Mannheim. Wer Uwe Gensheimer in den vergangenen 20 Jahren bei den Rhein-Neckar Löwen näher begleitet hat, weiß, dass der heute 37-Jährige ein emotionaler Typ ist. Niederlagen und Rückschläge beschäftigten den Weltklasse-Linksaußen tief und lange. Große Erfolge oder manchmal auch nur ein wichtiger Treffer auf dem Bundesliga-Parkett verwandelten die stets hoch motivierte Mannheimer Handball-Ikone dagegen nicht selten in einen Endorphine sprühenden Vulkan der Glückseligkeit.
„Ein emotional trauriger Tag“: Rhein-Neckar Löwe Gensheimer verkündet Karriereende
Entsprechend lässt es sich erahnen, was in dem Ur-Kurpfälzer vorgegangen sein muss, als er sich am Freitagmittag ins Auto setzte und mal wieder die SAP Arena ansteuerte. Dieses Mal aber nicht, um das Runde spektakulär ins Eckige zu werfen oder seine Mannschaft aufgrund seiner schweren Knieverletzung zumindest von hinter der Bank aus zu unterstützen, sondern um das bekannt zu geben, was zwar seit gut einer Woche keine große Überraschung mehr war, aber wegen einer bestimmten Endgültigkeit nicht weniger als eine Zäsur ist: Gensheimer beendet nach der Saison im Sommer 2024 seine Karriere und soll danach als neuer Sportlicher Leiter der Löwen aufgebaut werden.
Zur Person: Uwe Gensheimer
- Uwe Gensheimer wechselte 2003 als 16-Jähriger vom TV Friedrichsfeld zu den Rhein-Neckar Löwen und entwickelte sich dort zu einem Aushängeschild des deutschen Handballs.
- Für die Löwen war der Weltklasse-Linksaußen mit nur einer Unterbrechung von 2016 bis 2019 (bei Paris Saint-Germain) durchgängig am Ball.
- Mit den Löwen gewann er 2013 den EHF-Pokal, 2016 die Deutsche Meisterschaft und 2023 den DHB-Pokal. 2012 wurde er Bundesliga-Torschützenkönig und war viermal in Folge Handballer des Jahres (2011 bis 2014).
- In der Nationalmannschaft kam Gensheimer bis zu seinem Rücktritt 2021 auf 204 Länderspiele (921 Tore) und gewann 2016 Olympia-Bronze. Der langjährige DHB-Kapitän ist er der bislang erfolgreichste deutsche Torschütze bei Weltmeisterschaften. th
„Das ist natürlich ein trauriger Tag, aber auf der anderen Seite freue ich mich auch riesig auf die neue Aufgabe, die dann auf mich zukommt“, versuchte Gensheimer seine Gefühlswelt etwas zu sortieren. „Für jeden Sportler ist klar, dass dieser Moment irgendwann kommen wird. Es dann aber zu verkünden, macht es trotz allem zu einem sehr emotionalen Tag für mich“, erklärte Gensheimer, der um die Bedeutung seines Schrittes wusste. „Profi-Handballer zu werden hat mein Leben von klein auf geprägt und bestimmt. Das habe ich nun über 20 Jahre geschafft - und deshalb ist das nun ein schwerer Moment“, sagte Gensheimer, der auf dem Podest im Presseraum der Arena zwischendurch auch mal sichtlich schlucken musste.
Doch diese Entscheidung war natürlich keine, die über Nacht gefällt wurde, sondern die sich in den vergangenen Spielzeiten abzeichnete. Immer wieder gab Gensheimers Körper unüberhörbare Signale, dass die Grenzen der Belastbarkeit erreicht sind. Muskuläre Verletzungen, eine Achillessehnenoperation und andere Anfälligkeiten bremsten den langjährigen Kapitän der Gelbhemden immer wieder aus.
Die Gründe von Uwe Gensheimer: Knieverletzung der letzte Tropfen
Im vergangenen Mai zog sich Gensheimer dann seine wohl schwerste Verletzung nach dem Achillessehnenriss 2012 zu. Beim 27:31 gegen den THW Kiel erwischte es den Routinier bei einer Landung am Knie. Er stellte sich mit dem kaputten Gelenk aber noch zweimal aufopferungsvoll in den Dienst der Mannschaft. Am Ende stellen die Ärzte aufgrund eines Kreuzband- und Innenmeniskusrisses sowie eines lädierten Knorpels eine Reststabilität des Knies von nur noch rund zehn Prozent fest. Die folgende Operation und die seitdem anhaltende Reha dürften der letzte Tropfen im lange bis zum Rand gefüllten Fass der Leiden eines Profisportlers gewesen sein.
