Das letzte „Major Tom“ des Abends war gerade zu Ende gesungen, als Julian Nagelsmann in den ersten Fernsehinterviews auf dem Rasen noch die süßen Reste der fantastischen Stimmung in der Stuttgarter EM-Arena auskosten konnte. „Ich habe es mir nie vorstellen können, wie es ist als Nationaltrainer - das ist schon etwas Besonderes. Viele Menschen, die sonst nicht so Fußballfans sind, sind jetzt mit dabei. Das macht schon was mit einem, das bewegt einen“, sagte Nagelsmann.
Das 2:0 gegen Ungarn, verbunden mit der vorzeitigen Qualifikation für das Achtelfinale der Heim-EM, hat die letzten Zweifel in der Republik an dieser DFB-Elf beseitigt. Es fehlte diesmal die große Leichtigkeit vom 5:1 zum Auftakt gegen ein schwaches Schottland.
Aber gerade der Umstand, dass die deutsche Auswahl erstmals in diesem Turnier auf ernsthafte Gegenwehr traf - und diese Widerstände letztlich überwand - stellte Nagelsmann in seiner Analyse als enorm wichtig heraus. „So ein Spiel muss man erst mal gewinnen. Und das zeigt einen guten Reifeprozess. In meiner bisherigen Amtszeit sind wir auch schon mal eingebrochen. Heute hat die Mannschaft nicht immer geglänzt, aber du musst so ein Spiel auch mal bearbeiten“, so der Bundestrainer.
Kroos warnt vor schwierigen Momenten in der K.o.-Phase
Die Ungarn ärgerten die DFB-Elf mit einer defensiven Marschroute, die sie auch nach Jamal Musialas 1:0 (22.) nicht veränderten. Und bei ihren vereinzelten Vorstößen in die gegnerische Hälfte ging gerade von Standardsituationen eine immense Gefahr aus. Nur dank eines Manuel Neuer in Topform gelang der deutschen Auswahl der erste Turniersieg ohne Gegentor seit acht Jahren - damals ein 3:0 im EM-Achtelfinale 2016 gegen die Slowakei.
„Ab der K.o.-Runde werden diese schwierigen Momente häufig da sein. Gegen diese starken Gegner kann es immer passieren, dass man in Rückstand gerät. Wir werden hier nicht sieben Spiele von vorne wegspielen“, so Toni Kroos, der sich froh über die wiederentdeckte Widerstandsfähigkeit zeigte. Eine Eigenschaft übrigens, die deutsche Teams vor dem Siechtum der vergangenen Jahre immer ausgezeichnet hat. Stichwort Turniermannschaft.
Geht es im Achtelfinale nach Dortmund oder Berlin?
Die Ausgangslage vor dem finalen Gruppenspiel am Sonntag (21 Uhr) in Frankfurt gegen die Schweiz gestaltet sich nun sehr einfach. Nach dem 1:1 der Eidgenossen gegen Schottland reicht der DFB-Elf schon ein Unentschieden, um die Vorrunde als Erster zu beenden - Dortmund, Stuttgart und München hießen dann die weiteren Etappen auf dem Weg zum Sehnsuchtsort Berlin, wo am 14. Juli das EM-Finale ausgetragen wird.
„In allererster Linie hat es eine Wirkung nach innen und außen, ob du Erster oder Zweiter wirst“, meinte Nagelsmann. Aber es gibt auch ganz praktische Gründe, besser den Weg über den Gruppensieg zu nehmen. Denn als Zweiter träfen die Deutschen am 29. Juni in Berlin auf den Zweiten der Gruppe B - und das könnten Spanien oder Italien sein. Alte Angstgegner.
Unterstützung von den Rängen wird immer besser - auch in Frankfurt?
Als Erster müsste sich die DFB-Elf mit dem Zweiten der Gruppe C um Favorit England messen - wahrscheinlich wäre dann ein Duell mit Dänemark, Slowenien oder Serbien. „Es könnte sein, dass der Achtelfinalgegner bei einem Gruppensieg nicht der Riesenbrocken ist, wobei man da gewisse Dinge auch nicht beeinflussen kann“, erklärte Nagelsmann.
Zunächst aber steht noch das Spiel gegen die Schweiz an - auf dem Papier der stärkste Gruppengegner. Abseits aller Achtelfinal-Rechnungen dürften die deutschen Fans in der emotionalen Fußballstadt Frankfurt genau da weitermachen, wo die Anhänger in Stuttgart aufgehört haben.
Mit einer Unterstützung, wie es sie in Deutschland seit der Ära rund um den WM-Triumph 2014 nicht mehr gegeben hat. „Es ist schön, zu sehen, dass die Nationalmannschaft immer noch in der Lage ist, das Land anzuzünden“, sagte Kroos. Aus diesem Funken soll in den nächsten Wochen ein Flächenbrand der Euphorie werden.
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