Mannheim. Holger, als Sie 2005 Ihre Handballkarriere bei der SG Kronau/Östringen, den heutigen Rhein-Neckar Löwen, verletzungsbedingt beenden mussten, begann gerade die Laufbahn eines gewissen Uwe Gensheimer.
Holger Löhr: Puh, das ist jetzt 19 Jahre her. Und seitdem ist wirklich viel passiert. Die SAP Arena habe ich als Spieler nur im Rohbau erlebt. Wir haben damals noch in der Rhein-Neckar-Halle in Eppelheim gespielt. Die „Kröstis“, wie wir damals hießen, standen kurz davor, die Rhein-Neckar Löwen zu werden. Und dann war da der junge Uwe, ich erinnere mich.
Woran?
Löhr: Er hat mich damals herausgefordert. Nach dem Training haben wir uns häufiger die Bälle genommen und ein paar Würfe von den Außenpositionen gemacht. Am Anfang lief das noch ganz gut für mich.
Und später?
Löhr: Uwe wurde dann relativ schnell besser und gegen Ende hat er mich dann das eine oder andere Mal abgezockt. Schon damals habe ich gemerkt und gesehen: Dieser Junge hat etwas Besonderes. Und der will nach ganz oben. Ein gutes Händchen hat Uwe damals schon gehabt. Aber er war auch bereit, Extraschichten zu machen. Er wollte einfach immer besser werden.
Die Voraussetzungen und die Ansprüche sind jetzt ganz andere als früher.
Im Sommer übernehmen Sie als Trainer die Drittliga-Mannschaft der Löwen und kehren zurück. Wie hat sich der Verein seit Ihrem Abschied verändert?
Löhr: Die Voraussetzungen und die Ansprüche sind jetzt ganz andere als früher. Wir hatten damals die Aufgabe, den Verein in die Rhein-Neckar-Region zu bringen, ihn dort bekannter zu machen. Das Trainingszentrum in Kronau gab es nicht. Wir haben in der Mehrzweckhalle in Kronau oder in Östringen trainiert. Als ich 2002 in diesen Verein kam, war ich der erste Spieler, der von extern dazustieß. Der Rest kam aus Kronau und Östringen.
Klingt weniger nach Profisport und wesentlich mehr nach Handball-Romantik.
Löhr: Das war eine schöne Zeit und es hat Spaß gemacht, die Aufbauarbeit zu leisten. Mal mit mehr und mal mit weniger Erfolg. Und mit dem Bau der SAP Arena war im Prinzip klar, in welche Richtung das gehen soll. Der Verein ist mittlerweile eine echte Marke in Deutschland und in der Region fest verwurzelt. Und auch wenn ich die zurückliegenden 19 Jahre kein Löwe war, so habe ich doch nie den Kontakt zu diesem Verein verloren. Vor allem auch nicht zu Uwe.
Ich bin kein Trainer, der sich mit seiner Philosophie verwirklichen muss. Ich will Spieler besser machen.
Wie sehr freuen Sie sich auf Ihre neue Aufgabe ab Sommer und wie sehr sind Sie schon in die Prozesse eingebunden?
Löhr: Ich bin in engem Austausch mit Rolf Bechtold und Tobias Scholtes vom Nachwuchsleistungszentrum und führe Gespräche mit Spielern, die aus der A-Jugend kommen. Das ist klar. Denn diese Jungs sind gut ausgebildet und entsprechend begehrt. Ich werde mir ebenso Spiele von den Junglöwen ansehen. Aber mir ist auch wichtig, dass das alles sauber und transparent abläuft. Denn momentan bin ich noch Jugendtrainer bei der HG Oftersheim/Schwetzingen. Dort habe ich einen Auftrag und eine Verantwortung. Beidem will ich gerecht werden.
Sie waren schon Cheftrainer bei der SG Leutershausen, auch in der 2. Liga. Nun übernehmen Sie eine Drittliga-Mannschaft, die im Schatten der Profis steht. Was macht diese Aufgabe so reizvoll?
Löhr: Sie passt ganz einfach sehr gut zu mir. Auch damals in Leutershausen oder zuletzt bei der HG Oftersheim/Schwetzingen lag mir die Anschlussförderung am Herzen. Es ging mir darum, die jungen Talente an den hochklassigen Aktivenbereich heranzuführen. Es gab da eine Phase, in denen ich mit den Talenten nur noch individuell trainiert habe. Zum Beispiel mit Sascha Pfattheicher, der jetzt in Stuttgart in der Bundesliga spielt. Oder mit Tom Jansen, der jetzt beim VfL Gummersbach ist. Die individuelle Ausbildung war mir damals schon wichtig. Und sie ist mir auch jetzt wichtig.
