Handball

Ex-Löwe und EM-Held Steffen Fäth: So geht es ihm in der 6. Liga

Steffen Fäth wurde Handball-Europameister und spielte bei den Rhein-Neckar Löwen. Seit Sommer 2023 setzt er seine Karriere in der 6. Liga fort. Im Interview spricht der 34-Jährige über Druck, die Schönheit des Amateursports, Handball ohne Harz und Bier in der Umkleidekabine

Von 
Marc Stevermüer
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Heim-WM 2019: Steffen Fäth jubelt nach einem Treffer vor 20 000 Zuschauern in Köln. Dass die Augen auf ihn gerichtet sind, kennt er also. Auch in der 6. Liga. © Marius Becker/dpa

Steffen, Sie haben im Sommer 2023 der Bundesliga den Rücken gekehrt und sind freiwillig in die sechstklassige Bezirksoberliga Wiesbaden-Frankfurt zur HSG Goldstein/Schwanheim gewechselt. Warum war das die richtige Entscheidung?

Steffen Fäth: In meinen drei Jahren beim HC Erlangen bin ich sehr, sehr häufig verletzt gewesen. Der Rücken hat immer wieder Probleme bereitet. Und deswegen war es allein schon mit Blick auf die Gesundheit die richtige Entscheidung. Außerdem hatten wir als Familie den Wunsch, in die Heimat zurückzukehren und einen festen Lebensmittelpunkt zu haben. Und dann noch einmal für meinen Jugendverein zu spielen, diese Idee hat mich begeistert.

Ein Europameister in der 6. Liga. Welche Rolle nehmen Sie in Ihrer Mannschaft ein?

Fäth: Mir macht es sehr viel Spaß, den jüngeren Spielern ein paar Tipps zu geben. Bei uns im Kader gibt es einen 17-Jährigen, der nach schweren Verletzungen gerade auf dem Weg zurück in die Mannschaft ist. Den päppeln wir ein wenig auf und da bin ich involviert, weil ich all das schon erlebt habe und mit meiner Erfahrung helfen kann.

Ich hatte komplett den Spaß verloren.

Was haben die vielen Verletzungen in der Endphase Ihrer Profikarriere mit Ihnen gemacht?

Fäth: Ich hatte komplett den Spaß am Handballspielen verloren. Ich bin von einer Verletzung in die nächste gerutscht. Die Geschichte wiederholte sich: Reha, trainieren, spielen, nächste Verletzung. Und alles ging von vorne los. Das hat mich extrem beschäftigt, auch weil ich nach jeder Verletzung gespürt habe, nicht mehr mein früheres Leistungslevel erreichen zu können. Gepaart mit den Schmerzen war das frustrierend, weshalb in mir der Entschluss reifte, mit dem Profi-Handball aufzuhören.

Vermissen Sie die Bundesliga?

Fäth: Hin und wieder, aber nicht oft. Es gibt Augenblicke, in denen ich denke: Zwei, drei Jahre hättest du das gerne noch erlebt. Aber die Gesundheit ließ mir eigentlich keine andere Wahl. Andererseits weiß ich jetzt ebenso zu schätzen, dass ich nicht mehr diese mehrtägigen Reisen zu Auswärtsspielen auf mich nehmen muss und stattdessen Zeit mit meiner Familie verbringen darf. Deswegen kann ich nicht sagen, dass mir etwas fehlt. Im Gegenteil: Bislang kam mir nicht einmal der Gedanke, dass ich eine Schwachsinns-Entscheidung getroffen habe.

Ihr langjähriger Nationalmannschaftskollege Tobias Reichmann ist nach einem halben Jahr ohne Verein bei den Rhein-Neckar Löwen wieder eingestiegen. Kommt so etwas für Sie überhaupt nicht mehr infrage?

Fäth: Ich bin mir recht sicher, dass es das war, dass meine Bundesligazeit vorbei ist. Tobi hat wenigstens noch in der 3. Liga gespielt und keine größeren Verletzungsprobleme. Ich bin in die 6. Liga gegangen und habe bewusst aus gesundheitlichen Gründen einen Schlussstrich unter die Profikarriere gezogen. Deswegen würde ich schon sagen: Der Zug in Richtung Bundesliga ist für mich abgefahren.

Von der kleinen auf die große Bühne und zurück



Steffen Fäth wurde am 4. April 1990 in Frankfurt geboren.

Beim VfL Goldstein, jetzt HSG Goldstein/Schwanheim, begann er in der Jugend seine Handball-Laufbahn.

Über den Zweitligisten SG Wallau/Massenheim kam der Rückraumspieler 2008 zu den Rhein-Neckar Löwen und wurde erst einmal an den VfL Gummersbach (2009-2010) ausgeliehen.

Zunächst kehrte der Rückraummann nicht nach Mannheim zurück, sondern spielte für die HSG Wetzlar (2010-2016) und die Füchse Berlin (2016-2018).

Von 2018 bis 2020 war er dann noch einmal ein Löwe und zog dann zum HC Erlangen weiter, ehe sich Fäth 2023 wieder seinem Jugendverein anschloss.

Für die deutsche Nationalmannschaft bestritt der Rechtshänder 79 Länderspiele (168 Tore) und gewann mit dem Team 2016 EM-Gold und Olympia-Bronze.

Wie intensiv verfolgen Sie die Bundesliga noch?

