Bergstraße. Drei junge Männer sind von Untaten aus der Vergangenheit eingeholt worden: In den Jahren 2018 und 2019 waren sie im Kreis Bergstraße an verschiedenen brutalen Angriffen auf andere Menschen beteiligt. Dass die Vorfälle so lange zurückliegen, kam den Angeklagten im Prozess am Amtsgericht Bensheim zugute: Einer wurde zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. Für die beiden anderen galt aufgrund ihres damaligen Alters das Jugendstrafrecht - sie kamen mit Verwarnungen davon und müssen die Prozesskosten tragen.
Angriff vor einer Shisha-Bar
Um drei Vorfälle ging es am dritten und letzten Prozesstag. Im Frühjahr 2018 soll der älteste Täter an einer derben Schlägerei vor einer Shisha-Bar in Bensheim beteiligt gewesen sein. In diese Bar war ein Mann geflohen, dem der Angeklagte und mehrere Mittäter ans Leder wollten. Mitarbeiter und Gäste versuchten, den Mann in Not zu schützen - und kassierten selbst Schläge. Eines der Opfer erlitt Hirnblutungen. Auch eine Stichwaffe soll eingesetzt worden sein - unklar ist, ob es sich um ein Messer oder etwa um einen Schlitzschraubenzieher handelte. Ob eine Kette benutzt wurde, um Schläge zu verstärken, blieb ebenfalls offen.
Schläge im Supermarkt
Der Angeklagte war nach Zeugenaussagen nicht der Haupttäter, billigte aber die Attacke und teilte selbst Schläge aus, warf ihm die Staatsanwaltschaft vor. Der 2015 aus Syrien nach Deutschland geflohene Mann war der einzige der nun Verurteilten, dem eine Beteiligung an allen drei Vorfällen zur Last gelegt wird. Im Januar 2019 wurde er mit einem Mitangeklagten in einem Heppenheimer Lebensmittelmarkt beim Diebstahl erwischt. Als die beiden damit konfrontiert wurden, schlugen sie brutal auf einen Mitarbeiter ein, der eine Gehirnerschütterung und eine gebrochene Hand davontrug.
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Der dritte Fall ereignete sich im März 2019 in einer Regionalbahn von Bensheim nach Heppenheim und am dortigen Bahnhof. Der älteste Angeklagte soll ohne Fahrschein gefahren sein. Als ihn ein Zugbegleiter kontrollierte, schlugen er und weitere Personen - darunter der dritte Angeklagte, auf den Bahn-Mitarbeiter ein. Nachdem sie den Zug verlassen hatten, schlug einer von ihnen noch den Lokführer nieder, der aus dem Führerhaus ausgestiegen war, um nachzusehen, was los war. Früher im Prozess war die Rede davon gewesen, dass ein Schlagring eingesetzt worden sei. Zumindest auf Videoaufnahmen aus der Bahn erkannten Richter Rainer Brakonier und die anderen Prozessbeteiligten aber keine solche Waffe - einer der Schläger hatte aber möglicherweise ein Feuerzeug oder Ähnliches in der Hand, als er zuschlug.
Gute Prognosen
Zum letzten Prozesstag war ein Mann geladen, der bei der Schlägerei vor der Shisha-Bar eine tragende Rolle gespielt haben soll und deshalb gesondert verfolgt wird - entgegen der Aktenlage war er nicht zwischenzeitlich nach Afghanistan abgeschoben worden. Letztlich machte er von seinem Recht Gebrauch, die Aussage zu verweigern, um sich nicht selbst zu belasten.
Ein weiterer Zeuge konnte nicht vernommen werden: Er soll mittlerweile tatsächlich in Afghanistan sein. Einen Beweisantrag, per Rechtshilfeersuchen eine Aussage dieses Mannes einzuholen, zog Rechtsanwalt Milan Martin, der den ältesten Angeklagten verteidigte, zurück. Die Adresse des Zeugen in dem von Kriegen zerrütteten Land zu erfahren, würde sich wohl als fast unmöglich erweisen.
Dass es erst jetzt zum Prozess kam, erklärte Richter Brakonier unter anderem mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie. Die beiden jüngeren Täter hätten sich seit den Taten grundlegend geändert, versicherten deren Anwälte. Sie stünden in Lohn und Brot, seien seit längerer Zeit nicht mehr auffällig geworden. Der Beteiligte am Angriff in der Bahn saß zwischenzeitlich wegen einer anderen - früheren - Tat vier Monate lang in Untersuchungshaft.
Frust und falsche Freunde
Die Erfahrungen der unbegleiteten Flucht nach Deutschland hätten die Entwicklung der beiden negativ beeinflusst, lautete die Einschätzung eines Vertreters der Jugendhilfe. Frust und falsche Freunde hätten zu den Taten geführt. Einen Effekt, der weitere Verfehlungen der beiden Männer verhindert, sieht das Gericht in einer härteren Strafe nicht, es betrachtet weitere Taten ohnehin als unwahrscheinlich. Der Beteiligte am Angriff im Heppenheimer Markt zahlt zudem Schmerzensgeld an den verletzten Mitarbeiter - Ergebnis eines zivilrechtlichen Vergleichs.
Der älteste Angeklagte habe zwar „Terror auf deutsche Straßen gebracht“, sagte Brakonier. Auch er habe aber in der Zwischenzeit eine Freiheitsstrafe abgebüßt und dabei an verschiedenen Resozialisierungsmaßnahmen teilgenommen. (kbw)
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