Mannheim/Rhein-Neckar. Schlechte Nachrichten für alle, die gerne Restaurants besuchen: Seit 1. Januar gilt auf Speisen in der Gastronomie wieder der volle Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent. Ziemlich sicher werden alle oder einzelne Gerichte mehr kosten. Vielleicht gibt es auch weniger Auswahl. Und vielleicht hat das Lokal verkürzt geöffnet.
Das geht aus einer Umfrage des Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) Baden-Württemberg unter 780 Betrieben hervor. 88 Prozent wollen demnach mehr Geld verlangen. „Die Höhe der Preissteigerungen, die aufgrund der Steuererhöhung um zwölf Prozentpunkte sowie steigender Kosten in weiteren Bereichen wie Lebensmittel und Personal betriebswirtschaftlich erforderlich wären, geben die Umfrageteilnehmenden im Durchschnitt mit 13,8 Prozent an“, berichtet Tobias Zwiener vom Dehoga in Stuttgart. Die Studie zeigt außerdem: Knapp 72 Prozent der Restaurants wollen ihr Angebot „anpassen“ - also verkleinern. 34 Prozent planen eine Kürzung der Öffnungszeiten.
Die Ergebnisse der Umfrage
- In einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov lehnen 69 Prozent der Befragten die Steuererhöhung ab. Als Konsequenz wollen viele künftig seltener ins Restaurant gehen oder dort weniger ausgeben.
- 44 Prozent der Befragten geben an, ihr Verhalten mit Blick auf Restaurantbesuche ändern zu wollen.
- Gut zwei Drittel davon wollen seltener essen gehen, ein Viertel sogar ganz auf Restaurantbesuche verzichten.
Um die Gastronomie während der Corona-Pandemie zu entlasten, war der Steuersatz auch für Speisen in Restaurants und Cafés vorübergehend von 19 auf sieben Prozent gesenkt worden, während es bei Getränken bei 19 Prozent blieb. Danach wurde die Ausnahmeregelung wegen der Energiekrise mehrmals verlängert, zuletzt bis Ende 2023. Die Bundesregierung bezifferte die jährlichen Kosten auf rund 3,4 Milliarden Euro. Essen zum Mitnehmen, im Supermarkt und bei der Lieferung wird grundsätzlich mit sieben Prozent besteuert. Diese Ungleichbehandlung sorgt wiederholt für Diskussionen.
Vergleich mit anderen EU-Staaten
Ebenso bringt Gastronomen auf die Palme, dass laut Dehoga in mehr als 20 EU-Ländern ein reduzierter Mehrwertsteuersatz in Restaurants gilt, während Deutschland mit 19 Prozent nun wieder einen der höchsten Sätze hat. Jochen Dahm spricht dabei von „Wettbewerbsverzerrung“.
Dahm ist Geschäftsführer des Restaurants Lindbergh am Mannheimer City Airport. „Auch wir können die erhöhte Umsatzsteuer nicht vollständig übernehmen und haben daher alle Essenspreise erhöhen müssen“, sagt er. „Allerdings haben wir nur um sechs Prozent - mithin um die Hälfte der Steuersatzdifferenz - erhöht, damit wir auch weiterhin sehr moderate Preise haben.“ Inwieweit sich das auf die Nachfrage auswirken wird, kann Dahm noch nicht abschätzen. Das Schnitzel vom Münsterländer Landschwein mit Bratkartoffeln etwa kostete vorher 15,90 Euro, jetzt 16,80 Euro.
Bei der Steakhaus-Kette Blockhouse steigen die Preise nicht sofort, sondern erst ab Samstag, 13. Januar. Auch hier soll die Steuer nicht voll durchschlagen. „Wir geben die Erhöhung nur anteilig weiter“, sagt eine Sprecherin.
Interessant: Die Pizza-Kette L’Osteria mit Standorten in Mannheim und ab 9. Februar auch in Viernheim will die Preise im Februar erhöhen - und regional nach Kaufkraft staffeln. Nicht überall werde es deshalb teurer, so eine Sprecherin. „In den preissensibleren Regionen haben wir uns entschieden, je nach Gericht nur minimale oder gar keine Preiserhöhung vorzunehmen.“
Die Kette arbeitet mit drei Preisgruppen, welche je nach Kaufkraft der Region eingesetzt werden. Im unteren Preislevel liegen dabei Städte wie Bochum, im mittleren Level Städte wie Leipzig und im oberen Level Metropolen wie München.
Nach Angaben der Sprecherin befindet sich Mannheim im mittleren Level - „weshalb wir hier die Preise mancher Gerichte leicht erhöhen mussten - die Erhöhung bewegt sich dabei in einem Rahmen von 50 Cent bis einem Euro je nach Produkt“. Als Beispiel nennt sie die Pizza Margherita. In Mannheim liegt der Preis derzeit bei 9,95 Euro; ab Februar soll die Pizza 10,50 Euro kosten.
Pizza-Kette L’Osteria: Verlust erwartet
Grundsätzlich erwartet die Kette gravierende Folgen durch die Mehrwertsteuererhöhung: Sie bedeute „einen systemweiten Verlust in Höhe eines zweistelligen Millionenbetrags“, erklärt die Sprecherin. „Zudem nimmt der Margendruck nochmals deutlich zu, und wir müssen mit einem Rückgang der Gästezahlen rechnen.“
Lange hatte die Branche gehofft, die Vergünstigung auf Dauer behalten zu dürfen. Doch nach dem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts im November stellte die Bundesregierung klar: Es bleibt beim Auslaufen Ende 2023.
Während der Bundesverband der Systemgastronomie von einem „Worst-Case-Szenario“ spricht, das nun eingetreten sei, loben Ökonomen die Rückkehr zum alten Steuersatz. Nach dem Ende der Pandemie gebe es keinen Grund mehr, die Branche zu bevorzugen, sagt Oliver Holtemöller vom Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle. „Es ist nicht Aufgabe der Politik, dafür zu sorgen, dass mehr Menschen ins Restaurant gehen.“ Friedrich Heinemann vom Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim sieht die Vergünstigung auch sozialpolitisch als Problem. Denn von der Steuerermäßigung profitierten vor allem Besserverdienende, sagt er. „Wohlhabende gehen häufiger essen und profitieren daher überproportional. Das ist sozialpolitisch kontraproduktiv.“
Dehoga verbreitet trotzdem Zuversicht
Lindbergh-Chef Dahm aber macht sich Sorgen. Er zählt auf: erst die Mehrwertsteuererhöhung. Dann der gestiegene Mindestlohn, der die ohnehin schon hohen Personalkosten weiter nach oben treibt. Zudem hätten Lieferanten bereits Preiserhöhungen angekündigt - wieder einmal. „Unsere größte Angst besteht vor einer nicht endenden Preisspirale.“ Trotz angespannter Stimmung verbreitet der Dehoga Zuversicht. „Die Branche hat übers Jahr 2023 hinweg deutlich gespürt, wie wichtig den Menschen Geselligkeit und kulinarische Erlebnisse sind - trotz Inflation und Sparzwängen“, sagt Zwiener. „Wir hoffen also darauf, dass uns unsere Gäste auch 2024 die Treue halten.“ (mit dpa)
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