Mal ganz abgesehen davon, dass mir ein Neuzugang auch nicht garantiert, dass er sofort hilft.
Sie schauen sich also jeden Spieler einzeln an?
Löhr: Ja. Ich bin kein Trainer, der sich mit seiner Philosophie verwirklichen muss. Ich will Spieler besser machen. Und deshalb muss ich jetzt wirklich schauen: In welchem Status befindet sich welcher Spieler. Wo kann ich wie helfen? Müssen wir im athletischen Bereich etwas tun? Müssen wir mit dem Athletiktrainer auch präventiv arbeiten? Wo gibt es Defizite? Das ist spannend. Bei den Löwen gibt es dafür tolle Voraussetzungen, um auf all das einzugehen. Und letztendlich geht es auch um die Frage: Wer schafft es vielleicht zu den Profis? Wobei damit meine Arbeit nicht zu Ende wäre.
Inwiefern?
Löhr: Wer es mal in den Bundesligakader geschafft hat, ist längst noch nicht am Ende seiner Entwicklung oder wirklich Profi. Wie kann man diese Jungs also weiterhin begleiten, damit sie den nächsten Schritt machen? Eine Antwort darauf kann ich jetzt aber noch nicht geben, weil da möchte ich mich erst einmal mit den Trainern der Bundesligamannschaft abstimmen.
Ist für Sie also der Ausbildungsauftrag wichtiger als die Abschlussplatzierung?
Löhr: Auf jeden Fall. Natürlich hat ein Verein wie die Löwen immer den Anspruch, eine gute Abschlussplatzierung in der 3. Liga zu erreichen. Aber der Ausbildungsauftrag ist ebenfalls elementar bei solch einem Club. Das sehen wir jetzt gerade: David Móré, Lion Zacharias, David Späth und Philipp Ahouansou haben es in den Profikader geschafft.
Die Löwen wollen aber bis 2027 auch wieder um die Champions-League-Plätze spielen. Nur mit dem eigenen Nachwuchs wird das nicht gehen.
Löhr: Das stimmt. Der Spagat ist wirklich enorm schwierig, aber auch ein bisschen von der Position abhängig. Einen jungen Außen einzubauen ist einfacher als einen Rückraumspieler oder Kreisläufer zu integrieren. Aber letztendlich geht es um eine grundsätzliche Ausrichtung: Man kann, überspitzt gesagt, auch zehn Weltklassespieler in seiner Mannschaft haben und versuchen, auf den anderen Kaderpositionen junge Toptalente dazuzunehmen und sie als Alternativen zu entwickeln. Natürlich ist dieser Grat schmal. Aber trotzdem kann das funktionieren. Mal ganz abgesehen davon, dass mir ein Neuzugang auch nicht garantiert, dass er sofort hilft. Denn in solchen Fällen muss ebenfalls immer alles passen.
Warum ist der Übergang von der A-Jugend in den Bundesligakader in Deutschland so schwierig?
Löhr: Wir haben in Deutschland die stärkste Liga der Welt, die von einem extremen Leistungs- und Erfolgsdruck geprägt ist. Da ist jeder Verein in der Pflicht oder vielleicht sogar in der Not, Spieler zu holen, um seine Ziele zu erreichen.
Wenn man sich den deutschen Handball anschaut, fallen die Erfolge der Jugend- und Juniorennationalmannschaft auf. EM- und WM-Titel werden gewonnen, aber individuelle Ausnahmespieler bilden wir kaum oder gar nicht aus. Woran liegt das?
Löhr: Man muss einfach sagen: Diese klassischen Straßenhandballer, die früher so wie wir auf dem Schulhof oder auf dem Sportplatz gespielt und dort viel gelernt oder sich selbst beigebracht haben, die gibt es nicht mehr. Das Freizeitverhalten hat sich aus vielerlei Gründen geändert. Früher sind diese Jungs in die Vereine gekommen und konnten schon richtig viel. Die sind uns zugelaufen. Das gibt es heutzutage nicht mehr. Und vermutlich müssen wir da dann auch einfach künftig flexibler und individueller ausbilden.
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