Energiepolitik Grundrechenarten korrekt anwenden

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Leserforum „Die dümmste Energiepolitik der Welt“, BA vom 14. Oktober

Eine Klarstellung zum Leserbrief „Dümmste Energiepolitik der Welt“. Wie schon des Öfteren fühle ich mich genötigt, auf polemische und unwahre Leserbriefe zu antworten und diese ins richtige Licht zu rücken. Der Schreiber behauptet, es seien 9000 Windkraftanlagen (kurz WKA) mit Kosten von 45 Milliarden Euro notwendig, um die letzten drei abgeschalteten AKW in Deutschland zu kompensieren.

Stimmt das? Ein Blick in das Portal Energy-Charts.Info vom Fraunhoferinstitut zeigt, dass im Jahr 2022 von Onshore-WKA insgesamt 98,2 Terawattstunden Energie geliefert wurden. Die installierte WKA-Leistung betrug im Jahr 2022 59,7 Gigawatt.

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Dividiert man diese Zahlen, so erhält man eine Jahresausbeute von 1645 MWh pro MW installierter Leistung im Durchschnitt über alle WKA in Deutschland.

Die drei angesprochenen AKW (Emsland A, Isar 2 und Neckarwestheim 2) lieferten in Summe 32,3 Terawattstunden Energie im Jahr 2022 (Quelle: energy-Charts.Info).

Wie viel neue WKA-Leistung muss also installiert werden, um dies zu kompensieren? Erneut bedient man sich der Division (32.3 TWh geteilt durch 1645 MWh pro MW) und erhält 6244 MW Leistung der neu zu bauenden WKA. Eine in 2022 installierte moderne WKA liegt bei durchschnittlich 4.3 MW Leistung. Daraus folgt eine Anzahl von 1452 WKA, um die drei verbliebenen AKW zu ersetzten, und eben nicht 9000.

Und die Kosten?

Bei einem Preis von ca. 1 Millionen Euro pro MW installierter WKA-Leistung erhält man 6,422 Milliarden Euro und eben nicht 45 Milliarden.

Und was kostet in Europa ein neues AKW denn so? Es sind gerade 2 im Bau (in Flamanville in Frankreich und in Olkiluoto in Finnland). Die Kosten in Flamanville belaufen sich mittlerweile auf 13,2 Milliarden Euro und durch die enorme Bauverzögerung kommen noch 5 Milliarden Euro an Finanzierungskosten hinzu. In Finnland sieht es nicht besser aus. Energieexperte sind sich sicher, dass diese beiden AKW niemals annähernd rentabel laufen werden (wenn sie denn mal laufen).

Klimaneutral sind sie im übrigen auch nicht, das Uran wird aufwändig unter fragwürdigen Arbeitsbedingungen abgebaut.

Und die Sicherheit, die der Schreiber anspricht? Ja, Deutschland galt als das sicherste Betreiberland von Kernenergie bis zum endgültigen Ausstieg, aber Platz 1 hatte auch einmal Japan inne, nämlich bis 2011.

In einem laufenden Reaktor der Biblis-Größe ist kurz vor dem Brennelementewechsel so viel Radioaktivität kumuliert, wie es 1500 Hiroshimabomben entspricht.

Genau deshalb leben in Hiroshima wieder Menschen und in Tschernobyl und Fukushima nicht. Wenn in Mitteleuropa ein Super-Gau passiert, dann ziehen Millionen Menschen um.

Fazit: AKW sind hochriskant, sehr teuer, und machen nebenbei auch noch erpressbar (siehe Saporischschja). Hingegen sind WKA nachweislich preisgünstig, harmlos und das erwirtschaftete Geld bleibt (im Unterschied zu Uran, Öl, Gas und Kohle) sogar im eigenen Land.

In Deutschland wurden im Jahr 2023 bisher 59 prozent der elektrischen Energie erneuerbar erzeugt, ganz ohne Strahlenmüll.

Die junge Generation, die auf dem geliehenen Planet noch etwas länger leben will, hat übrigens überraschend wenig Ressentiments gegenüber der Windkraft. Weltweit wurde im Jahr 2022 1,5 Billionen Dollar in die Erneuerbaren investiert, aber nur ein Bruchteil dessen dagegen in Kernkraft. Deutschland ist nicht der energiepolitische Geisterfahrer, wie es immer dargestellt wird. Ist die Nutzung von Windkraft also wirklich so dumm? Es ist das genaue Gegenteil von dumm.

Christian Raab

Bensheim