Kultur

Spaß mit Chaos-Clowns bei der Festspiel-Premiere

Hans-Joachim Heist spielt bei den diesjährigen Festspielen in Heppenheim die Hauptrolle in Ken Ludwigs Stück „Otello darf nicht platzen“ - eine Knallkopfkomödie mit Herz.

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Maggie (Saskia Huppert) belauscht das Gespräch von Ehepaar Maria (Iris Stromberger) und Tito Merelli (Hans-Joachim Heist) – Szene aus der Komödie „Otello darf nicht platzen“ bei den Heppenheimer Festspielen. © Dagmar Jährling

Heppenheim. Otello kann nicht platzen. Verdis „Otello“ ist abgesagt. Ken Ludwigs Komödie von 1985, die von einem schwarz geschminkten Tenor in der Titelrolle handelt, der vom schwarz geschminkten Assistenten ersetzt wird, geht nicht mehr. „Blackfacing“, in den USA des 19. Jahrhunderts eine rassistische Bühnenpraxis, ist mittlerweile weltweit verpönt. Da „Otello darf nicht platzen“ aber eine Verwechslungskomödie mit Maskenspiel ist, haben sie zum Start der Heppenheimer Festspiele einfach die Oper gewechselt.

Der Regisseurin gelingt bestes Boulevardtheater

Nun soll der gefeierte Tenor Tito die Titelpartie in Leoncavallos „Bajazzo“ singen: ein weiß geschminkter Clown mit roter Nase, den man leicht mit dem nächstbesten Clown verwechseln kann. Dem Spaß schadet der Rollenwechsel nicht. Aber die Woke-Wende ist natürlich nur halbherzig. Eigentlich hätte man auch gleich noch diesen Tito selbst feuern müssen, denn der gilt in der Branche als saufender Grabscher, der manisch in Ausschnitte starrt und reihenweise Fanfrauen flachlegt. Geniekult und Groupies? Machismo und Frauenverachtung? Geht doch auch nicht mehr.

Der Tenor hat seine Schuldigkeit getan, der Tenor kann gehen. Wäre aber sehr schade, muss man nach zweieinviertel Stunden im Kurmainzer Amtshof konstatieren, denn Regisseurin Iris Stromberger gelingt bestes Boulevardtheater. Und dazu gehören hier neben turbulenten Versteckspielen und aberwitzigen Missverständnissen eben auch haarsträubende Klischees.

Von Blähungen und Bäuerchen

Ingo Schöpp hat dafür zwei Zimmer mit Zwischentür, vier Ausgängen und einem Schrank gebaut, wo das Ensemble ständig auf- und ab- und in Deckung gehen kann. Alle warten auf Tito, der notorisch zu spät und überfressen ist. Blähungen und Bäuerchen quälen den Maestro ebenso wie der chronische Ehekrach mit seiner eifersüchtigen Ehefrau Maria.

Der Star des Abends droht, sich vor Aufregung zu übergeben, weshalb man dieses Stück nun eigentlich besser „Bajazzo darf nicht brechen“ taufen sollte. Theaterassistent Max mischt dem Tenor Schlafmittel in den Wein, ohne zu wissen, dass Tito schon reichlich Phenobarbital intus hat. Der Sänger verpennt seinen Auftritt, der Assistent springt ein und triumphiert. Tito erwacht in Panik, stürmt als verspäteter Bajazzo raus, Max kommt als gefeierter Bajazzo rein. Und das Chaos mit Clowns bricht los.

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Nach der Pause schnurrt dieser Wahnsinn wie am Schnürchen. Das gelingt handwerklich so gut, weil hier ein handfestes Ensemble agiert. Tito, von dem es heißt, er mache schweißgebadet im Lendenschurz die Damen wuschig, ist in der gedrungenen Gestalt von Hans-Joachim Heist wunderbar gegen den Typus Womanizer besetzt.

Und was diesem Opernhelden an Staraura zugeschrieben wird, zersetzt der in der „heute-Show“ des ZDF als Choleriker vom Dienst bekannte Komiker mit Sinn für ironische Brüche. So filigran ist der Witz jedoch nicht immer. Da Tito und Maria aus Italien kommen, müssen Heist und Iris Stromberger laut radebrechend zanken, was bald schon wirkt, als würden sie eine Trapattoni-Pressekonferenz in Endlosschleife parodieren. Wird irgendwann anstrengend: Was erlauben, Tito! Das erledigt sich aber, als sie abgeht und er einschläft.

Was folgt, ist ein wildes Erwachen. Die verführerische Sängerin Julia (Franzsika Lather) schmeichelt Tito für den Auftritt, den er verpennt hat, derart ranschmeißerisch, dass er sie für eine Prostituierte hält. Maggie (Saskia Huppert), die von Max enttäuscht ist, schmeißt sich nach der „Bajazzo“-Show an ihren maskierten Verlobten ran, den sie aber für Tito hält. So abstrus das ist, so tragikomisch wird es auch. Womit man beim feinen Comedian Sebastian Muskalla wäre, dessen Max die eigentliche Hauptfigur ist, denn er verleiht der Sause ihre melancholische Note.

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Der verkannte Sänger hat zwar eine große Stimme, aber ein mickriges Ego ohne Rückgrat. Das macht ihn auch in der Stunde seines Sieges zum traurigen Clown, denn er wird von seiner großen Liebe nicht als er selbst verehrt. Einzig Tito, der noch weniger durchblickt als alle anderen, sieht die wahre Begabung, wird für Max zum Mentor. Umtost von absurden Eitelkeiten ist diese Künstlerfreundschaft die wahre Liebesgeschichte in einer Knallkopfkomödie mit Herz. sb/ü

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