Beachhandball

Beachhandball-EM: Bronze-Medaille für Lucie Kretzschmar

Die Beachhandball-EM hatte für Flames-Spielerin Lucie Kretzschmar und das Nationalteam ein versöhnliches Ende: Im Spiel um Platz drei gab es ein 2:1 gegen die Niederlande.

Von 
Marvin Zubrod
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Beim Beachhandball steht Flames-Spielerin Lucie Kretzschmar (vorn Mitte) meist im Mittelpunkt – wie hier nach dem jüngsten Gewinn der EM-Bronzemedaille. © DHB/EHF

Bensheim. Lucie Kretzschmar wirft sich nach vorn in den Sand, schnappt sich den auf dem Boden liegenden Ball und wirft ihn zu ihrer Mitspielerin Isabel Kattner, die den Angriff erfolgreich abschließt. So geht die deutsche Beachhandball-Nationalmannschaft der Frauen im EM-Halbfinale gegen Norwegen bereits nach 20 Sekunden in Führung. Der kämpferische Einsatz von Kretzschmar kann zwar die 0:2-Satzniederlage gegen die Skandinavierinnen nicht verhindern, doch der 2:1-Sieg gegen die Niederlande im Spiel um Platz drei tags darauf sorgt für einen versöhnlichen Abschluss (wir haben bereits berichtet).

Für Lucie Kretzschmar, Kapitänin der Beachhandball-Nationalmannschaft, ist es die erste Bronzemedaille, obwohl die Rückraumspielerin des Handball-Bundesligisten HSG Bensheim/Auerbach im Beachhandball fast alles gewonnen hat. Kretzschmar ist zweifache Welt- und Europameisterin, hat im Jahr 2022 bei den World Games, den Spielen der nicht-olympischen Sportarten, die Goldmedaille gewonnen und war zudem zweimal „Beachhandballerin des Jahres“. Trotz ihrer Erfolge war die Bronzemedaille für die 24 Jahre alte Abwehrspielerin eine ganz besondere. Nach der Halbfinalniederlage gegen Norwegen war die Mannschaft emotional an einem Tiefpunkt. „Wir haben heulend dagesessen“, sagt Kretzschmar. Wenig deutete an diesem Samstagabend daraufhin, dass sich Deutschland für das Spiel um den dritten Platz nochmal aufraffen könnte. „Wir haben uns aus dem Loch rausgekämpft.“

Gleichwohl macht Kretzschmar klar, dass der Sieg gegen die Niederlande „ein bisschen Glückssache“ gewesen sei. „Es hätte auch anders ausgehen können“, sagt sie mit Blick auf das entscheidende Shootout. Zum Verständnis: Im Beachhandball werden zunächst zwei Halbzeiten je zehn Minuten gespielt. Die Zählweise gleicht dabei eher einem Satz, ähnlich wie beim Beachvolleyball oder Tennis. Denn wie hoch eine Mannschaft eine Halbzeit gewinnt, hat für den weiteren Verlauf keine Bedeutung. Für jeden gewonnenen Abschnitt erhält sie einen Punkt. Gewinnt jede Mannschaft eine Halbzeit, so wie im Spiel um Platz drei gegen die Niederlande (23:18, 18:20), kommt es zum Shootout.

Das entspricht jedoch keinem Siebenmeterwerfen, wie es Fans aus dem Hallenhandball kennen, sondern eher einer dynamischen Angriffs-Abwehr-Konstellation, vergleichbar mit dem Penaltyschießen beim Eishockey. Ein Duo bildet dabei den Angriff, bestehend aus der Torhüterin, die den Anwurf ausführt, und einer Feldspielerin. In der Regel wirft die Torhüterin den Ball nach vorn zu ihrer Mitspielerin, die versucht, die gegnerische Torhüterin zu überwinden. Dazu kommt: Schließt die Spielerin den Wurf mit einem Trick ab, dreht sie sich zum Beispiel während des Sprungs um die eigene Achse, gibt es zwei Punkte für das Tor.

