Das Wichtigste in Kürze
- BASF-Betriebsratschef Horvat fordert nachhaltige Lösungen für das Stammwerk, auch wenn Stellen wegfallen. Und Investitionen, die auf die Zukunft einzahlen.
- Die Verhandlungen mit dem BASF-Management für eine neue Standortvereinbarung in Ludwigshafen sind hart.
- Horvat ist dennoch überzeugt, dass rechtzeitig zum Jahresende eine Eingung zur Standortvereinbarung gelingt.
Ludwigshafen. Herr Horvat, jedes Mal, wenn wir uns zum Interview treffen, geht es um Stellenabbau, drohende Anlagenschließungen und Sparprogramme für Ludwigshafen. Fühlen Sie sich manchmal wie der Hauptdarsteller in dem Film „Und täglich grüßt das Murmeltier?“
Sinischa Horvat: Nein. Wir sind ja schon ein Stück weitergekommen mit dem aktuellen Kostensparprogramm. In den vergangenen Monaten ging es vor allem um Prozesse und darum, wie sich die BASF besser am Markt aufstellt. Da wurde schon ein riesiges Einsparvolumen gehoben. Und jetzt geht es darum, mit uns als Betriebsrat darüber zu reden, wo beim Personal eingespart werden soll. Da sind wir noch lange nicht durch.
Das heißt, in den kommenden Monaten geht es für Sie ans Eingemachte? Der Standort Ludwigshafen ist nicht profitabel, soll eine Milliarde Euro einsparen. Es steht ja der Abbau tausender Stellen im Raum. Und 20 Prozent der Anlagen im Werk gelten als nicht wettbewerbsfähig.
Horvat: Wir werden uns die Ideen des Unternehmens im Wirtschaftsausschuss ganz genau anschauen und kritisch bewerten. Unser Maßstab dabei ist: Bringen uns die Veränderungen als Unternehmen nachhaltig weiter? Oder ist es nur ein kurzfristiges Spar-Strohfeuer? Wenn eine Stelle wegfällt, muss auch die Arbeit wegfallen – das ist ganz klar unsere rote Linie. Am Ende des Tages müssen wir die Menschen schützen, vor Überbelastungssituationen, vor steigenden Krankenständen und psychischem Druck, wenn sich die Arbeit massiv verdichtet.
Ist es nicht gerade besonders belastend, dass noch so unklar ist, was an schlechten Nachrichten kommen könnte?
Horvat: Ich will es mal so sagen: Im Moment fühle ich mich in einer Situation mit vielen Herausforderungen, die wir in der Vergangenheit so noch nicht gehabt haben in dieser Masse. Die hohen Energiepreise, die drohenden Zölle, neue Akteure in der Weltpolitik, Kriege und Krisen. Auf der anderen Seite sehe ich auch, dass die neue Bundesregierung und die EU-Kommission gerade sehr intensiv an großen Initiativen arbeiten, die mir Hoffnung machen.
Zum Beispiel?
Horvat: Zum Beispiel, dass in Deutschland Investitionspakete auf den Weg gebracht werden, die uns wieder wettbewerbsfähiger machen. Und dass die EU-Kommission mit dem Industrial Green Deal daran arbeitet, die Klimaziele mit besseren Rahmenbedingungen in der Industrie zu verbinden. Es bringt keinem was, wenn wir die Klimaziele erreichen, die Industrie in Europa aber abschaffen. Das hat man massiv erkannt. Jetzt muss die Wirtschaft aufhören zu jammern und endlich auch liefern. Also mit Pionierarbeit, Innovationen und Unternehmergeist vorneweggehen.
BASF-Vorstandschef Markus Kamieth, seit gut einem Jahr im Amt, scheint das schon zu beherzigen. Es fällt auf, wie sehr er sich bemüht, Zuversicht zu verbreiten, anstatt wie sein Vorgänger Martin Brudermüller über die hohen Energiepreise zu klagen. Sind Sie sich da mit ihm einig?
Horvat: Das muss man aus der Rolle, aus der Situation heraus sehen. Brudermüller musste die Probleme des Green Deal für die Wirtschaft bei der EU adressieren und sich mit den Energiepreisen beschäftigen, die als Folge des Ukraine-Kriegs durch die Decke gingen. Dazu kam ein Wettbewerb, etwa in den USA, der ganz anders gefördert und unterstützt wurde. Genau diese Rahmenbedingungen haben sich verändert, in der Politik ist wieder viel mehr Pragmatismus eingezogen. Das findet natürlich auch ein BASF-Chef Kamieth gut. Seine Rolle ist jetzt eine ganz andere. Und am Ende des Tages muss ich als Unternehmen auch weitermachen, Rahmenbedingungen hin oder her.
