Fußball

Fußball-Geschichte: VfR Bürstadt trifft nach 50 Jahren wieder auf Hamburg

Engagierte Fußballhistoriker haben sich bemüht - und es klappt tatsächlich. 50 Jahre nach dem Gewinn der deutschen Fußball-Amateurmeisterschaft trifft der VfR Bürstadt auf das Team von Victoria Hamburg.

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Mit dieser Mannschaft, trainiert von Lothar Buchmann (ganz links), gewann der VfR Bürstadt als Zweiter der hessischen Fußball-Oberliga die deutsche Amateurmeisterschaft im Jahr 1975. © Repro/Winkler/VfR-Archiv

Bergstraße/Hamburg. Im Juni 1975 standen sich in Ludwigsburg der VfR Oli Bürstadt als Vizemeister der Hessenliga und der SC Victoria Hamburg (Vierter der Oberliga Nord) im Finale um die deutsche Fußball-Meisterschaft der Amateure gegenüber. 3:0 siegten die Bürstädter in einer wahren Hitzeschlacht. Alle drei Treffer gingen auf das Konto des kürzlich verstorbenen „Hexers“ Karl-Heinz Vogt.

Dieser Tage jährt sich das „kleine“ DFB-Finale zum 50. Mal. Und während der einstige Zweitligist aus Südhessen inzwischen in den Niederungen des Bergsträßer Fußballs angekommen ist, spielt Victoria Hamburg nach wie vor in der Oberliga.

Da große Titel längst außer Reichweite sind, schwelgt man in beiden Lagern vorrangig in Erinnerungen an alte Zeiten. Und diese Erinnerungen werden nun mit neuem Leben erfüllt, wenn es anlässlich des 50-jährigen Jubiläums des Bürstädter Triumphs am heutigen Freitag (20. Juni) auf dem Gelände des SC Victoria, im Stadion Hoheluft, zur Neuaustragung des Finals kommt – für die Victoria, die 1975 zeitweise gut mithielt, somit auch die Chance auf eine Revanche.

Und auch die VfR-Verantwortlichen freuen sich darüber, dem Jahr des Abstiegs in die B-Liga doch noch eine positive Note verleihen zu können. „Wir freuen uns über die äußerst gelungene Idee. Für uns ist das eine tolle Sache, denn von der Organisation wird uns vieles abgenommen“, sagt Präsidiumsmitglied Andreas Kautzmann.

Verband der Historiker verspricht „hochoffizielle Überraschung“

Besagte Idee kam von den Fußballtraditionalisten der „Initiative 1903“ und des „Verbandes deutscher Fußballhistoriker“ (VDFH). Nach gut anderthalb Jahren Planung ist der Weiterstädter Sebastian Wunderlich, Vorstandsmitglied beider Vereine, ausgesprochen glücklich darüber, dass es tatsächlich zu einer Neuauflage des Endspiels von 1975 kommt. „Zwischenzeitlich hatten wir echt Bedenken, doch jetzt erwartet uns ein großartiges Programm, zudem haben wir eine hochoffizielle Überraschung im Gepäck“, sagt er.

Doch wie kamen er und seine Mitstreiter überhaupt auf die Idee einer Revanche? „Zur Victoria habe ich seit längerer Zeit Kontakt, seit 2012 haben wir schon bei mehreren Projekten zusammengearbeitet“, berichtet Wunderlich. „Die ersten Berührungspunkte mit dem VfR Bürstadt hatte ich beim Abriss der Tribüne des alten Robert-Kölsch-Stadions, von der ich auch eine blaue Sitzschale ergattern konnte.“ Eher zufällig sei er bei seinen privaten Recherchen auf den Bürstädter Finalsieg von 1975 gestoßen. Recht schnell sei dann aber der Gedanke gereift, die Partie noch einmal spielen zu lassen.

Dem VfR stattete er im Februar 2024 sogleich einen Besuch ab, um den Vereinsvertretern sein neues Herzensprojekt vorzustellen. Die Resonanz war „absolut positiv“. Daraufhin klopfte Wunderlich bei seinen Bekannten in Hamburg an, stieß jedoch zunächst auf ein verhaltenes Echo. Einen sportlichen Mehrwert konnten die Hanseaten kaum erkennen, schließlich wollte ein damals bereits gebeutelter A-Ligist einen Oberligisten herausfordern.

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„Aber die Historie ist irgendwie geil“, hielten die Befürworter den Skeptikern entgegen – und behielten letztlich die Oberhand, auch weil Wunderlichs Konzept „von einem fußballhistorischen Event“ überzeugte.

Mit „Wiederholungen“ von früheren Endspielen hätten Wunderlich und Co. bislang ausschließlich positive Erfahrungen gemacht, führt der Multifunktionär weiter aus. Denn die „Initiative 1903“ war ursprünglich gegründet worden, um an das sagenumwobene erste Finale um eine deutsche Fußball-Meisterschaft zwischen dem DFC Prag und dem VfB Leipzig im Sommer 1903 zu erinnern. 2011 wurde deshalb am Ort des Endspiels in Hamburg-Altona eine Gedenktafel errichtet.

2019 ermittelten schließlich alle sechs Teilnehmer der damaligen Endrunde (Altonaer FC 93, Karlsruher FV, VfB Leipzig, Viktoria Magedeburg, Britannia 92 Berlin sowie der DFC Prag) den „ersten Deutschen Meister 2.0“. Der Sieger war indes der gleiche: der VfB Leipzig. „Mehr geht eigentlich nicht. Das große Ziel unserer Anfangszeit haben wir erreicht“, brachte es Sebastian Wunderlich damals im Gespräch mit dem Zeitspiel-Magazin auf den Punkt.

„Es geht mehr als nur um den direkten sportlichen Vergleich“

Doch es ging mehr. Und das bis heute, wie das Spiel am heutigen Freitag zeigt. Dabei spielt es für alle Beteiligten auch keine Rolle, dass zwischen den Kontrahenten von einst inzwischen fußballerische Welten liegen. „Mir geht es bei diesen Projekten um mehr als nur den um den direkten sportlichen Vergleich. Es geht um die Historie, die Identität, Werte und das Miteinander“, sagt Wunderlich.

Die Victoria wird deshalb mit einer Truppe antreten, in der auch Sanitäter, Platzwart oder Pressesprecher vertreten sind, die Bürstädter werden nach Angaben ihres Präsidiumssprechers Klaus Gassert eine gemischte Elf aus erster und zweiter Mannschaft ins Rennen schicken. „Ich hoffe, dass die Jungs, die im Rahmen ihrer Abschlussfahrt nach Hamburg fahren, fit genug sind, um der Victoria Paroli bieten zu können“, sagt der Funktionär.

Ein wenig schade sei aus Bürstädter Sicht hingegen, „dass keiner der damaligen Helden von Ludwigsburg mitkommen will“. fran/atth/ü

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