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Bei SAP wollen zu viele Beschäftigte gehen

Das Vorruhestand- und Freiwilligenprogramm des Walldorfer Softwarekonzerns SAP wird offensichtlich stärker nachgefragt als gedacht. Das wirft unangenehme Fragen auf

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Alexander Jungert
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Das SAP-Logo auf einem Firmengebäude in Walldorf. © Uwe Anspach/dpa

Walldorf. Anfang dieses Monats hatte ein SAP-Sprecher noch recht positiv geklungen. Man verzeichne „ein sehr hohes Interesse“ am Vorruhestand- und Freiwilligenprogramm, sagte er. Inzwischen allerdings sorgt die hohe Bewerberzahl mehr und mehr für Unruhe. Warum wollen so viele Beschäftigte SAP verlassen?

Laut Informationen des „Handelsblatts“ sollen sich in Deutschland 5300 der insgesamt rund 26.000 Mitarbeiter für die Programme gemeldet haben. 3200 davon zählen demnach zur Altersgruppe ab 55 - sie bekommen den Übergang zur Rente finanziell „versüßt“. Diese Beschäftigten dürfte SAP besonders im Blick gehabt haben.

Auch viele jüngere Beschäftigte wollen SAP verlassen

Brisant ist allerdings: Auch 2100 der jüngeren Kolleginnen und Kollegen wollen den Walldorfer Softwarekonzern mit einer Abfindung verlassen und, so ist anzunehmen, zu einem anderen Arbeitgeber wechseln. Das sind deutlich mehr als bei früheren vergleichbaren Programmen.

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Hohes Interesse an Vorruhestand- und Freiwilligenprogramm von SAP

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Alexander Jungert
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SAP hatte zu Jahresbeginn angekündigt, rund 8000 Jobs zu streichen. Damit will das Unternehmen Kosten einsparen und sich stärker auf Wachstumsfelder wie Künstliche Intelligenz (KI) konzentrieren. Bis Ende des ersten Quartals 2025 soll der Abbau abgeschlossen sein.

Bei SAP müssen beide Seiten einem Weggang zustimmen

Wer gehen darf oder bleiben muss, steht auf einem anderen Blatt. Denn: Für das Vorruhestands- und das Freiwilligenprogramm gilt der Grundsatz der doppelten Freiwilligkeit. Beide Parteien, also Arbeitgeber und Arbeitnehmer, müssen jeweils zustimmen. SAP wolle anhand „objektiver Kriterien“, die im Vorfeld mit dem Betriebsrat abgestimmt worden seien, entscheiden. So würden „Geschäftsrisiken“ durch den Verlust „kritischen Know-hows“ ausgeschlossen.

Auf einer Betriebsversammlung, so das „Handelsblatt“ weiter, habe das Management verkündet, dass es 99 Prozent der Anmeldungen für den Vorruhestand und immerhin 50 Prozent fürs Freiwilligenprogramm genehmigt. Damit würden in Deutschland wesentlich mehr Stellen wegfallen als angenommen. Ursprünglich war von rund 2600 die Rede. Der Konzern selbst nennt keine offiziellen Zahlen.

Europäischer Betriebsrat von SAP macht sich Sorgen

Das Szenario besorgt den Europäischen Betriebsrat. Dessen Vorsitzender Andreas Hahn wird im „Handelsblatt“ zitiert, er befürchte, „dass es bei den von den Weggängen betroffenen Teams zu einer Ausdünnung von wichtigen Skills und kritischem Wissen kommen wird“. Zudem könnte sich die Arbeit noch mehr verdichten.

Das Vorruhestand- und Freiwilligenprogramm gilt als attraktiv, die Abfindungen sind im Marktvergleich großzügig. Doch nicht nur die finanziellen Konditionen könnten ausschlaggebend dafür sein, dass sich so viele Beschäftigte vorstellen können, SAP freiwillig zu verlassen.

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Wie in Walldorf zu hören ist, gibt es auch Frust. Darüber etwa, dass Mitarbeiter künftig wieder häufiger ins Büro kommen sollen: mindestens an drei Tagen die Woche. Oder darüber, dass die vergangenen Gehaltsrunden unter der Inflation lagen. Oder darüber, dass ein neues Bewertungssystem geplant ist, um die Leistungskultur stärker zu fördern.

Ende 2024 soll jedenfalls die Zahl der Beschäftigten weltweit aufgrund von „Reinvestitionen in strategische Wachstumsbereiche“ - also etwa der Neueinstellung von Spezialisten für KI - etwa dem aktuellen Niveau entsprechen, also rund 107 600. Ob diese neuen Stellen in Deutschland entstehen, ist allerdings fraglich. Wahrscheinlicher sei außerhalb Europas, heißt es in Konzernkreisen - etwa am Standort Bangalore in Indien, wo ein neuer Campus entsteht.

Redaktion berichtet aus der regionalen Wirtschaft

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