Region. Seit über einem Vierteljahrhundert hat sich die Wirtschaftsförderung Bergstraße (WFB) die prosperierende Entwicklung der Wirtschaftsregion Bergstraße zur Aufgabe gemacht. Das mit großem Erfolg, denn aus der ursprünglichen Wirtschaftsförderungsgesellschaft Mittlere Bergstraße mit fünf beteiligten Kommunen ist längst eine kreisweite professionelle Organisation mit fünf Fachbereichen und 29 Gesellschaftern geworden.
Seit 13 Jahren führt Dr. Matthias Zürker die Geschäfte der Wirtschaftsförderung, der er seit 15 Jahren angehört – zunächst als Leiter Unternehmensservice, dann als stellvertretender Geschäftsführer. Wir sprachen mit ihm über die Entwicklung und Herausforderungen der Gesellschaft.
Welche Motivation und welche Ziele gaben 1998 den Anlass für die Gründung der WFB?
Matthias Zürker: Die Initiative ging vom damaligen Bensheimer Bürgermeister Georg Stolle aus, dem es um das ganz klassische Ziel ging, Kräfte zu bündeln sowie Aufgaben zu fokussieren und zu professionalisieren. Damals war der Aktionsradius mit den Gründungsmitgliedern Bensheim, Zwingenberg, Lautertal, Einhausen und Lorsch sowie der Sparkasse Bensheim noch eher kleinräumig und bezog sich auf das Geschäftsgebiet der Sparkasse. Man wollte Impulse für die Wirtschaft setzen, Ansprechpartner für die Wirtschaft sein, Gewerbeflächen entwickeln und Unternehmen ansiedeln.
Was waren die wichtigsten Entwicklungsschritte in den vergangenen 27 Jahren?
Zürker: Mit der Öffnung und Aufnahme weiterer Gesellschafter wurde 2004 aus der Gesellschaft Mittlere Bergstraße die Wirtschaftsförderung Bergstraße mit dem damaligen Landrat Matthias Wilkes als Vorsitzenden der Gesellschafterversammlung. Mit dem Beitritt der Gemeinde Rimbach sind seit 2008 alle Bergsträßer Kommunen Gesellschafter. In der Gesellschafterversammlung sind zu je einem Drittel der Kreis Bergstraße, die Sparkassen und Volks- und Raiffeisenbanken der Region sowie die Städte und Gemeinden des Kreises vertreten.
Neben dem Umzug der WFB von Bensheim nach Heppenheim an den noch heute aktuellen Standort erfuhr auch die Wirtschaftsregion eine rasante Entwicklung. Die Kurve ging nach oben. Es entstanden viele Gewerbegebiete mit Firmenansiedlungen und die Bevölkerung wuchs. Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung hatten auch die Finanzkrise, die Corona-Pandemie und der Krieg in der Ukraine mit der damit verbundenen Energiekrise. Unter den Folgen dieser Krisen leidet die Wirtschaft nach wie vor.
Was würden Sie als bedeutendste Veränderung seit der Gründung bezeichnen?
Zürker: Da gibt es mehrere Aspekte, die sich auch in unseren Fachbereichen widerspiegeln. Neben der umfassenden Beratung und Unterstützung der Bestandsunternehmen, dem Standortmarketing mit Investorenberatung, der Gründungsberatung sowie der Kommunalbetreuung sind neue Themen dazugekommen. 2011 war es die Energieagentur Bergstraße, die sowohl Kommunen als auch Privathaushalte mit umfassender Beratung bei der Energiewende unterstützt. 2013 kam die Tourismusagentur dazu, die seit zehn Jahren ihren Sitz in Lorsch hat.
Bereits seit 2009 gibt es die Gründungsoffensive Bergstraße, die unter anderem alljährlich mit einem Gründungswettbewerb Gründungswillige und junge Unternehmen bei ihrem Start in die Selbstständigkeit unterstützt. Der aktuelle Wettbewerb wurde gerade gestartet und interessierte Teilnehmer können sich noch bis September anmelden. Auch personell hat sich in den vergangenen 27 Jahren viel geändert. Wurde das Personal in den Anfangsjahren noch von der Sparkasse Bensheim gestellt, beschäftigt die Wirtschaftsförderung heute 25 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf 15 Stellen.
