Online-Lebensmittelhandel

Lieferdienste in Mannheim: Mannheimer mögen Bananen von Flaschenpost

Flink, Flaschenpost, Wolt und Uber Eats kämpfen um Marktanteile – und Gewerkschaften kämpfen um faire Arbeitsbedingungen für die Plattformökonomie. Was die Mannheimer am meisten bestellen

Von 
Stefanie Ball
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© cyano66/Istock

Mannheim. Statistiken fördern doch immer wieder interessante Fakten zutage. So kann der Lieferdienst Flaschenpost für Mannheim berichten, dass auf der Beliebtheitsliste ganz oben Mineralwasser, Bananen, Gurken und Frischmilch stehen. Konkurrent Uber Eats wiederum hat einen sogenannten Heavy User im Kundenstamm, der in den vergangenen 365 Tagen ganze 323 Bestellungen aufgegeben hat, alleine 93 davon gingen beim „Ristorante Milano“ ein. Die beliebtesten Gerichte in Mannheim: Chicken Burger vor Veggie Bowl und Döner Teller. Bestellt wird am häufigsten am Sonntag, und zwar zwischen 18 und 19 Uhr.

Flaschenpost, Lieferando, Wolt, Flink und Uber Eats: So funktionieren die Lieferdienste in Mannheim

Von den Fun Facts, den unterhaltsamen Fakten, zu den harten Fakten, denn der Markt der Online-Lieferdienste ist ein stark umkämpfter. Getir und Gorillas sind seit diesem Frühjahr Geschichte, bei Flaschenpost, Lieferando, Wolt, Flink und Uber Eats läuft es dagegen, so teilen die Unternehmen mit, gut.

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smz
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Wobei die Konzepte jeweils andere sind: Während Flink damit wirbt, dass die Kuriere mit ihren E-Fahrrädern in „wenigen Minuten“ bei Kundinnen und Kunden sind, kann es bei der Flaschenpost bis zu 120 Minuten dauern. Dafür bietet die Flaschenpost nach eigenen Angaben ein „vollständiges Supermarkt-Sortiment“ mit mehr als 5000 Artikeln, während es bei Flink 2500 Produkte sind.

Lieferando ist weniger ein Lieferdienst als eine Plattform, die Restaurants zur Vermittlung und Vermarktung nutzen. Aber auch Lebensmittel, Drogerieartikel und andere Alltagsprodukte wie Elektronik lassen sich dort mittlerweile bestellen, und das Angebot soll in Zukunft weiter ausgebaut werden. Auch Wolt ist letztlich eine Plattform, auf der Restaurants ihre Speisen anbieten. Gleichzeitig besteht eine Kooperation mit Flink, so dass das Warenangebot von Flink auch über die Wolt bestellbar ist.

Wer steckt hinter den Lieferdiensten? 

Gestartet sind die Lieferdienste als kleine Start-ups, an denen die Großen inzwischen zumindest Anteile haben: Rewe beispielsweise ist an Flink beteiligt und hat mit Finanzspritzen den Dienst mit am Laufen gehalten. Flaschenpost, 2012 gegründet, gehört seit 2020 zur Oetker-Gruppe, und Lieferando, seit 15 Jahren am Markt und damit der älteste Online-Lieferdienst in Deutschland, zum niederländischen Mutterkonzern Just Eat Takeaway.com.

Hinter Wolt wiederum steckt der US-amerikanische Essens- und Lebensmittellieferdienst Doordash. Der hatte zunächst versucht, selbst Fuß in Europa zu fassen, das Geschäft sollte von Stuttgart aus ausgerollt werden. Dann übernahm Doordash im Sommer 2022 den finnischen Lieferdienst Wolt.

Gewerkschaften kritisieren schlecht Arbeitsbedingungen bei Lieferdiensten

Den Gewerkschaften sind die Kurierdienste gleichwohl ein Dorn im Auge. Regelmäßig kritisieren sie schlechte Arbeitsbedingungen für die Rider und Runner. „Das ist eine massive Ausbeutung, an Gesetze halten sich die Lieferdienste wenn überhaupt nur zu 70 Prozent, gleichzeitig werden Betriebsräte bekämpft“, geht Mark Baumeister von der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten mit den Unternehmen hart ins Gericht.