Fäth: Ich schaue mir die Ergebnisse und die Tabelle an, verfolge das eine oder andere Spiel im Liveticker. Aber ich habe mir tatsächlich bislang seit Sommer kein Bundesligaspiel angeschaut. Und zwar nicht, weil es mich nicht interessiert. Sondern weil ich so viele Jahre in diesem Geschäft war und jetzt ein wenig Abstand und einen Abschluss brauche. Aber das geht nicht, wenn ich jedes Wochenende irgendwelche Spiele schaue und mir am Ende noch einrede, dass es doch noch mal etwas für mich wäre (lacht).

Wie muss ich mir das bei Ihrem jetzigen Verein vorstellen? Spielen Sie dort mit Ihren früheren Freunden zusammen?

Fäth: In meiner Mannschaft sind einige Jungs dabei, mit denen ich in der C- oder B-Jugend gespielt habe – teilweise auch in der D-Jugend. Außerdem treffe ich bei unseren Heimspielen viele Kumpels, die auf der Tribüne sitzen und zuschauen. Auch das ist etwas Schönes: Ich habe einfach wieder viel mehr Kontakt zu meinen Freunden.

Sie waren ein ehrgeiziger Profisportler und es gewohnt, sich jeden Tag neu zu beweisen. Nun müssen Sie das nicht mehr. Spüren sie eine gewisse Form der Befreiung?

Fäth: Jein. An den Leistungsdruck gewöhnt man sich irgendwann. Es wird von einem Profisportler viel erwartet und gefordert. Und das ist auch in Ordnung so. Bei mir ist eher etwas anderes passiert: Ich musste nach 16 Jahren im Profisport lernen, damit umzugehen, dass das plötzlich nicht mehr so ist, dass Handball nicht mehr alles ist.

Inwiefern?

Fäth: Der eine oder andere Spieler hat zum Handball in der 6. Liga natürlich eine andere Einstellung, als ich sie meine ganze Karriere lang hatte. Das ist auch völlig normal. Aber als ich hierherkam, waren meine Erwartungen natürlich erst einmal noch die eines Profisportlers.

Das kam bestimmt besonders gut an.

Fäth: Mein Trainer hat mich irgendwann zur Seite genommen und gemeint: „Steffen, entspann dich. Das hier ist nicht die Bundesliga und du musst verstehen, dass das hier anders läuft.“

Klingt nach einer anderen Welt.

Fäth: Ich hatte damit auch erst einmal zu kämpfen, kann damit aber mittlerweile sehr gut umgehen. Das ist eben die 6. Liga, da geht es ganz, ganz locker zu. Jeden Donnerstag nach dem Training gibt es eine Kiste Bier – und nach dem Spiel sowieso. Ich habe in der Halbzeitpause auch schon mal mit meinen Töchtern gespielt. Alles ist ganz entspannt.

Sie haben früher täglich trainiert, manchmal zweimal am Tag. Und jetzt?

Fäth: Zweimal in der Woche.

Gehen Sie immer hin?

Fäth: Ich versuche es. Selbst wenn mein Rücken mal nicht mitspielt, bin ich dort und mache meine individuellen Übungen.

Wie ist das bei den Pflichtspielen: Schauen alle in den Hallen mit großen Augen auf Steffen Fäth, den Europameister?

Fäth: Mir ist bewusst, dass da viele Zuschauer vermutlich explizit auf mich blicken. Aber ich will es mal so sagen: Ich habe ja auch schon vor 20 000 Fans gespielt, insofern macht mich diese erhöhte Aufmerksamkeit nicht sonderlich nervös (lacht).

Gibt es auch eine erhöhte Aufmerksamkeit der Gegenspieler, die es dem Ex-Profi zeigen wollen?

Fäth: Ich hatte es mir schlimmer vorgestellt. Zu Saisonbeginn haben viele zu mir gesagt, ich solle bloß aufpassen, weil es alle gegen mich besonders gut machen wollen. Aber bislang war das gar nicht so dramatisch. Natürlich ist der eine oder andere mal ein bisschen übermotiviert oder mir hängen zwei Gegenspieler am Arm, aber es war bislang nicht eine einzige Aktion dabei, von der ich sagen würde: „Das war ein total unfaires Foul.“ Das kann ich wirklich nicht behaupten.

Dürfen Sie in der 6. Liga mit Harz spielen?

Fäth: Leider nein.

Warum leider?

Fäth: Ich habe die meiste Zeit meines Lebens mit Harz Handball gespielt. Und ich muss sagen, Handball mit oder ohne Harz – das sind zwei unterschiedliche Spiele. Man kann sich das gar nicht vorstellen, was es für Unterschiede gibt. Meiner Meinung nach macht Handball mit Harz auf jeden Fall viel mehr Spaß...

Warum?

Fäth: Ein Dreher ohne Harz…das ist schwierig.

Sie sollen ja auch einfach nur hart aus dem Rückraum werfen.

Fäth (lacht): Das geht auch mit Harz besser. Es war mein größtes Problem zu Saisonbeginn, ohne Harz zu spielen. Bis ich damit klarkam, hat es eine Zeit lang gedauert. Ich erinnere mich noch an den ersten Spieltag. Wir haben knapp verloren, ohne Harz konnte ich überhaupt nicht werfen. Ich hatte am Ende eine Quote von 3 aus 12.

Redaktion Handball-Reporter, Rhein-Neckar Löwen und Nationalmannschaft

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