Auf den ersten Blick war nicht ersichtlich, wer dieses hessische Bundesliga-Derby gerade gewonnen und wer es verloren hatte. Die knapp 6000 Fans des SV Darmstadt 98 in der Gästekurve stimmten ein von rhythmischem Klatschen untermaltes und fast frenetisches „SVD“ an, während sich die Profis von Eintracht Frankfurt noch auf dem Weg zu ihren Anhängern befanden. Der Blick auf die Anzeigetafel verriet allerdings, dass die Bundesliga-Rückkehr der Lilien nach sechs Jahren ohne die erhoffte Überraschung zu Ende gegangen war.
Frankfurt 1, Darmstadt 0. Randal Kolo Muanis in der 40. Minute ließ eine entgegen den Vorzeichen erstaunlich ausgeglichene Begegnung vor 54 000 Zuschauer in der ausverkauften EM-Arena zugunsten der Eintracht kippen. „Der Unterschied war ein sauber durchgespielter Angriff und die Vollendung“, sagte Darmstadts Trainer Torsten Lieberknecht und ergänzte: „Wir sind massiv enttäuscht.“
Lob von Toppmöller
Dass die Stimmung im Darmstädter Lager trotz der vermeidbaren Auftaktniederlage beim großen Nachbarn schnell in Richtung trotziger Optimismus umschlug, hing mit einem gut strukturierten und ansehnlichen Auftritt des Aufsteigers zusammen, der in der zweiten Halbzeit dem Ausgleich näher war als Frankfurt einem zweiten Treffer. Zum Beispiel bei Luca Pfeiffers Kopfball an den Pfosten (65.). „Wir hatten das Abschlussglück nicht auf unserer Seite“, meinte Lieberknecht. Dennoch zog der gebürtige Pfälzer das Positive aus der couragierten Leistung beim Conference-League-Teilnehmer - gerade nach dem desolaten Eindruck, den die Südhessen in der ersten DFB-Pokalrunde beim 0:3 gegen Regionalligist FC Homburg hinterlassen hatten. „Die Reaktion war wichtig“, sagte Lieberknecht. „Für uns war es ein Mutmacher-Spiel, nach dem wir sagen können: Wir haben der 1. Liga was zu bieten.“
Der Darmstädter Underdog-Fußball ist stilistisch eher einfach gestrickt, kann aber bei konsequenter Umsetzung für etliche Gegner auch in der Bundesliga zur Bedrohung werden. Aus einer auf Stabilität angelegten 5-2-3-Struktur versucht der Aufsteiger häufig, über lange Bälle in die Tiefe seine schnellen Angreifer wie den Österreicher Mathias Honsak einzusetzen. Hinzu kommt eine ausgeprägte Körperlichkeit, die bei Standardsituationen und Luftduellen Vorteile bringt.
Den individuell praktisch auf jeder Position besser besetzten Frankfurtern - in der Startelf hatten neun von elf Darmstädtern noch keine einzige Minute in der Bundesliga gespielt - gab diese robuste Spielanlage etliche Rätsel auf. Die Eintracht kam bis auf das Tor kaum zu klaren Chancen. „Heute hat jeder gesehen, dass Darmstadt nicht aus Zufall aufgestiegen ist, sondern die absolute Berechtigung hat, in der Bundesliga zu spielen“, lobte Frankfurts Trainer Dino Toppmöller.
Aber alle Komplimente helfen nur wenig, am besten zeitnah müssen die Lilien in der neuen Umgebung beginnen, auch die nötigen Zähler aufs eigene Konto zu schaufeln. „Wir wollen uns nicht nur die schönen Stadien angucken, sondern Punkte mitnehmen“, sagte Kapitän Fabian Holland. Einfacher wird das in den kommenden Wochen nicht. Erst kommt in Union Berlin ein Champions-League-Team nach Darmstadt, danach geht es zum Geheimfavoriten Bayer Leverkusen.
„Am Böllenfalltor haben wir schon viele Spiele gewonnen, daran wollen wir anknüpfen“, meinte Angreifer Luca Pfeiffer. Auch Trainer Lieberknecht, der in der Saison 2013/14 mit Eintracht Braunschweig in einer ähnlichen Ausgangslage nach nur einer Saison wieder aus der Bundesliga abgestiegen war, richtete den Blick schnell nach vorne: „Jetzt wollen wir gegen Union wieder Zähne zeigen.“
URL dieses Artikels:
https://www.bergstraesser-anzeiger.de/sport_artikel,-sport-darmstadt-98-baut-sich-nach-01-in-frankfurt-auf-die-mutmacher-niederlage-_arid,2117492.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.de/vereine_verein,_vereinid,5.html
[2] https://www.mannheimer-morgen.de/vereine_verein,_vereinid,4.html