Mannheim. Vergangene Woche hat die Bundesregierung den Kohleausstieg beschlossen, nun hat die MVV Energie einen Teil der Antwort auf die dadurch entstehenden Fragen gegeben: Das Unternehmen hat am Montag offiziell das Müllheizkraftwerk auf der Friesenheimer Insel in Mannheim an das Fernwärmenetz angeschlossen.
Damit wird die Fernwärme für rund 120 000 Haushalte in Mannheim sowie für etwa 45 000 in Heidelberg, Schwetzingen, Brühl, Ketsch und Speyer nicht mehr komplett durch das Verbrennen von Steinkohle im Grosskraftwerk Mannheim (GKM) erzeugt. Bis zu einem Drittel des Jahresbedarfs wird nach MVV-Angaben nun durch das Verbrennen von Müll in der Anlage auf der Friesenheimer Insel produziert. Die dabei gewonnene Energie gilt als erneuerbar.
Biomassekraftwerk soll folgen
„Ab sofort wird die Fernwärme grün“, sagte deshalb der MVV-Vorstandsvorsitzende Georg Müller beim Festakt vor rund 250 Gästen. „Und sie wird es Schritt für Schritt immer mehr werden.“ Denn das benachbarte Biomassekraftwerk des Unternehmens solle bis 2024 ebenfalls an das Netz angebunden werden, erklärte der Aufsichtsratsvorsitzende der MVV, Mannheims Oberbürgermeister Peter Kurz. Damit könnten dann etwa 40 Prozent des Jahresbedarfs an Fernwärme aus erneuerbaren Energien gewonnen werden, rechnete MVV-Technik-Vorstand Hansjörg Roll vor.
Günstiger wird diese für die Verbraucher dadurch allerdings nicht, sagte Müller: „Man muss das eher als Versuch sehen, den zu erwartenden Anstieg der Preise zu dämpfen.“
Die nun vollzogene Anbindung des Müllheizkraftwerks hat die MVV etwa 60 Millionen Euro gekostet. Dafür wurden nicht nur eine Fernwärmezentrale und ein Pumpwerk gebaut, sondern auch eine zweieinhalb Kilometer lange Trasse bis zum Mercedes-Benz-Werk (siehe Grafik) und ein mehr als 400 Meter langer Tunnel unter dem Alt-Rhein hindurch.
Verzögerung bei Phosphor-Anlage
Für rund 40 Millionen Euro will die MVV auf der Friesenheimer Insel zudem eine Anlage bauen, in der Phosphor aufbereitet wird. Dieser entsteht beim Klären von Wasser und wird bisher entweder von der Landwirtschaft auf den Feldern ausgebracht oder in Kraftwerken mit verbrannt. Allerdings kann die Anlage nicht wie ursprünglich geplant noch in diesem Jahr, sondern frühestens 2023 eröffnet werden. Als Grund nannte ein MVV-Sprecher unter anderem, dass sich das Genehmigungsverfahren länger hinzog.
Die Anbindung des Müllheizkraftwerks ist dagegen nun abgeschlossen. Durch sie werden der MVV zufolge künftig jedes Jahr bis zu 100 000 Tonnen des klimaschädlichen Treibhausgases CO2 eingespart. Das entspreche dem Ausstoß von 1000 Autos, die jeweils 375 000 Kilometer fahren. „In den Sommermonaten wird die Region ausschließlich von der Friesenheimer Insel aus mit Fernwärme versorgt werden“, sagte Technik-Vorstand Roll. In der dortigen Anlage könnten nun 73 Prozent statt bislang 57 Prozent der eingesetzten Energie genutzt werden.
So zog auch der baden-württembergische Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) das Fazit: „Die Anbindung ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Das Projekt hat Vorbildcharakter.“
Angesichts des Kohleausstiegs ist es zudem notwendig. Denn das mittelfristig absehbare Ende der Kohleverstromung im GKM zwingt die MVV dazu, einen Alternativplan zu entwickeln. Dass dem Mannheimer Kraftwerk dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zufolge schon spätestens 2033 das Aus droht, während einige umweltschädlichere und ineffizientere Braunkohlekraftwerke bis 2038 laufen dürfen, kritisierte Untersteller: „Ich finde das unglaublich“, sagte er. „Das kann man nicht akzeptieren.“ Er kündigte an, sich dafür einzusetzen, dass das Kohleausstiegsgesetz nochmals verändert wird. „Wir sollten uns das nicht gefallen lassen.“
OB kritisiert Kohleausstiegsgesetz
Zuvor hatte bereits Mannheims Oberbürgermeister Kurz mit Blick auf den vergangene Woche vom Bundeskabinett gefassten Beschluss gefordert: „Hier muss noch etwas korrigiert werden.“ Auch weil sonst die Gefahr bestehe, „dass die Qualität der Umstellung vielleicht Verluste erleidet“. Schließlich blieben so für die Wärmewende ein paar Jahre weniger Zeit.
Auch MVV-Chef Müller kritisierte den eingebrachten Gesetzentwurf und sagte über das GKM, das der MVV zu 28 Prozent gehört: „Dass solche Kraftwerke diskriminiert werden, ist nicht akzeptabel.“
Die Christlich Demokratische Arbeitnehmerschaft (CDA) Mannheim bemängelte am Montag die Entscheidung der Bundesregierung ebenfalls.
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