Mannheim. Seinen Humor hatte Andy Schmid nicht verloren. „Jetzt steht es 1:0 für dich“, scherzte der niemals um einen flotten Spruch verlegene Coach der Schweizer Handball-Nationalmannschaft und schaute Bundestrainer Alfred Gislason an.
Doch Schmid wäre nicht Schmid, wenn er seine Worte nicht noch mit einer kleinen - wenn auch lieb gemeinten - Stichelei versehen hätte: „Mit den Rhein-Löwen haben wir hier in Mannheim meistens gegen den THW Kiel und dich gewonnen.“ Doch diese Zeiten sind längst vorbei.
Andy Schmid verliert mit Schweizer-Nationalteam in Mannheim
Gislason sitzt nicht mehr beim deutschen Rekordmeister, sondern bei der Auswahl des Deutschen Handballbundes (DHB) auf der Bank. Und Schmid trägt nicht mehr das Trikot der Löwen, sondern hat seine aktive Karriere beendet und ebenfalls die Trainerlaufbahn eingeschlagen.
Mit den Eidgenossen unterlag der 41-Jährige am Donnerstag in der EM-Qualifikation mit 26:35 (13:21) gegen die Deutschen, doch schon sehr bald gibt es das nächste Aufeinandertreffen: Bei der WM im Januar stehen sich beide Teams im dänischen Handball-Mekka Herning in der Vorrunde gegenüber. Die weiteren Gegner heißen Tschechien und Polen.
Konkurrenzkampf um die letzten freien Plätze in deutschem Nationalteam
Auf das Turnier zu Beginn des nächsten Jahres richtet sich auch schon der Blick beim DHB, wenngleich am Sonntag (15.10 Uhr/live in der ARD) in Ankara gegen die Türkei die nächste Prüfung in der EM-Qualifikation ansteht. Es ist eine Pflichtaufgabe für die Deutschen, wie Kreisläufer Jannik Kohlbacher verdeutlicht: „Mit unserem Anspruch müssen wir dahin reisen und das Spiel gewinnen.“
Bundestrainer Gislason nimmt zwar die Rolle als Mahner und Warner ein („Wir dürfen die Türkei nicht unterschätzen“) und führt als Beleg für seine Worte die knappe 28:31-Niederlage des nächsten Gegners in Österreich an. Doch ehrlich gesagt gibt es eigentlich kein vorstellbares Szenario, das zu einer deutschen Niederlage gegen die international maximal zweitklassigen Türken führen könnte.
Für die WM darf Gislason 20 Profis in sein Aufgebot berufen
In Ankara wird es vielmehr darum gehen, den eigenen Spielstil zu verfestigen und das erfolgreiche Jahr mit EM-Halbfinale und Olympia-Silber mit einem Sieg zu beenden. Und vor allem werden auch die Spieler die Chance nutzen wollen, sich für die Weltmeisterschaft zu empfehlen. Denn das Kader-Casting läuft bereits, der Konkurrenzkampf ist längst entfacht. Bis zur Nominierung des WM-Aufgebots im Dezember steht kein weiteres Länderspiel mehr an.
Anders als noch bei den Olympischen Spielen wird Gislason bei der WM für jede Begegnung 16 statt 14 Spieler nominieren dürfen. Dieser Spieltagskader muss eine Stunde vor Anpfiff der jeweiligen Partie feststehen. Insgesamt kann der Bundestrainer bis zu 20 Profis in sein WM-Aufgebot berufen. Das klingt erst einmal großzügig. Und trotzdem dürfte der Isländer die „Qual der Wahl“ haben, wie es Linkshänder Timo Kastening sagt. Es könnte das eine oder andere prominente Nominierungsopfer geben.
Olympia-Helden haben einen Vorteil für die WM-Nominierung
Kastening, jahrelang ein fester Bestandteil der Nationalmannschaft und Deutschlands Handballer des Jahres 2019, weiß das aus eigener Erfahrung. Bei der EM im vergangenen Januar startete er als Nummer eins auf der Rechtsaußenposition, Olympia in Paris verfolgte er aber nur noch als Zuschauer. Was ebenso für Junioren-Weltmeister Nils Lichtlein, immerhin unumstrittene Stammkraft bei Vizemeister Füchse Berlin, gilt. Auch Marian Michalczik, der zunächst für die Sommerspiele nominiert war, dann aber wegen der Geburt seines Kindes absagte, oder Patrick Groetzki, der 2024 viel mit einer Fußverletzung zu kämpfen hatte, haben es auf einmal schwer.
Rund ein Dutzend Spieler dürften die WM-Teilnahme aber bereits sicher haben. Die Olympia-Helden haben einen Vorteil. Um die restlichen freien Plätze kämpfen fast genauso viele Profis - was die personellen Möglichkeiten unterstreicht und auch den Speckgürtel zeigt, den sich der Kader zugelegt hat.
Gislasons Sonderlob für Heymann von den Löwen
Gegen die Schweiz fehlten verletzungsbedingt die unumstrittenen Stammkräfte Juri Knorr und Julian Köster. Trotzdem beherrschte das DHB-Team den Gegner nach Belieben. „Wir haben uns die ganze Woche über gesagt, dass jetzt andere Jungs die Gelegenheit bekommen, sich zu zeigen. Das ist sehr gut gelungen“, stimmte der sonst so zurückhaltende Gislason für seine Verhältnisse fast schon ein Loblied an.
Die Leistung von Sebastian Heymann, der Kösters Part übernahm, hob er sogar hervor. Luca Witzke und Lichtlein hätten zudem Knorrs Ausfall „sehr gut kompensiert“, weshalb der Bundestrainer zufrieden festhielt: „Ich bin sehr froh über die Breite in unserem Kader.“
Auch die restlichen Bundesligaspiele können noch für eine WM-Nominierung reichen
Bis zur Nominierung des WM-Aufgebots hat der 65-Jährige nun noch ein paar Wochen Zeit. Er wird bis dahin durch die Bundesliga-Hallen reisen und sich auch viele Spiele auf Video anschauen, um seine finale Entscheidung zu treffen.
„Jede gute Leistung zählt“, hält Gislason den Druck und seine Erwartungshaltung hoch - auch weil sich nach dem erfolgreichen Jahr 2024 die Selbstwahrnehmung verändert hat: „Wir haben immer gesagt, dass wir mit den großen Handballnationen mithalten können. Letztendlich muss man diese Mannschaften aber auch mal bei einem wichtigen Turiner besiegen. Bei den Olympischen Spielen haben wir das viermal gemacht. Die Entwicklung ist sehr positiv.“ Aber noch nicht abgeschlossen.
Sie soll sich 2025 nahtlos fortsetzen. Womit ebenfalls klar ist: Ein 1:1-Ausgleich von Schmids Schweizern gegen Gislasons Deutsche am 17. Januar in Herning ist im DHB-Plan keinesfalls vorgesehen.
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