Mannheim. „Engpässe bei Arzneimitteln“ - „So abhängig sind wir“: Schlagzeilen wie diese kündeten während der Covid-Pandemie von der Debatte, bei Medikamentenwirkstoffen die Produktion nicht komplett Indien und China zu überlassen. Allerdings offenbart die Realität des hart umkämpften Marktes: Im Konkurrenzkampf mit Herstellern aus Billiglohnländern tun sich europäische Unternehmen schwer. Diese Erfahrung macht auch Gemini PharmaChem Mannheim, das zur Schweizer Synbias Pharma AG gehört und sich auf dem einstigen Werksareal des insolventen Traditionsunternehmens Weyl Chemie angesiedelt hat. Die große Herausforderung: Noch ist die Gewinnmarke nicht geknackt.
Das Werk in der Ukraine ist zerstört und siedelte nach Mannheim um
Branchenfremde dürften mit Produkten wie Doxorubicinhydrochlorid, Epirubicinhydrochlorid oder Anthrazyklin-Antibiotika wenig anfangen können. Dass diese zur Behandlung von Brustkrebs, soliden Tumoren im Kindesalter, Weichteilsarkomen und aggressiven Lymphomen eingesetzt werden, signalisiert die medizinische Bedeutung solcher Substanzen.
Gestartet ist das Pharma-Unternehmen 1996 mit einer Produktionsstätte in der Ukraine. Bewaffnete Konflikte, die 2014 in den Regionen Donezk und Luhansk ausbrachen, brachten jedoch für die seinerzeit 200-köpfige Belegschaft das jähe Ende samt Zerstörung der Anlagen.
Etwa zeitgleich erwarb die Synbias Pharma AG, nun mit Hauptsitz im schweizerischen Schaffhausen, das Areal der insolventen Weyl Chemie auf dem Mannheimer Waldhof. Sabine Corr, leitende Qualitätsmanagerin bei Gemini, betont, dass sich das Unternehmen für diesen Standort „wohlüberlegt“ entschieden hat - auch weil ehemalige Weyl-Mitarbeiter übernommen werden konnten. Außerdem, so berichtet sie, siedelten hochqualifizierte Männer und Frauen aus der Ukraine in die Quadratestadt um. „Die meisten stammen aus traditionsreichen Chemikerfamilien, was für Fachwissen und Engagement im Betrieb spricht.“
Gemini kämpfte mit langwierigen Genehmigungsverfahren
Der Aufbau der Produktionsstätte samt Forschung sollte sich als Herausforderung erweisen, insbesondere bei Genehmigungsverfahren. Die Komplexität gesetzlicher Vorgaben, so Corr, habe zu einer „unvorhergesehenen Verzögerung“ von vier Jahren geführt. Zeit und Geld steckte Gemini mit Blick auf die Umwelt in das geforderte „Null-Emissions-Konzept“.
Außerdem sollen geschlossene Transfersysteme, Spezialfilter in der Lüftungsanlage, Verwendung von Flüssigstickstoff in der Produktion zum Auffangen leicht flüchtiger Lösungsmitteldämpfe die Belastungen fürs Klima minimieren.
Gemini hat sich hohe Standards viel kosten lassen - macht aber die Erfahrung: „Qualität allein bringt keinen Wettbewerbsvorteil gegenüber den in Europa registrierten chinesischen und indischen Anbietern“. Die Sprecherin erklärt warum: Im Vergleich zur asiatischen Konkurrenz liegen in Deutschland sowohl die Anfangsinvestitionen „wesentlich höher“ als auch Kosten für Material, Personal, Qualitätssicherung, Abfallentsorgung und Energie.
Dazu komme, dass die Preise für produktionswichtige Rohstoffe bei jenen renommierten Unternehmen, die sich an Arzneimittel-Leitlinien für „Good Manufacturing Practice“ halten, deutlich gestiegen sind. Gemini könne aber nicht auf günstigere Lieferanten in Indien oder China ausweichen, da diese „eine geringere Qualität“ bieten. Insofern seien asiatische Mitbewerber billiger.
Die Produktionskapazität ist lediglich zur Hälfte ausgelastet
Die Folgen schlagen mit roten Zahlen zu Buche. Corr: „Es werden bislang keine Gewinne erwirtschaftet.“ Was auch damit zu tun habe, dass aufgrund des riesigen Zeitaufwandes im Vorfeld der Registrierung noch nicht gelungen sei, alle wichtigen Märkte zu beackern. Die Produktionskapazität ist derzeit lediglich zur Hälfte ausgelastet. Bei einer Umsatzsteigerung von 20 Prozent sieht Gemini eine reelle Chance, die Gewinnschwelle zu erreichen.
Aber dies bedürfe „sofortiger politischer Unterstützung“, auch seitens der der EU. Die Botschaft lautet: Wenn die Herstellung hochpotenter Substanzen für Arzneimittel wieder nach Europa beziehungsweise Deutschland zurückgeholt werden soll, müsse dies auch gezielt gefördert werden.
Hinter der Synbias Pharma AG und damit auch hinter GeminiChem Mannheim steht als Hauptaktionär „FPP Investment Management“, spezialisiert auf die Finanzierungsform mittels privatem Eigenkapital. Weil der Produktionsbetrieb derzeit noch vom „Private-Equity-Partner“ auf Geldspritzen angewiesen ist, sollen als Einnahmequelle ungenutzte Flächen des riesigen, 130 000 Quadratmeter großen Areals an der Sandhofer Straße - übrigens in Nachbarschaft des Pharmaunternehmens Roche Diagnostics - für weitere industrielle Entwicklungen verkauft werden.
Trotz Anlaufschwierigkeiten blickt man zuversichtlich in die Zukunft. Derzeit arbeitet Gemini mit mehr als 50 Beschäftigten an vier weiteren Medikamenten-Substanzen. Als Anbieter von Wirkstoffen für Anthrazyklin-Antibiotika hält die Gruppe auf dem Weltmarkt bereits einen Anteil von 30 bis 50 Prozent.
Jährlich werden rund 200 Kilogramm an Wirkstoffen in Mengen von 100 Gramm bis 15 Kilogramm in 21 Länder auf fünf Kontinenten geliefert. Wie zu hören ist, zählen auch führende internationale Pharmaunternehmen zu den Kunden - konkrete Namen will man aus Diskretionsgründen nicht nennen.
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