1999 erwirtschaftet hat. Dass sich der Gewinn im Vergleich zum Rekordjahr 2023 - damals waren es 880 Millionen Euro - mehr als halbiert hat, heißt nicht, dass die MVV schwächelt.
Der Konzern hatte schon in seiner Prognose für 2024 klargestellt, dass sich der Rekord nicht wiederholen lässt. Der Grund: 2023 sorgten Einmaleffekte für erhebliche Mehrerlöse, dazu gehörten zum Beispiel Veräußerungsgewinne.
Stadt Mannheim kann eine hohe Dividende der MVV einplanen
Unbestritten ist aber, dass das Unternehmen in den vergangenen fünf Geschäftsjahren mit Blick auf den Gewinn in neue Dimensionen vorgestoßen ist. 2020 und 2021 verdiente das Unternehmen „nur“ 233 und 278 Millionen Euro, 2022 kletterte der Gewinn auf 353 Millionen Euro. Und auch das Geschäftsjahr 2025 könnte ähnlich stark wie 2024 laufen. Kratzt das Unternehmen dann schon bald an der 500-Millionen-Marke? „Das kann in drei bis vier Jahren schon der Fall sein, wir investieren ja nicht umsonst dreistellige Millionen-Beträge“, sagt Müller. Und die sollen sich natürlich auch lohnen.
Von den guten Geschäftszahlen der MVV profitieren auch die Aktionäre. Vorstand und Aufsichtsrat empfehlen der Hauptversammlung - Termin: 14. März 2025 in Mannheim - eine Erhöhung der Dividende um zehn Cent auf 1,25 Euro pro Aktie. Sollte die Hauptversammlung dem zustimmen - was in der Regel nur Formsache ist - werden 82 Millionen Euro an die Anteilseigner ausgeschüttet.
Die Stadt Mannheim würde davon rund 41 Millionen Euro bekommen, die die Kommune gut gebrauchen kann. Mannheims Oberbürgermeister Christian Specht (CDU) - er ist Aufsichtsratsvorsitzender bei der MVV - muss in seiner Doppelfunktion sowohl die Interessen der Kommune und des Unternehmens berücksichtigen. Die Debatte um die Stilllegung des Gasnetzes in Mannheim hat gezeigt, dass man da schnell zwischen allen Stühlen sitzen kann. Aber das ist wieder eine andere Geschichte.
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Bergsträßer Anzeiger Plus-Artikel Kommentar Die Mannheimer MVV muss die Menschen mitnehmen