Barrierefreiheit

Was tun, wenn der Behindertenparkplatz blockiert ist?

Elisabeth Fischer ist auf Behindertenparkplätze angewiesen – doch diese sind in Weinheim oft widerrechtlich besetzt.

Von 
Melissa Richter
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Elisabeth Fischer besitzt den „blauen Parkausweis“, mit dem sie ihr Auto auf Behindertenparkplätzen abstellen darf. © Philipp Reimer

Weinheim. „Das ist eine Frechheit!“ So beschreibt Elisabeth Fischer das Verhalten derer, die ihr Auto unrechtmäßig auf Behindertenparkplätzen abstellen. Noch schlimmer wird die Situation, wenn die 84-Jährige die Falschparker ertappt und auf ihr Fehlverhalten anspricht. „Dann reagieren sie ruppig, regen sich auf und werden beleidigend“, berichtet sie.

Seit einigen Jahren ist Fischer schwerbehindert. Das bedeutet, dass die Seniorin einen sogenannten Grad der Behinderung (GdB) von 50 oder mehr hat – in ihrem Fall 100. Der GdB ist ein Maß für die Auswirkungen einer Beeinträchtigung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft und ist in Zehnerschritten von 10 bis 100 eingeteilt. Wenn dieser über 50 liegt, hat man Anspruch auf einen Schwerbehindertenausweis. Doch dieser gilt nicht automatisch als Erlaubnis, um auf Behindertenparkplätzen zu parken – sondern ist eine Voraussetzung.

Menschen mit einer außergewöhnlichen Gehbehinderung, dem angeborenen Fehlen kompletter Extremitäten (Amelie) oder vergleichbaren Funktionseinschränkungen sowie blinde Menschen können eine Ausnahmegenehmigung erhalten: den „blauen Parkausweis“. Nur mit diesem darf auf den Abstellplätzen mit Rollstuhl-Symbol geparkt werden. Genau diesen Ausweis hat die Wahl-Weinheimerin seit zwei Jahren in ihrem Auto liegen und weiß: Die Realität sieht anders aus. Fischer erlebt beinahe jeden Tag, dass Personen ohne Berechtigung auf den gekennzeichneten Flächen ihre Autos abstellen und diese so für betroffene Menschen blockieren. „Oft sind es Lieferanten, die nur schnell etwas abliefern wollen“, sagt die Rentnerin und erklärt weiter: „Aber manchmal sind es Mütter, die sagen, dass sie dort auch parken dürften, weil sie ein Kind hätten.“

Auch Taxen und Stadtfahrzeuge würden unrechtmäßig auf den Parkplätzen stehen. Für Fischer stellt das ein großes Problem dar, denn so kann sie ihren Alltag kaum bewältigen: „Ich finde dann keinen Parkplatz und müsste mein Auto weiter weg abstellen“, schildert sie die Lage und führt aus: „Das ist keine Option, da ich nicht so weit laufen kann.“ Wenn sie Falschparker entdeckt, sucht Fischer das Gespräch. „Manche zeigen sich verständnisvoll und entschuldigen sich“, weiß sie. Und weiter: „Es kommt aber häufiger vor, dass sie schimpfen und mich, die Stadt oder das Ordnungsamt beleidigen.“ Sie erlebe es nach dem Motto: „Bist du alt – bist du selbst schuld.“

Über 8.000 Parkverstöße

In Weinheim gibt es laut Angaben der Stadt über 1.300 Stellplätze, nur wenige davon sind ausgewiesene Behindertenparkplätze. Doch diese bringen wenig, wenn die Betroffenen keinen Zugang dazu haben oder sie nicht nutzen können. „Wer falsch parkt, behindert andere Verkehrsteilnehmer“, sagt Weinheims Stadtsprecher Roland Kern. Der Pressesprecher der Zweiburgenstadt weiß: Es wurden 474 Bußgeldbescheide und 656 Kostenbescheide auf städtischen Parkplätzen und im öffentlichen Raum versendet. Der Unterschied: Ein Bußgeldbescheid ist die Strafe für eine Ordnungswidrigkeit – zum Beispiel Verkehrsverstöße. Oft müssen hier auch die Verfahrensgebühren übernommen werden. Der Kostenbescheid ist eine Rechnung für eine behördliche Maßnahme, also zum Beispiel das Abschleppen eines Fahrzeugs.

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Jürgen Reinhardt
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Die Falschparker auf Behindertenparkplätzen werden in der Statistik nicht gesondert erfasst, doch Kern fügt hinzu: „Im vergangenen Jahr wurden insgesamt 8.492 Parkverstöße festgestellt und geahndet. Dabei ist eine Summe von 230.000 Euro zusammengekommen.“ Doch hinter den nüchternen Zahlen stehen auch ganz konkrete Herausforderungen im Alltag – insbesondere für Menschen mit Behinderungen. Anne-Kathrin Keuk, Leiterin des Zentrums für Inklusion am Pilgerhaus, findet, dass es generell zu wenig Behindertenparkplätze an schönen Orten gibt – wie zum Beispiel in der Altstadt. „Das würde die gesellschaftliche Teilhabe ungemein fördern“, erklärt sie und führt aus: „Man muss nicht nur vor der Arztpraxis oder dem Amt parken, sondern möchte auch seine Freizeit schön gestalten.“ Ein weiteres Beispiel aus der Realität: Gerade wenn Gruppen aus dem Pilgerhaus mit einem größeren Bus unterwegs sind, ist das Parken oft schwierig.

Barrierefreiheit wird besser

Doch die Barrierefreiheit in der Zweiburgenstadt bezieht sich nicht nur auf das Autofahren. „Auf Fußwegen wird es für Menschen mit Sehbehinderung schwierig, wenn Mülltonnen, E-Scooter oder Lieferautos mitten auf dem Weg stehen“, erklärt Keuk. Dort appelliert sie an die Bürger, damit darauf geachtet wird, dass die Blindenleitsysteme freigehalten werden. Auch der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) spielt eine große Rolle. Dabei sieht die Zentrumsleiterin positive Fortschritte: „Die bauliche Einstiegssituation an den Haltestellen in Weinheim hat sich verbessert.“ Jetzt müssten sich nur noch die Fahrer der öffentlichen Verkehrsmittel an die verlängerte Einstiegszeit halten.

Noch einmal zurück zu Elisabeth Fischer und den blockierten Parkplätzen: Sie sieht, dass das Ordnungsamt und die Stadt versuchen, das Parkproblem zu beheben. „Doch sie haben nicht die Zeit, mit den Menschen zu reden und sie aufzuklären.“ Deswegen wird die Wahl-Weinheimerin nicht aufhören, mit den Falschparkern das Gespräch zu suchen. Der Wunsch der 84-Jährigen ist, „dass die Leute begreifen, dass der Behindertenparkplatz eine Hilfe für diejenigen ist, die ihn wirklich brauchen“.

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