Sehen Sie denn auch für den BASF-Standort Ludwigshafen Licht am Ende des Tunnels?
Horvat: Meine persönliche Einschätzung ist, dass noch viel zu viele Kapazitäten auf dem Chemiemarkt sind. Die Auslastung hier hat sich verbessert, aber die Fixkosten sind noch immer zu hoch. Wir müssen uns gegenüber dem europäischen Wettbewerb besser aufstellen. Jeder versucht gerade, Kosten rauszunehmen. Dass das ein Thema für uns ist, sehen wir als Betriebsrat auch. Aber da muss es eben um nachhaltige Lösungen gehen. Sonst akzeptiert das die Belegschaft nicht.
Sie verhandeln nicht nur über ein Kostensparprogramm, sondern auch die neue Standortvereinbarung für Ludwigshafen. Für die Belegschaft steht viel auf dem Spiel. Wie groß ist der Druck auf Sie?
Horvat: Wir haben gerade viele, viele Verhandlungen. Neben der Standortvereinbarung führen wir zum Beispiel auch gerade die Überleitungsverhandlungen für die Kollegen und Kolleginnen in der Agro-Sparte. Wir besprechen Einzelmaßnahmen fürs Sparprogramm. Wir besprechen das ganze Thema KI, was es am Arbeitsplatz verändert. Dazu kommen neue Kommissionen, die im Zwei-Wochen-Rhythmus tagen. Das bindet uns Betriebsräte in so vielen Verhandlungssituationen, wie wir das noch nie gehabt haben. Wir haben kaum noch Zeit, ins Werk zu gehen, mit einzelnen Mitarbeitern zu reden, zu beraten, zu informieren. Das ist sehr schwierig für uns, denn die Kollegen haben natürlich gerade jetzt viele Fragen. Ich bin hier seit 23 Jahren Betriebsrat. Ich habe das in der Parallelität und Intensität von Themen noch nie so erlebt.
Klingt nicht nach einer guten Work-Life-Balance für den Betriebsratschef.
Horvat: Die gibt es gerade nicht. Seit einem Jahr fahre ich mit dem Fahrrad zur Arbeit und zurück, auch im Winter bei Minusgraden. Das sind 13 Kilometer von Maxdorf. Dabei bekomme ich den Kopf frei und habe abends noch Zeit für meine Familie, anstatt ins Fitnessstudio oder in den Sportverein zu gehen. Das ist meine einzige Work-Life-Balance zurzeit.
Sinischa Horvat
Sinischa Horvat (geb. 1976) ist seit 2016 Vorsitzender des Betriebsrats des Werks Ludwigshafen der BASF SE, des BASF Europa Betriebsrats sowie des Konzernbetriebsrats.
Im kommenden Jahr, bei den nächsten Betriebsratswahlen, will er wieder antreten. Im BASF-Betriebsrat engagiert er sich seit 2002.
Er ist stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrats der BASF SE.
Horvat begann 1993 als Auszubildender für Prozessleitelektronik bei BASF. Zudem studierte er Betriebswirtschaft .
Er ist verheiratet und hat zwei Kinder.
Horvat hält sich mit Fahrradfahren fit. Obwohl in der Südwestpfalz aufgewachsen, ist Horvat kein Fan des 1. FC Kaiserslautern, sondern des 1. FC Köln.
Wie ist die Stimmung in der Belegschaft?
Horvat: Die Belegschaft nimmt auch wahr, dass sich die Rahmenbedingungen verbessert haben. Auf der anderen Seite gibt es viele Strukturmaßnahmen, die erst in den kommenden Jahren, nach 2025, greifen. Dann läuft die aktuelle Standortvereinbarung aus, die vor betriebsbedingten Kündigungen schützt. Da kommen viele Betroffene auf uns zu und wollen wissen, wie es danach weitergeht. Deshalb spüren wir schon einen gewissen Zeitdruck bei den aktuellen Verhandlungen für die neue Vereinbarung. Richtig intensiv sind wir erst seit zwei, drei Monaten im Gespräch.
Der Vorstand will, dass Ludwigshafen schlanker wird, pocht auf sein Zielbild. Glauben Sie, dass Sie noch rechtzeitig zu einer Einigung kommen, bevor die alte Vereinbarung ausläuft?
