Bergstraße. Geschichten aus der Geschichte: Jährlich veröffentlicht die Arbeitsgemeinschaft der Geschichts- und Heimatvereine im Kreis Bergstraße ein Buch mit Texten zur Historie der Region. Für den neuesten Band hat Heinz Klee (kleines Bild) einen großen Beitrag über Schwester Paterna verfasst.
„Sie war eine Frau mit Ecken und Kanten“, schickt Heinz Klee das Ergebnis seiner intensiven Nachforschungen bei der Bandvorstellung vorweg. Und das Publikum in der Kulturscheune nickt zustimmend. Viele können sich noch an die Schwester erinnern, die fast nie ohne ihr Fahrrad anzutreffen war.
Fahrrad als Markenzeichen
Das Rad hatte Klee dabei, ausfindig gemacht bei einem Viernheimer Sammler. Für seine Zeit war es ein aktuelles Modell. Und Klee weiß auch, warum: „Zum damaligen Bürgermeisterkandidaten Hans Mandel sagte die Schwester, wenn er die Wahl gewinnt, könne er ihr ein anständiges, modernes Fahrrad kaufen.“ Und tatsächlich habe der Bürgermeister ihr die schon forsch formulierte Bitte erfüllt. „So war sie, direkt raus“, stimmen viele Zuhörer zu.
Schwester Paterna wurde 1901 als Anna Heß in Wurmlingen geboren, dort setzte Heinz Klee mit seinen Nachforschungen an. Erst habe er das falsche Dörfchen kontaktiert, aber schließlich Angehörige und ehemalige Nachbarn gefunden. Sie erzählten ihm von der Familie: Die Mutter war früh verstorben, zwei weitere Kinder ebenso. Der Vater und die älteren Schwestern hätten die Landwirtschaft betrieben. Annas Kindheit sei christlich und kirchlich geprägt gewesen.
„War es dieses Umfeld oder die persönlichen Schicksalsschläge, die die junge Anna in den Orden führten?“ – diese Frage stellte sich Heinz Klee. 1930 trat Anna Heß in den Orden der „Bühler Schwestern“ ein. Der Name „Paterna“ („väterlich“) als Ordensnamen deute darauf hin, dass sie Abstand von dem typisch Fraulichen nehmen wollte, vermutet Klee.
Ihr persönliches Gelübde, das sie damals ablegte, sei nicht bekannt. Aber ihren Auftrag als Ordensschwester, den Benachteiligten zu helfen, habe sie zeitlebens ernst genommen. „Sie war immer da, wo sie gebraucht wurde“, weiß Klee. 1939 kam sie als Krankenschwester nach Viernheim, ab 1942 war sie als ambulante Krankenpflegerin so etwas wie die „Sozialstation“ der Stadt. Nimmermüde habe sie sich bis 1975 für die Kranken in Viernheim eingesetzt, manchmal auch mit deutlichen Worten und Taten.
Mit Worten und Taten
„Unterordnen konnte sie sich nicht gut“, sagt der ehemalige Rektor der Fröbelschule, ebenfalls Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der Geschichts- und Heimatvereine, und berichtet, dass Schwester Paterna schon ihren eigenen Kopf und Willen hatte und sich damit so unvergesslich machte.
„Schwester Paterna hat ihre Spuren in Viernheim hinterlassen“, bestätigt Erster Stadtrat Jörg Scheidel – auch wenn er selbst zu einer Generation gehöre, die sie nicht mehr erlebt habe. Ihre Strahlkraft aber zeige sich vor allem daran, dass nicht nur eine Straße, sondern auch das Hospiz nach ihr benannt wurde.
Das Hospiz war auch der Auslöser für den Geschichtsblätter-Beitrag gewesen, denn die Leiterinnen hatten Heinz Klee um mehr Informationen zum Leben und Wirken der Schwester gebeten. Und so startete er seine Recherchen und notierte das, was er zu Anna Heß und Schwester Paterna und ihrem Lebensweg herausfand. „Was nicht aufgeschrieben wird, geht irgendwann verloren“, erklärt auch Heidi Adam, Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der Geschichts- und Heimatvereine im Kreis Bergstraße. Deshalb werden die Ereignisse zu Papier gebracht und erscheinen als Geschichtsblätter.
Erkenntnisse zum Melibokusturm
Seit ihrer Gründung veröffentlicht die Arbeitsgemeinschaft regelmäßig als Jahresband die Recherchen und Hintergrundgeschichten aus dem Kreis Bergstraße. Band 55 beinhaltet neben den Erinnerungen an Schwester Paterna zum Beispiel auch einen Beitrag über die Entstehung des Melibokusturms und seiner Vorgänger – ein Bild des Turms ziert schließlich auch den typischen gelben Einband der Bergsträßer Geschichtsblätter. /sm/Bild: Sandra Usler/sm
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