„Diese Verletzung hat sicher ihren Teil dazu beigetragen. Ich konnte meinen Sport nicht mehr auf dem Niveau, mit der Intensität und mit dem Rhythmus ausüben, wie ich mir das gewünscht habe - und wie es auch notwendig ist für die Taktung, die wir haben“, so Gensheimer, der von einem Entscheidungsprozess über „Jahre und Monate“ sprach. Von einer Rückschau auf seine schillernde Karriere wollte der langjährige Kapitän der Handball-Nationalmannschaft aber noch nichts wissen. Auch ein Abschiedsspiel ist noch nicht terminiert. „Ich möchte gerne noch einmal auf die Platte kommen und mich dann auch auf dem Feld verabschieden“, betonte Gensheimer. „Wann der richtige Zeitpunkt ist, kann ich jetzt noch nicht abschätzen, aber es läuft alles nach Plan“, berichtete der Rechtshänder von seinem aktuellen Aufbauprogramm.
Wie er dann ab Sommer in seine neue Rolle hineinwachsen soll, ist dagegen schon klarer abzusehen, wie Löwen-Geschäftsführerin Jennifer Kettemann skizzierte. „Wir wollten die Rolle des Sportlichen Leiters auf jeden Fall wieder besetzen und wollen Uwe nun auf dem Weg dahin begleiten, dass er der Sportliche Leiter wird, den die Rhein-Neckar Löwen für eine nachhaltig erfolgreiche Zukunft brauchen“, sagte Kettemann, die sich entsprechend darüber freute, dass Gensheimer auch die Club-Gremien in einem ordentlichen Bewerbungsgespräch überzeugen konnte. „Er verkörpert die Rhein-Neckar Löwen schließlich wie kaum ein anderer.“
Das ist Uwe Gensheimers Stufenplan zum neuen Job
Zum neuen Sportchef soll der 204-fache Nationalspieler nun über ein „Stufenplan“ reifen, um ihm einen guten Einstieg zu ermöglichen. Zusätzlich ist ein Aufbau-Studiengang in verschiedenen Modulen vorgesehen. Als weitere Qualifikationen bringt Gensheimer ein BWL-Studium sowie den erfolgreichen Aufbau eines Mode-Labels mit und auch das Geschehen rund um die Spielerberater-Branche ist dem 37-Jährigen aus eigener Erfahrung alles andere als unbekannt.
Entsprechend soll Gensheimer auch Trainer Sebastian Hinze entlasten, der seit seinem Amtsantritt im Sommer 2022 zusätzlich für die Kaderplanung mitverantwortlich ist. „Es war von vorneherein klar, dass der Verein einen Sportlichen Leiter braucht. Ich freue mich, dass wir das dahingehend mit Uwe gelöst haben, und denke, dass das eine sehr gute Zusammenarbeit wird“, sagte der Löwen-Coach.
„Die Löwen sind mein Verein“ - Uwe Gensheimer hier nicht nur sportlich zu Hause
Und auch wenn die neue Aufgabe noch etwas in der Zukunft liegt, hat sich Gensheimer natürlich schon etwas mit der neuen Rolle beschäftigt. „Die Löwen sind mein Verein. Hier bin ich nicht nur sportlich zu Hause, sondern habe viele Freunde fürs Leben gefunden. Jetzt die Möglichkeit zu bekommen, hier meine ersten Schritte in neuer, verantwortungsvoller Position zu machen, bedeutet mir unheimlich viel und erfüllt mich mit Stolz. Es braucht Zeit, in diese Rolle hineinzuwachsen, aber diese Herausforderung nehme ich gerne an“, sagte Gensheimer, dessen Karriereende sich auch mit Verpflichtungen abzeichnete, die von den Löwen in den vergangenen Tagen bestätigt wurden.
So wechselt beispielsweise Nationalspieler Tim Nothdurft zu den Löwen und wird dort Gensheimers Rolle als erfahrener Linksaußen einnehmen. Am Freitag wurde zudem der Abgang von Ymir Örn Gislason zu Frisch Auf Göppingen bestätigt. Personalien, an denen Gensheimer trotz seiner künftigen Rolle noch nicht entscheidend beteiligt war, doch das wird sich demnächst sicher ändern - auch wenn er mit dem Gedanken noch warm werden muss. „Es fällt mir jetzt schon als Spieler schwer, von außen zuzuschauen und nicht eingreifen zu können. Aber das wird in Zukunft wohl eine dauerhafte Rolle sein“, sagte Gensheimer, der mit seinen Emotionen dann wohl haushalten muss.
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Bergsträßer Anzeiger Plus-Artikel Kommentar Uwe Gensheimers Rollenwechsel: Einfach nur logisch