Seit Monaten sind uns Bensheimer Bürgern der Zugang und die regelmäßige Nutzung unserer Stadtbibliothek verwehrt. Als Grund dafür wurde zunächst ein Wasserschaden in einer Wohnung über der Bibliothek genannt.
Daraufhin wurde uns die Schließung mit notwendigen Messungen über gesundheitsgefährdende Belastungen der Räume erklärt. Nachdem diese offenbar keine nennenswerte Gefährdungen zeigten, die nicht mit regelmäßiger (Stoß-)Lüftung beseitigt werden könnten, sind nun plötzlich Mängel beim Brandschutz entdeckt worden, die eine weitere Schließung des Hauses bis Ende November angeblich unabdingbar machen.
Gerne wird in Bensheim geprüft, abgewogen und sondiert. Dagegen ist grundsätzlich auch nichts zu sagen. Warum dies in unserem Verwaltungsdschungel nicht nur Wochen, sondern in der Regel Monate, manchmal sogar auch Jahre dauern muss, kann kein normaler Mensch mehr nachvollziehen.
Auch sozialer Treffpunkt
Während der Deutsche Bibliotheksverband die bundesweite Öffnung von Bibliotheken auch an Sonn- und Feiertagen fordert, sind wir in Bensheim noch nicht einmal imstande, dies an allen Werktagen zu gewährleisten. In Städten wie Düsseldorf Siegburg, Leipzig ist dies bereits gang und gäbe.
Kinder und Jugendliche aus sozial schwachen Familien, aber auch Alleinerziehende und Berufstätige trifft das alles besonders hart, weil unsere öffentliche Bibliothek für sie nicht nur ein Ort der Suche nach Informationen, der Vor- und Nachbereitung schulischer Inhalte und der notwendigen Ruhe zum konzentrierten Arbeiten bedeutet, sondern auch als sozialer Treffpunkt mit Freunden und Gleichgesinnten einen unschätzbaren Ankerpunkt in einer auseinanderdriftenden Gesellschaft darstellt. Das ständige Gejammer über Personal- und Fachkräftemangel, aber auch die permanenten „Wir-sind-am Limit-Klagen“ können nicht verdecken, dass es unseren sogenannten Führungskräften in der Politik an verantwortungsvollem, vorausschauendem Denken mangelt. Wer von der zunehmenden Verrentung der Babyboomer-Generation überrascht wurde, dokumentiert für alle anschaulich, wie wenig man dazu in der Lage ist, über den Tellerrand oder über die nächsten Wahltermine hinaus zu denken und daraus die notwendigen Schlussfolgerungen zum Beispiel in Sachen Aus- und Weiterbildung zukünftiger Spezialisten zu ziehen.
Bensheimer (Schleich)-Weg
Leider zieht sich dieses Ausblenden von sich abzeichnenden Entwicklungen, sowie die mangelnde Entscheidungs- und Kompromissbereitschaft bei möglich erscheinenden Lösungen wie ein roter Faden durch die Bensheimer Kommunalpolitik. Vom Neumarkt-Center über das Hoffart-Gelände bis zum Bensheimer Marktplatz wird uns über Jahr(zehnte) durch den Bensheimer (Schleich-)Weg gezeigt, wie man es möglichst nicht machen sollte.
Wer sich angesichts dieses andauernden Desasters noch über Demokratie- und Politikverdrossenheit wundert, muss wohl tatsächlich im Elfenbeinturm leben und für die grundlegendsten Bedürfnisse der Bürger keinerlei Einfühlungsvermögen mehr besitzen.
Wer zählt noch die ganzen Umzüge, die diese Bücherei in den vergangenen Jahren absolviert hat? Haus am Markt – ehemaliges Postgebäude – Alte Faktorei – Neumarkt-Center. Was das alles den Steuerzahler gekostet hat, will man eigentlich schon gar nicht mehr wissen.
Weiß man doch ohnehin – wenn man sich einmal im Jahr das Schwarzbuch vom Bund der Steuerzahler zuschicken lässt – wie „sorgsam“ Politiker mit unseren Steuergeldern umzugehen verstehen. „Weiter so!“, warb vor einigen Jahren eine christliche Partei und meinte dies leider nicht ironisch.
Die fetten Jahre sind vorbei! Es wird langsam Zeit, sich vom stoischen Verwalten abzuwenden und mit dem kreativen Gestalten anzufangen.
Dieter Riedel
Bensheim