Wo sehen Sie heute die Herausforderungen für eine effiziente Wirtschaftsförderung?
Zürker: Digitalisierung, Dekarbonisierung, Fachkräfte, Unternehmensnachfolge oder die Nutzung Künstlicher Intelligenz sind sowohl aktuelle als auch künftige Herausforderungen. Wir wollen die Unternehmen dabei unterstützen und motivieren, den Transformationsprozess anzunehmen und vor allem die sich daraus ergebenden Chancen zu nutzen. Eine weitere Herausforderung sind Gewerbeflächen, die längst nicht mehr in dem Umfang zur Verfügung stehen wie in den Anfangsjahren der Wirtschaftsförderung beziehungsweise wie sie eigentlich benötigt würden. Heute geht es daher auch darum, vorhandenen Flächen durch Umnutzung neu zu beleben.
Können Sie gute Beispiele für unternehmerischen Mut, Innovation oder zukunftsorientierte Geschäftsmodelle in der Region Bergstraße nennen?
Zürker: Da könnte ich bei den Unternehmen viele Beispiele nennen, möchte aber keines herausstellen. Ich möchte den Fokus eher auf Gründungen legen. In diesem Bereich wäre vor allem unsere Gründungsoffensive mit ihrem alljährlichen Gründungswettbewerb. Die Teilnehmenden dieses Wettbewerbs sind ein Paradebeispiel für Innovationsfreude und Gründergeist und bieten mit ihren Geschäftsmodellen Lösungen für die Herausforderungen unserer Zeit. Unternehmerischer Mut wird aber auch im Bereich der Unternehmensnachfolge offensichtlich, da es diesen braucht, bestehende Strukturen zu übernehmen und zukunftsfähig auszurichten.
Ein ganz aktuelles Beispiel ist die Umnutzung des ehemaligen KKW-Geländes in Biblis. Im Rahmen einer Kooperationsvereinbarung zwischen dem Kreis Bergstraße, der RWE, der Gemeinde Biblis und der Wirtschaftsförderung Bergstraße wird das 100 Hektar große Gelände untersucht und eine Machbarkeitsstudie erstellt, um zu klären, welche Entwicklungen auf dem Gelände möglich und sinnvoll sind.
Was würden Sie als besondere Stärke der WFB bezeichnen?
Zürker: Wir sind kunden- und dienstleistungsorientiert und nah an unseren Zielgruppen. Durch die damit gegebene schnelle Reaktionszeit und die Möglichkeit, auf individuelle Bedürfnisse eingehen zu können, generieren wir einen Mehrwert für die Unternehmen, die Gründenden, die Kommunen sowie auch für die Bürgerinnen und Bürger. Ergänzt wird das durch die Nähe zu Kreis- und Kommunalverwaltungen sowie durch ein starkes Netzwerk, zu dem auch die in unserem Beirat vertretenen Wirtschaftsfachleute gehören.
Insgesamt 34 Persönlichkeiten aus dem regionalen Wirtschaftsraum bilden hier eine gute Mischung aus allen Branchen mit langjähriger Erfahrung und aktuellem Unternehmertum beziehungsweise von Konzernen und dem familiengeführten Mittelstand. Vorsitzender des Beirats ist von Anfang an Dr. Jürgen Gromer.
Wenn Sie einen Wunsch frei hätten: Welche eine Maßnahme würden Sie für die Wirtschaftsregion Bergstraße auswählen?
Zürker: Umgeben von Universitäten und Hochschulen würden von einem Standort einer Hochschule oder einem außeruniversitären Forschungszentrum direkt in der Region sicher viele neue Impulse ausgehen. Wünschenswert wären auch weitere Entwicklungsmöglichkeiten für die Wirtschaft, wobei ein Fokus auf den Innenbereich und der Nachnutzung von aufgelassenen Standorten gelegt werden sollte.
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