Mannheim. Mit einem verschämten Grinsen machte sich Juri Knorr auf den Weg in die Kabine und man sah ihm an, dass er sich nicht ganz wohl in seiner Haut fühlte. Denn es steckte einerseits die Erleichterung in ihm, die große Blamage mit einer riesigen Kraftanstrengung noch verhindert zu haben. Andererseits wirkte der Spielmacher der Rhein-Neckar Löwen auch etwas geschockt angesichts der teils desolaten Leistung des Handball-Bundesligisten, der gegen den abgeschlagenen Tabellenletzten VfL Potsdam vor einer Niederlage stand und erst in den letzten neun Spielminuten aus einem 21:24-Rückstand noch einen 29:26(11:11)-Sieg machte.
„Irgendwie“, meinte Knorr, sei diese Energieleistung möglich gewesen, was die Frage nach dem „Warum“ beschwor. Allerdings auch, warum sich der zweifache Meister zuvor 50 Minuten lang als Lustlos-Löwen präsentiert hatte.
Der Nationalspieler wird trotz Verletzung zum Retter
„Potsdam hat es gut gemacht, wir aber nicht. Die ganze Partie war ein reiner Krampf. Das darf so nicht passieren in eigener Halle. Wir müssen mit ein bisschen mehr Energie reingehen und dem Gegner direkt das Gefühl geben, dass hier wenig zu holen ist. Stattdessen kommen wir gar nicht in die Gänge. Das war sehr lethargisch“, wurde Knorr deutlich.
Der Nationalspieler saß nach einer Hüftverletzung zunächst auf der Bank. Die Löwen wollten ihn schonen. So viel zur Theorie. Doch schon nach elf Minuten war er als Retter in der Not gefragt. „Ich habe Schmerzen, deswegen war ich auch nicht so spritzig“, sagte der Mittelmann.
Auf jeden Fall wirkte er aber immer noch spritziger als viele andere. In der Schlussphase schwang er sich sogar zum Anführer auf und leitete die Wende ein. Was ihn glücklich machte. Knorr lächelte ein wenig, als er über das gute Ende eines schlechten Spiels sprach.
Ihm entglitten allerdings nur Sekunden später ein wenig die Gesichtszüge, als der 25-Jährige im Gespräch mit dieser Redaktion auf die Auslosung der Europameisterschaft 2026 angesprochen wurde. Die fand nämlich zeitgleich zur Löwen-Partie statt – und Knorr wusste von nichts, als er vor der Kabine stand. Die Auswahl des Deutschen Handballbundes bekommt es in der Vorrunde mit Spanien, Serbien und Österreich zu tun. Schon das ist knifflig, Knorr nahm es aber noch ohne große Gefühlsregung hin.
Das änderte sich jedoch, als der gebürtige Flensburger davon erfuhr, dass in der Hauptrunde Duelle mit Weltmeister und Olympiasieger Dänemark, EM-Titelverteidiger Frankreich, Norwegen und Portugal drohen. Keine Frage: In der einen Turnierhälfte tummeln sich fast alle Topnationen, in der anderen sieht es schon jetzt danach aus, dass Schweden und Kroatien einen Freifahrtschein fürs Halbfinale haben.
Fast alle Topteams bei der EM in einer Turnierhälfte
„Bei einer Europameisterschaft bekommt man nichts geschenkt. An diesen Gegnern müssen wir uns messen lassen, auch wenn ich die Auslosung ein wenig komisch finde. Es sind schon viele Topnationen und gerade mit Dänemark und Frankreich die prägenden Mannschaften der letzten Jahre in einer Turnierhälfte. Das finde ich eigenartig. Aber ich kenne das System nicht“, sagte Knorr, der sich „am Ende aber auch einfach nur freuen würde, bei einem so stark besetzten Turnier dabei zu sein.“ Sollte er gesund bleiben, besteht an seiner Nominierung allerdings kein Zweifel.
Möglich ist dieses Ungleichgewicht, weil neben den gleich drei Gastgebern (Schweden, Dänemark, Norwegen) noch sportlich nicht so erfolgreiche Nationen wie die Färöer-Inseln und Island als Gruppenköpfe gesetzt wurden. Diese Nationalmannschaften bringen viele Fans mit – und jeder Spielort soll mit solch einer Nation „belohnt“ werden. Im Umkehrschluss führt das aber eben auch dazu, dass Teams wie Frankreich (Europameister und WM-Dritter), Spanien (Olympia-Dritter) und Portugal (EM-Vierter) nicht gesetzt wurden.
Löwen-Kapitän Patrick Groetzki fordert Steigerung ein
Wie auch immer: Bis zur EM im Januar 2026 ist noch Zeit – und primär geht es auch für die deutschen Nationalspieler bei den Löwen nun erst einmal darum, die Saison anständig zu Ende zu bringen. Schon am Sonntag (16.30 Uhr) steht die Aufgabe bei der SG Flensburg-Handewitt an. Und dort wird eine Leistung wie gegen Potsdam unter gar keinen Umständen reichen.
Entsprechend sprach Kapitän Patrick Groetzki wieder einmal Klartext und all die Missstände schonungslos an. Der Start ins Spiel sei „ganz schlecht“ und nur elf Tore in der ersten Halbzeit „viel zu wenig gegen den Tabellenletzten“ gewesen: „Das war weit unter unseren Ansprüchen.“ Und mit Blick auf die Partie in Flensburg mahnte er: „Wenn wir dort genauso spielen wie gegen Potsdam, werden wir heillos überfordert sein und schon nach 15 Minuten sehr hoch zurückliegen.“
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