Umfrage in Bergsträßer Vereinen

In einem Pilotprojekt dürfen Frauen in Männerteams mitspielen

Hintergrund ist der Mangel an Frauenmannschaften, vor allem in „strukturschwachen Gegenden“.

Von 
Marvin Zubrod
Lesedauer: 
Ein Fußballspieler auf dem Feld. © picture alliance/dpa | Soeren Stache

Bergstraße. Der Hessische Fußball-Verband (HFV) hat in seiner letzten Vorstandssitzung den Weg für „gemischt-geschlechtliche Teams“ freigemacht. Damit können Frauen seit dem 1. Juli in den Männerligen antreten. Grundlage dafür ist ein Pilotprojekt, das der DFB bereits im Juni 2022 ins Leben gerufen hat. In einem Zeitraum von 48 Monaten soll das Mitspielen von Frauen in Männermannschaften getestet werden.

Hintergrund ist der Mangel an Frauenmannschaften, vor allem in „strukturschwachen Gegenden“. Lediglich jeder vierte Fußballverein in Deutschland hat ein weibliches Team gemeldet, wie der Deutsche Fußball-Bund erklärt. Dass der HFV nun von der neu geschaffenen Möglichkeit Gebrauch macht, liegt vor allem an der Nachfrage. Viele Frauen und Vereine seien an den Verband herangetreten und hätten um eine entsprechende Änderung der Spielordnung gebeten, berichtet Kreisfußballwart Rainer Held. „Diesem Wunsch wollten wir nachkommen.“

Newsletter "Guten Morgen Bergstraße"

Da es sich hierbei um ein Zweitspielrecht handelt, können Frauen, die bei den Männern antreten, weiterhin in ihrer Damenmannschaft spielen. Für Benjamin Braun (Bild: Gutschalk), Trainer der Frauenmannschaft von Olympia Lorsch, ist das Pilotprojekt „prinzipiell eine sinnvolle Maßnahme“. Überlegungen dazu habe es schon länger gegeben. Schon jetzt sind gemischte Teams in den Nachwuchsmannschaften möglich. Bis zur B-Jugend können Mädchen bei den Jungs mitspielen. Danach geht es entweder in den Seniorinnen-Bereich (eine A-Jugend gibt es nicht), oder die Sportlerinnen müssen die Fußballschuhe an den Nagel hängen.

Dass der Hessische Fußball-Verband nun diesen Schritt geht, um Spielerinnen die Möglichkeit zu geben, sich einer Männermannschaft anzuschließen, begrüßt Braun daher: „Wenn man den Frauenfußball voranbringen möchte, ist das ein notwendiger Schritt“, betont der Coach und verweist auf fehlende Frauenmannschaften im Kreis. „Wenn wir gegen den SV Winterkasten spielen, ist das für uns schon ein Derby – und das sind 45 Minuten Fahrtweg.“

Zweikampfhärte sind die Fußballerinnen im Kreis gewöhnt. Doch die Aggressivität sei bei den Männern höher, findet Christian Hill, Trainer der Frauen beim SV Winterkasten. „Ich glaube, dass viele unserer Frauen überhaupt nicht bei den Männern spielen möchten.“ Zu groß seien die körperlichen Unterschiede. „Frauen sind von der Muskulatur her anders gebaut“, so Hill. Das könne man nicht wegdiskutieren.

Die Frauen des SV Winterkasten haben derzeit keine Sorgen; sie holten in der vergangenen Saison (noch als Spielgemeinschaft mit dem TSV Reichenbach) den Kreispokal-Sieg und schafften den Verbandsliga-Aufstieg. © FFG

Doppelbelastung am Wochenende

Zwar glaubt der SV-Coach, dass es vereinzelt Spielerinnen gibt, die sich der Herausforderung stellen werden. „Aber die sollten dann zumindest schon in der Verbandsliga gespielt haben.“ Beim SV Winterkasten ist das in der kommenden Saison der Fall. Die Odenwälder Spielgemeinschaft (mit TSV Reichenbach) gewann in der abgelaufenen Spielzeit die Meisterschaft in der Gruppenliga und tritt, wie schon in der Saison 2021/2022, erneut in der Verbandsliga an – dann allerdings als SV Winterkasten. Die Kooperation mit dem TSV Reichenbach wurde nach mehr als 20 Jahren aufgelöst.

FSG-lerin Angelique Danzberger (re.) ist schon lange erfolgreich im Frauenfußball aktiv. © Thomas Neu

Problematisch ist für Hill zudem die Doppelbelastung. „Wenn eine Spielerin samstags bei den Frauen antritt, wird sie sonntags wohl kaum bei den Herren mitmachen wollen.“ Das könne eher dazu führen, dass eine Frauenmannschaft geschwächt werde.

Etwas optimistischer ist Angelique Danzberger. Die Abteilungsleiterin der Frauen bei der FSG Bensheim, die momentan keine Frauenmannschaft hat, sieht in gemischten Teams eine Chance. „Für mich war es früher immer cool, bei den Jungs mitzuspielen“, blickt die Torjägerin auf ihre Erfahrungen in der Jugend zurück. Technisch hätten die Frauen keinen Nachteil, aber die körperlichen Unterschiede will auch Danzberger nicht kleinreden. „Das Verletzungsrisiko ist sicherlich höher.“

Zumindest in den unteren Kreisligen hält die Fußballerin das Pilotprojekt jedoch für erfolgversprechend. „Am Ende muss es jede Frau für sich entscheiden.“

Lorsch,LSP, Fußball-Benefizspiel Olympia-Frauen vs Darmstadt 98 II Trainer Benjamin Braun 01.09.2021 / Foto: Thorsten Gutschalk © Thorsten Gutschalk

Nach einer Pause wird’s schwer

Doch selbst im Fall zahlreicher Anträge für ein Zweitspielrecht dürfte fraglich sein, ob das eigentliche Ziel – Spielerinnen zu gewinnen, die zurzeit nicht Teil einer Mannschaft sind – erreicht wird. Fußballerinnen, die nach der B-Jugend aufgrund fehlender Teams im Erwachsenen-Bereich aufhören mussten und nun nach einer längeren Pause bei den Männern mitspielen wollen, dürften es nicht leicht haben.

Mehr zum Thema

Fußball

Hessischer Fußball-Verband erlaubt Frauen in Männerteams

Veröffentlicht
Von
dpa/lhe
Mehr erfahren
Fußball

Ex-Bundestrainerin Silvia Neid: „Dieses Team hat mitgerissen“

Veröffentlicht
Von
Frank Hellmann
Mehr erfahren

Ob die Regelung daher den Frauenfußball auch an der Bergstraße voranbringt und ehemalige Spielerinnen zur Rückkehr verleitet, bleibt abzuwarten. Und letztlich muss für den Einsatz von Frauen im Männerteam zunächst ein Antrag beim Verband gestellt werden. Das Pilotprojekt deswegen von vorneherein abzuschreiben, würde dem Engagement zahlreicher Vereine allerdings nicht gerecht werden. „Einen Versuch ist es wert“, glaubt Christian Hill.

Copyright © 2025 Bergsträßer Anzeiger