Für Anwaltskosten würden Millionen Euro ausgegeben, um Mitarbeitervertretungen zu verhindern oder die Arbeit von Betriebsräten, wenn es sie denn gäbe, zu behindern. „Das Geld sollten sie besser in die Belegschaften investieren.“

Die Unternehmen halten dagegen. „Kuriere bei Wolt Deutschland sind fest angestellt, entweder bei Wolt direkt oder bei Partnerunternehmen, um den lokalen Bedarf abzudecken“, so eine Sprecherin. Gesetzliche Bestimmungen bezüglich Mindestlohn und Kündigungsschutz würden eingehalten, Arbeitsausrüstung werde zur Verfügung gestellt.

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Auch Lieferando verbürgt sich für seine Fahrerinnen und Fahrer – zehn Prozent der Lieferungen werden über den Lieferando-eigenen Kurierdienst abgewickelt. „Wir stellen alle direkt an, zahlen über Mindestlohn und sichern sie mit Urlaubsentgelt, einer Fortzahlung im Krankheitsfall sowie einer gestellten Ausrüstung und allen Rechten und Sicherheiten einer üblichen Anstellung ab“, so ein Sprecher.

Uber Eats wiederum verweist auf Gespräche mit Mitarbeitenden, für die der Kurier-Job der erste Job auf dem deutschen Arbeitsmarkt und aufgrund der niedrigschwelligen Anforderungen, etwa geringe Sprachkenntnisse und keine Notwendigkeit eines Führerscheins, gerade in der Anfangszeit attraktiv sei.

Ist ein Online-Lieferdienst ein nachhaltiges Geschäftsmodell? 

Immerhin, die EU hat neue Vorschriften zur Plattformökonomie erlassen. Die Regeln sollen es Menschen, die über digitale Arbeitsplattformen arbeiten, erleichtern, den Status eines Beschäftigungsverhältnisses und damit Zugang zu Sozialleistungen zu erlangen.

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Neben der Kritik an Arbeitsbedingungen bestehen Zweifel an der Nachhaltigkeit des Geschäftsmodells. „Hier wurde und wird viel Geld von Investoren verbrannt“, warnt Otto Strecker, geschäftsführender Gesellschafter der AFC Consulting Group in Bonn, die sich auf die Beratung in der Lebensmittelindustrie spezialisiert hat. Die Margen im Lebensmittelsektor seien gering, Gewinne ließen sich nur über große Mengen realisieren. Für große Mengen seien die Lager von Lieferdiensten wie Flink aber viel zu klein. „Das liegt auf der Hand, dass das nicht funktionieren kann“, so Strecker.

Auch die Logistik sieht der Experte kritisch und damit nicht kostendeckend. „Der Kurier bringt für eine Liefergebühr von rund zwei Euro Ware zum Kunden, fährt leer wieder zurück und belädt den Rucksack für den neuen Kunden, das wäre so, als würde der Postbote für jeden Brief zurück ins Depot gehen.“

Rewe und Edeka streiten um Marktführerschaft

Langfristige Chancen räumt Strecker nur den Großen ein: Rewe und Edeka. Rewe hat seinen eigenen Lieferdienst, Edeka ist an Picnic beteiligt, einem niederländischen Lebensmittellieferdienst, das mit kleinen Elektro-Vans in den Wohnvierteln unterwegs ist.

Zuletzt gab es Streit darüber, wer hier die Marktführerschaft hat. Laut Lebensmittelzeitung soll Edeka diese für sich reklamiert haben, Rewe sieht das anders und sich als die Nummer 1. Tatsache ist: Der Online-Handel wächst. Bei Rewe variiert das Wachstum je nach Standort und liegt dort zwischen zehn und zwanzig Prozent, wie eine Sprecherin mitteilt. Und Picnic beliefert laut Geschäftsbericht 2023 rund 800 000 Haushalte mit Lebensmitteln – 2022 waren es noch 500 000.

Freie Autorin

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