Horvat : Davon gehe ich aus. Wir sind es der Firma und der Belegschaft schuldig, eine gute Antwort darauf zu haben, wie es hier weitergeht. Die Menschen müssen endlich wieder den Kopf frei haben. Das hat die Standortvereinbarung in den vergangenen 20 Jahren ermöglicht. Die Mitarbeiter wussten bei jeder Strukturmaßnahme, dass es für sie an einem anderen Arbeitsplatz weitergeht, selbst wenn sie ihre aktuelle Stelle verlieren. Schauen Sie sich andere Unternehmen an, die solche Vereinbarungen nicht haben. Da dauern Umstrukturierungen zwei bis drei Mal so lange.
Wie ist die Atmosphäre? Geht es am Verhandlungstisch härter zu als früher?
Horvat: Es ist genau so hart wie immer. Und unsere Forderungen sind die gleichen: Schutz vor betriebsbedingten Kündigungen, Investitionen am Standort und eine Laufzeit für fünf Jahre.
Die BASF schickt rund 300 Mitarbeiter im Bereich Digitales in eine Service-Tochter des Konzerns, sie sollen 2026 zur BASF Digital Solutions GmbH in Ludwigshafen wechseln. Wie schätzen Sie das ein?
Horvat: Das ist nur eine Verschiebung. Das nimmt Komplexität, keine Kosten raus. Aber auch dafür müssen wir eine Überleitungsvereinbarung verhandeln. Das bindet wieder Ressourcen beim Betriebsrat – und für die Kollegen steckt viel Emotion, ein Abschied drin.
Die Agro-Sparte soll an die Börse gehen, weil sie nicht mehr zum Kerngeschäft gehört. Das Geschäft mit Lacken und Farben soll verkauft werden. Wie wirkt sich das auf Ludwigshafen aus?
Horvat: Der Verkauf des Lacke- und Farben-Geschäfts betrifft uns bei BASF SE nur zu einem kleinen Teil. Bei Agro sieht das anders aus, hier sitzt ja die Zentrale.
Während Sie um die künftigen Investitionen für Ludwighafen kämpfen, wird der neue Verbundstandort im chinesischen Zhanjiang fertiggebaut. Feiern Sie mit bei der Einweihung?
Horvat: Für mich war immer klar: Der neue Standort ist für uns keine Konkurrenz. Es werden keine Produkte von dort hierher geschippert. In China wird für den chinesischen Markt produziert.
Bei den Investitionen gibt es aber schon eine Konkurrenz. BASF hat zehn Milliarden Euro in Zhanjiang gesteckt und will danach bei den Investitionen deutlich runter. Das wirkt sich doch auch auf Ludwigshafen aus?
Horvat: Sie müssen doch mal schauen, was wir in der noch laufenden Standortvereinbarung an Investitionen für Ludwigshafen festgelegt hatten. Das sind 1 bis 1, 5 Milliarden Euro im Jahr! Die Frage ist, wo die künftig reingehen: Wir werden viel Geld für die Modernisierung von Anlagen brauchen, wir haben hier schließlich den ältesten Standort von allen. Die Transformation wird einiges kosten, auch die Infrastruktur, etwa die Stromanbindung als Gasersatz. Damit würde der Standort massiv gestärkt. Es wurde ja auch jetzt in einige neue Anlagen investiert. Nur richtig große Anlagen wurden schon lange nicht mehr hier gebaut. Wir werden darum kämpfen, die Anlagen zur Herstellung nachhaltiger Produkte hierher zu bekommen.
Es gibt schon einige größere aktuelle Investitionen am Standort – über die freut sich ein Betriebsrat?
Horvat: Ja klar! Dass ein Gefahrenabwehrzentrum jetzt neu gebaut wird, mit einer kompletten neuen Feuerwehr und Umweltüberwachung, oder eine neue Schwefelsäureanlage – das zahlt auf den Bestand dieses Standortes ein, das sind Zukunftsinvestitionen, die nicht vom Himmel fallen.
Wenn wir uns nächstes Jahr wieder zum Interview treffen, was wäre Ihr Wunsch – worüber sollen wir dann sprechen?
Horvat: Wie die guten Rahmenbedingungen, die EU-Kommission und Bundesregierung auf den Weg gebracht haben, uns gestärkt haben. Dass wir eine neue Standortvereinbarung haben und uns alle miteinander auf den Wettbewerb konzentrieren können. Vorausgesetzt, ich werde bei den Betriebsratswahlen im kommenden März wiedergewählt.
Sie wollen wieder Betriebsratsvorsitzender werden?
Horvat: Ja, auch wenn ich noch gar keine Zeit hatte, mich mit der Wahl zu beschäftigen.
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