Kasper Schmeichel verspürte keine Eile. Aufreizend langsam ging der dänische Torhüter von einem Bierbecher zum nächsten und beförderte diese hinter die Torlinie. Kaum hatte er seinen Strafraum gesäubert, landete das nächste Behältnis aus dem serbischen Fanblock hinter Schmeichel auf dem Rasen. Beinahe eine Minute dauerte dieses Schauspiel. Es zeigte, wie sich die Dänen unter die letzten 16 Mannschaften dieser EM gemogelt haben. Nicht durch traumhafte Kombinationen oder ideenreichen Offensivfußball, sondern durch Ruhe und Organisation.
Beim torlosen Unentschieden gegen Serbien ordnete Trainer Kasper Hjulmand dem Erreichen der K.o.-Runde alles unter und scheute das letzte Risiko. Schon in den Spielen zuvor gegen Slowenien und England - jeweils 1:1 - ergaben sich die Spieler taktischen Zwängen.
Dänemarks Trainer Hjulmand hält Sieg gegen Deutschland für möglich
Der 52 Jahre alte Hjulmand wollte sich daran nicht stören. Bei einem mitternächtlichen Mahl, das er auf dem Weg zum Mannschaftsbus in Pappschalen in seinen Händen hielt, wird sich der Trainer erste Gedanken über das bevorstehende Achtelfinale gemacht haben. Dass eine Steigerung nötig ist, wusste der ehemalige Coach von Mainz 05. Aber Hjulmand wirkte im Bauch der Münchner Arena diesbezüglich auch durchaus zuversichtlich.
Geradezu provoziert fühlte er sich von einer entsprechenden Frage eines deutschen Journalisten. „Chancenlos? Im Fußball? Natürlich haben wir eine Chance“, betonte Hjulmand.
Deutschland sei klarer Favorit, „aber wir haben große Spiele gegen große Gegner gespielt“. Was der Trainer damit meinte: In der Nations League haben die Dänen zweimal nacheinander Frankreich bezwungen. Im EM-Halbfinale 2021 unterlagen sie den Engländern erst nach einem Tor von Harry Kane in der Verlängerung.
Dänische Helden von 1992 sollen sich mit Burger vorbereitet haben
Vor dem Achtelfinalduell in Dortmund am Samstag (21 Uhr/live im ZDF und bei MagentaTV) lässt sich ein Aspekt der deutsch-dänischen Vergangenheit aber nicht ausklammern: EM-Endspiel 1992. 2:0 für Dänemark. Der Begriff „Danish Dynamite“ war geboren.
Erst zehn Tage vor Turnierbeginn waren die Skandinavier für Jugoslawien nachgerückt, am Ende düpierten sie den amtierenden Weltmeister. Zur Mär gehört, dass der Trainer die Mannschaft vor dem Halbfinale zum Burger-Essen einlud.
Für solch normfernes Verhalten scheint Hjulmand nicht zu haben zu sein. Statt mit Explosivem zu experimentieren, dürften die Dänen wie in den Spielen zuvor den Sicherheitsgedanken in den Mittelpunkt stellen.
Nicht zufällig lobte der in der Bundesliga bei RB Leipzig aktive Angreifer Yussuf Poulsen nach der Serbien-Partie das Abwehrverhalten seiner Mannschaft. „Wir haben sehr gut verteidigt - und das war am Ende die Grundlage für das Weiterkommen.“
Holt sich Torwart Schmeichel Rat bei seinem Vater vor EM-Duell gegen Deutschland?
Ganz allgemein verfügen die Dänen über eine gute Statik in ihrem Spiel. Die Mannschaftsteile wirken austariert. Vor Torwart Kasper Schmeichel (RSC Anderlecht) verteidigt eine Dreierkette mit Joachim Andersen (Crystal Palace), dem Ex-Profi der TSG Hoffenheim, Jannik Vestergaard (Leicester City), und Andreas Christensen (FC Barcelona). Im Mittelfeld ziehen der von Borussia Dortmund und Bayern München umworbene Pierre-Emile Höjbjerg (Tottenham Hotspur) sowie Christian Eriksen (Manchester United) die Fäden und im Angriff ruhen die Hoffnungen auf dem 70-Millionen-Euro-Stürmer Rasmus Höjlund (Manchester United).
Der Respekt vor Deutschland ist jedoch groß. Das sei eine „riesige Fußballnation“, meinte Torhüter Schmeichel. Man sei aber schon oft Außenseiter gewesen. Und wie man gegen Deutschland gewinnt - das kann er seinen Vater fragen. Peter Schmeichel stand bei der EM 1992 im Tor.
URL dieses Artikels:
https://www.bergstraesser-anzeiger.de/sport_artikel,-sport-vor-em-duell-gegen-deutschland-daenemark-noch-nicht-in-spur-_arid,2219746.html