Bergstraße. Kurz vor Weihnachten hatte die Bergsträßer SPD vor allem die verlorene Kommunalwahl und ihre neue Rolle als Kreistags-Opposition im Blick. Beim Pressegespräch zum Jahresauftakt nahm der Vorstand jetzt in erster Linie landes- und bundespolitische Themen ins Visier. Von der gewonnenen Bundestagswahl und dem sozialdemokratischen Kanzler Olaf Scholz erhofft sich der Unterbezirk nun auch positive Effekte auf die nächsten Landtagswahlen im Herbst 2023. Es sei klares Ziel, nach über 20-jähriger Pause wieder die Landesregierung anzuführen, so der Vorsitzende der SPD-Bergstraße Marius Schmidt in einer Video-Konferenz.
Ob Karin Hartmann dann erneut kandidieren wird, ließ sie am Freitag noch unbeantwortet. Die gebürtige Heppenheimerin (Jahrgang 1959) war von 1995 bis 2008 Abgeordnete des Hessischen Landtags, dem sie seit 2013 wieder kontinuierlich angehört. Die beiden letzten Male war sie über einen Listenplatz ins Parlament gerückt. Im November wurde sie als eine von vier stellvertretenden Unterbezirksvorsitzenden im Kreis Bergstraße wiedergewählt. Über eine potenzielle Kandidatur zur Landtagswahl werde man in den kommenden Monaten intern beraten, sagte Hartmann in der Online-Schalte.
SPD für Wählen ab 16 auf Kreisebene
Der stellvertretende SPD-Unterbezirksvorsitzende Philipp Ofenloch hofft auf die Senkung des Wahlalters auf kommunaler Ebene. In elf von 16 Bundesländern können 16-Jährige zumindest bei der Kommunalwahl ihre Stimme abgeben. In Brandenburg, Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein können sie sogar die Zusammensetzung der Landtage mitbestimmen. In Hessen gab es seit 1998 kurzzeitig das Wahlrecht ab 16. Die Änderung wurde 1999 durch die Regierung unter Roland Koch (CDU) rückgängig gemacht.
Die Senkung des Kommunalwahlalters auf 16 Jahre sei ein wichtiges Signal für mehr Mitgestaltungsmöglichkeiten, erklärte Ofenloch. Er sieht das auch als ein Instrument, um die Politikverdrossenheit bei Jugendlichen einzudämmen. Dort, wo dies bereits möglich ist, erkenne man ein tendenziell stärkeres politisches Interesse jüngerer Menschen. In Hessen hatte die SPD im vergangenen Jahr einen neuen Anlauf zur Senkung des Wahlalters gestartet. tr
„Ein Ziel ohne Plan ist nur ein Wunsch“, zitierte Schmidt mit Blick auf die – noch distanzierten – Ambitionen in Wiesbaden den französischen Schriftsteller Antoine de Saint-Exupéry. Bereits am kommenden Mittwoch tagt in Heppenheim die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (AsF), deren Vorsitzende Silke Lüderwald aus Lampertheim nicht mehr kandidieren wird. Josefine Koebe aus Bensheim, die ebenfalls zur Kreisspitze gehört, will das Amt übernehmen. Zentraler Anspruch der Frauenorganisation ist die Gleichstellung von Frauen und Männern in Partei und Gesellschaft. Die 33-Jährige, die für ihre Partei auch im Bensheimer Magistrat sitzt, betonte diese Aufgabe auch als eines ihrer persönlichen Ziele.
„Nur gemeinsam und solidarisch“
Laut Marius Schmidt haben die Bergsträßer Sozialdemokraten den Berliner Koalitionsvertrag geschlossen sehr positiv bewertet. Vom neuen Gesundheitsminister Karl Lauterbach erwarte man jetzt eine „zupackende Politik“ zur weiteren Bekämpfung der Pandemie. Das von der Regierung gesteckte Ziel von 30 Millionen Impfungen bis Jahresende habe man erreicht und sogar leicht übertroffen. Es gingen täglich weitaus mehr Menschen zur Booster-Impfung als zu den sogenannten „Spaziergängen“ auf die Straße, so Schmidt über die öffentlichen Versammlungen von Gegnern der Corona-Maßnahmen, wie sie auch im Kreis Bergstraße stattfinden – etwa in Bensheim, Heppenheim, Lampertheim, Zwingenberg und Viernheim.
Er sehe daher aktuell keine Spaltung der Gesellschaft, so Schmidt über die große Mehrheit der Menschen, die bei der Eindämmung der Corona-Krise helfen, indem sie sich impfen lassen und die Regeln beachten. „Es ist aber ein Problem, wenn manche Corona als Vorwand nutzen, um Hass und Hetze zu schüren“, so der Lampertheimer Erste Stadtrat. Die Pandemie sei nur gemeinsam und solidarisch zu überstehen. Ein Dialog über die Sinnhaftigkeit einzelner Maßnahmen sei grundsätzlich immer möglich, wenn er auf einer sachlichen Ebene stattfinde.
Auch Karin Hartmann verurteilte am Freitag jede Form radikaler und antidemokratischer Proteste. Wer an „Spaziergängen“ teilnehme, lasse sich bewusst von rechten Kräften instrumentalisieren, so das Mitglied im Innenausschuss des Hessischen Landtags. Man müsse jetzt konsequent gegen Corona-Leugner vorgehen. Dabei nimmt Hartmann vor allem den Hessischen Innenminister Peter Beuth (CDU) in die Pflicht. Die Politik müsse nun klare Kante zeigen gegen alle, die durch gezielte Falschaussagen und Verharmlosungen die Demokratie gefährden und zu einer Verlängerung der Pandemie beitrügen. Auch angesichts zunehmender Todesdrohungen und Gewaltaufrufen komme es nun auf ein entschlossenes Handeln aller demokratischen Parteien an. Sie kenne persönlich mehrere Kollegen aus dem Landtag, die bedroht wurden, so Karin Hartmann.
Derartige Angriffe gegenüber Vertretern des Rechtstaats seien nicht hinnehmbar, so die Abgeordnete, die auch bei der Aufklärung rechter Vorfälle innerhalb der hessischen Polizei zu mehr Tempo aufruft. Hier habe man bereits zu viel Zeit verloren. „Man muss das zeitnah aufarbeiten“, so Karin Hartmann, die aber ausdrücklich davor warnte, jeden Polizisten unter Generalverdacht zu stellen: „Es handelt sich um Einzelfälle.“ Wegen Beteiligung an rechtsextremen Chatgruppen wird seit Sommer 2021 gegen mindestens 50 Beamte ermittelt.
URL dieses Artikels:
https://www.bergstraesser-anzeiger.de/region-bergstrasse_artikel,-bergstrasse-spd-bergstrasse-mehr-menschen-beim-boostern-als-bei-spaziergaengen-gegen-corona-massnahmen-_arid,1900417.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.bergstraesser-anzeiger.de/orte/heppenheim.html
[2] https://www.bergstraesser-anzeiger.de/orte/bensheim.html