Das ist den Niederländerinnen in den ersten vier Würfen gut gelungen, Deutschland hingegen scheiterte im dritten Versuch mit einem Heber an der Torlatte. Im fünften und letzten Versuch hätte den Niederländerinnen dann ein „einfacher“ Wurf zum Sieg gereicht. Also setzte Deutschland auf eine Schlitzohr-Taktik: Torfrau Isabel Kattner, eine gelernte Offensivspielerin, rückte früh aus ihrem Kasten nach vorn. So weit, dass die niederländische Torhüterin nicht wie üblich den Ball zu ihrer Mitspielerin warf, sondern es aus etwa 20 Metern selbst versuchte – und über das Tor warf. Deutschland blieb in den beiden folgenden Versuchen cool, ehe es wieder Kattner war, dieses Mal mit einer „echten“ Parade, die ihrer Mannschaft den Sieg brachte und in Ekstase versetze.

Fokus auf trickreiche Abschlüsse im Angriff

Kretzschmar spricht von „sehr intensiven Tagen“, wenn sie auf die Woche in der Türkei blickt. Viele Fans, die zuvor noch als Touristen die Promenade im türkischen Alanya entlangflaniert waren, kamen zu den Spielen. Die Stimmung sei gut gewesen, sagt Kretzschmar.

Auch das macht den Beachhandball so besonders: Die Spiele werden mitunter an belebten Stränden ausgetragen und können so ganze Familien begeistern, die zuvor vielleicht noch keine Berührungspunkte mit dem Handball hatten. Dazu kommt taktische Raffinesse, gepaart mit körperlichen Höchstleistungen im Sand – und das alles komprimiert auf nur 20 Minuten Spielzeit. Fast unnötig zu erwähnen, dass spektakuläre Würfe, die mit zwei Punkten belohnt werden, zu fast jedem Angriffszug gehören. Deutschland setzt meist auf die Pirouette, also die Drehung um die eigene Achse nach dem Absprung. Andere Nationen versuchen es über den Kempa-Trick, bei dem Annahme und Abschluss im Sprung in der Luft erfolgen.

Der Fokus auf trickreiche Abschlüsse im Angriff bietet der Abwehrformation wiederum neue Möglichkeiten. Denn die Spielerinnen drehen sich während der Pirouette vor allem auf der Stelle, weshalb sie nicht weit in den Torraum springen. So kann Abwehrspezialistin Kretzschmar mit gestreckten Armen in die sechs Meter lange und zwölf Meter breite Zone springen, um vor die Angreiferin zu kommen und den Wurf zu blockieren. Die Abwehr- und Angriffssituationen sind so komplex, dass Defensive und Offensive innerhalb einer Mannschaft getrennt auftreten. Für Kretzschmar und ihre Abwehrkolleginnen heißt das, dass sie nach einem Spielzug den Platz verlassen und eine neue Angriffsformation aufs Feld kommt.

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Vielleicht ist diese Mischung aus anspruchsvoller Technik und spektakulären Spielzügen der Grund dafür, dass Kretzschmar sagt: „Der Beachhandball ist mein Baby.“ Seit Jahren gehört die gebürtige Magdeburgerin zu den besten ihres Sports und war daher im vergangenen Jahr sogar bei den Olympischen Spielen in Paris, um den Beachhandball auf einem so genannten Demonstrationswettbewerb zu präsentieren. Für die nächsten Spiele in Los Angeles wurde das Strandspektakel noch nicht aufgenommen, 2032 könnte es im australischen Brisbane so weit sein. Für Kretzschmar wäre eine Teilnahme dort etwas „absolut Besonderes“.

Doch zunächst wird sie sich nach ein paar Trainingstagen bei den Flames auf die World Games konzentrieren, die vom 7. August an im chinesischen Chengdu stattfinden. Für ihr Lehramtsstudium in Heidelberg mit den Fächern Deutsch und Englisch an Grundschulen wird sie dann zwar nicht so viel Zeit haben, dafür könnte es für Kretzschmar bald ihre sechste Goldmedaille geben: „Ich gehe zu jedem Turnier, um zu gewinnen.“

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